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BUCHTIP/317: Zur modernen Sportentwicklung - Neuer Sammelband von Helmut Digel (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 19 / 7. Mai 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Zur modernen Sportentwicklung: Neuer Sammelband von Helmut Digel

von Prof. Detlef Kuhlmann



Helmut Digel hat in seiner langjährigen akademischen Laufbahn als Sportwissenschaftler mehr als 40 Bücher geschrieben und herausgegeben. Mit seiner Tübinger Dissertation "Sprache und Sprechen im Sport" (Schorndorf 1976) fing alles an; bei der "Sportentwicklung in der Moderne" ist der inzwischen 69-jährige Hochschullehrer und ehemalige Direktor des renommierten Instituts für Sportwissenschaft an der Universität Tübingen jüngst gelandet.

In diesem neuesten Kompendium bietet Helmut Digel auf 536 Seiten einen differenzierten Einblick über ganz unterschiedliche Aspekte moderner Sportentwicklung. Gleich im Vorwort erfahren wir etwas über die "persönliche Betroffenheit" des Autors bei der Auswahl der Aufsätze: "Die Beiträge behandeln Themen, die bei meiner Beschäftigung mit dem modernen Sport in den vergangenen 50 Jahren von zentraler Bedeutung gewesen sind". Allein dieser berufsbiografische Aufhänger darf Aufmerksamkeit beanspruchen, und das Unternehmen der Zusammenstellung der Beiträge zu einem komplexen Ganzen verdient Anerkennung.

Kundige Leser Digelscher Texte werden allerdings ziemlich schnell beim Blick in das Inhaltsverzeichnis feststellen, um welche (bekannten) Themen und Texte aus den früheren Publikationen es sich bei dieser neuen Sammlung handelt. Das Verdienst von Helmut Digel ist es zu allererst, dass er alle Aufsätze thematisch als Facetten einer "Sportentwicklung in der Moderne" passgenau bündelt und dadurch einen neues Werk schafft, das nicht nur einen leichten, weil schnellen Zugriff auf die weit verstreut publizierten Digel-Texte ermöglicht.

Das Werk taugt darüber hinaus gleichsam als ein breit gefächertes Arbeitsbuch zur modernen Sportentwicklung: Die geneigte Leserschaft kann die jeweilige Digelsche Position aufarbeiten, sich quasi an ihr abarbeiten, um dann im besten Fall daran anschließend eine (eigene) noch modernere Sichtweise zu entwickeln. Die Aufsätze laden geradezu ein, solche Anknüpfungspunkte herzustellen.

Nach dem dreiseitigen Vorwort, in dem Digel auch knapp und konkret nachzeichnet, dass und wie dieser Band seinen eigenen Werdegang in der Sportwissenschaft seit der "modernen" Studentenbewegung 1968 widerspiegelt, folgen sechs große Kapitel mit insgesamt 29 Aufsätzen, die mal fünf Seiten, mal aber auch über 20 Seiten lang sind. Der Band schließt mit einem rund 30 Seiten langen Literaturverzeichnis, in dem die zitierte Literatur aus allen Aufsätzen zusammengestellt worden ist.

Um welche Aspekte der modernen Sportentwicklung geht es in den Aufsätzen genau? Dazu muss man wissen, dass Digel gemäß Inhaltsverzeichnis seine 29 Beiträge nochmals in sechs Themenkomplexe sorgsam unterteilt hat: In den Grundlagen (I) geht es z.B. um die Frage nach Wesen und Beschaffenheit des Sports, die er wesentlich mit der Konstituierung von Regeln beantwortet, die (nur) im Sport gelten. Und es geht hier um Fragen nach dem Gegenstand der (modernen) Sportwissenschaft als Wissenschaftsdisziplin, wie sie sich seit den 1970er Jahren bei uns etabliert hat. Darauf aufbauend beschäftigt sich Digel mit der "Organisationsentwicklung des Sports" (II), wo er z.B. die zentralen Aufgaben der öffentlichen Sportverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland mit dem strukturellen Aufbau und dem besonderen Anliegen der Sportselbstverwaltung vergleicht, sich aber auch über "Die Zukunft des Sportvereins" äußert.

Es folgt ein siebenteiliges Kapitel mit der Überschrift "Gesellschaftlicher Wandel und Sportentwicklung" (III), wo es auch um den Erhalt, besser noch um die (moderne) Weiterentwicklung der "Kultur des Wettbewerbs im Sport" (Titel des Beitrags) ebenso geht wie um Fragen der Verrechtlichung des Sports am Beispiel des Dopings. Das IV. Kapitel widmet sich der Sportentwicklung und der politischen Beeinflussung, und zwar national in Deutschland, aber auch international am Beispiel der Vergabe internationaler Sportevents sowie der Sportförderung in der Dritten Welt.

Den "Herausforderungen des modernen Hochleistungssports" (V) hat sich Helmut Digel auch als Sportfunktionär u.a. im Amt des Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und auf internationaler Bühne u.a. als Vizepräsident des Welt-Leichtathletikverbandes (IAAF) stets in vorderster Front gestellt. In den vier Beiträgen hierzu reflektiert er staatliche Spitzensportförderung neben den olympischen Herausforderungen beispielsweise durch zunehmende Politisierung und Kommerzialisierung der Spiele, schließlich auch hinsichtlich der "Lebensperspektiven nach dem Spitzensport" der Athletinnen und Athleten.

Mit drei Texten zu den pädagogischen Möglichkeiten des Sports endet der Band. Hier kehrt Digel inhaltlich an sein erstes Arbeitsfeld als junger Sportwissenschaftler am Lehrstuhl von Prof. Ommo Grupe in Tübingen zurück: Damals hatte sich der einstige Handball-Bundesligaspieler vom SV Möhringen (1964 bis 1967) u.a. auch mit "Sprachgebrauchsproblemen im Sportunterricht" analog zu seiner viel beachteten Dissertation beschäftigt, in der es um Kommunikation im Sport allgemein ging und in der Digel speziell das sprachliche Handeln von Handballmannschaften empirisch untersucht hatte (siehe oben).

Fazit: Wer sich mit moderner Sportentwicklung beschäftigt, landet so oder so irgendwann bei dem Autor Helmut Digel. Der Band bietet eine breite Palette an Problemfeldern der Moderne. Mehr noch: Die Zugriffsmöglichkeiten kommen sogar im "modernen" Format daher. Denn man muss das ganze Buch nicht auf einmal gleich ganz lesen. Es reicht völlig, einzelne Texte je nach "modernem" Geschmack und eigenem Interesse auszuwählen, um sich kundig zu machen und seine eigene Urteilskraft "modern" zu schärfen. Dafür bietet Helmut Digel gehaltvolle Hilfen an.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 19 / 7. Mai 2013, S. 34
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2013