Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

BUCHTIP/318: Moderne Körperarbeit - Vom Bodybuilding zum Fitness-Sport (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 25 / 18. Juni 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Moderne Körperarbeit: Vom Bodybuilding zum Fitness-Sport

von Prof. Detlef Kuhlmann



Was treibt Menschen in geschlossene Räume, um an dort eigens installierten Gerätschaften an und mit ihrem Körper zu arbeiten, also eine Art "Körpermodellierungstechnik" zu praktizieren? Wie ist die anhaltende Erfolgsgeschichte kommerzieller Fitness-Studios in unserem Lande zu erklären? Und: Ist das Ganze überhaupt noch Sport? Diese und viele andere sportsoziologische Fragen sind Gegenstand zur Klärung im jüngsten Buch von Dr. Mischa Kläber, dem Ressortleiter für Präventionspolitik und Gesundheitsmanagement beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), davor wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt, wo er immer noch als Lehrbeauftragter für Sportsoziologie fungiert. Kläber liefert eine tiefschürfende "Sozialgeschichte des Bodybuildings" (Untertitel), in der er die Entwicklung der gerätebasierten Arbeit am Körper als "Moderner Muskelkult" (Haupttitel) differenziert nachzeichnet. Legt man allein die Gliederung des lesenswerten Bandes mit seinen vier Hauptkapiteln zugrunde, denen vorn eine Einleitung vorangestellt ist und das hinten mit einem kritischen Resümee endet, dann lässt sich vordergründig der zeithistorische Bogen von "Vormodernen Formen des Krafttrainings" (Überschrift von Kap. II) bis zur "McDonaldisierung des Bodybuildings" (Überschrift des Resümee) spannen. Der in Anlehnung an die bekannte amerikanische Fast-Food-Kette verwendete Terminus soll verdeutlichen helfen, dass es dort und genauso im Bodybuildingbereich trotz scheinbarer Vielfalt und Individualität zu einer Vereinheitlichung kommt, die u. a. auf Kriterien wie Einfachheit, Effizienz, Planbarkeit und Machbarkeit basiert. Demzufolge haben wir es in der Gegenwartsgesellschaft mit einem Bodybuildung zu tun, "dessen Operationslogik sich auf effizienzorienierten Maßnahmen der Körperoptikmodellierung reduziert und zugleich den aktuellen Stand der Wissenschaften - Ökotrophologie, Sportmedizin, Trainingswissenschaft, Pharmakologie etc. - berücksichtigt" (S. 237).

Schon weiter vorn im Kapitel über "Bodybuilding und funktionale Differenzierung" (III.) haben wir genauer erfahren können, welche Trends und Tendenzen derzeit in der Fitnessbranche angesagt sind, wie aus den miefigen "Muckiebuden" inzwischen hoch palastähnliche "High-Tech-Studios" geworden sind, die sich durch Pluralismus und Komplexität auszeichnen und die sich auf sachlicher, zeitlicher, räumlicher und sozialer Ebene verorten lassen. Die geradezu explosionsartige Vermehrung der Fitness-Studios seit den 1980er Jahren wird mit "der Wiederkehr harter körperlicher Arbeit als ein Sinnmotiv" begründet - zumal eine körperliche Anstrengung in modernen Gesellschaften immer weniger zur Aus- bzw. Aufführung kommt und der Sport schlechthin hierfür eine "reizvolle" Kompensationsbühne darstellt. Allerdings kommen die Menschen heutzutage "beileibe" nicht ins Fitness-Studio, um hart körperlich zu arbeiten, sich dabei Schmerz und Qualen auszusetzen, was dazu führt, dass in den modernen Fitness-Studios kaum noch klassisches Bodybuilding betrieben wird und der fein modellierte Fitnesskörper voll im Trend liegt. Kläber bringt es auf den Punkt: Der "durchtrainierte" Körper von heute schlägt den "hypertrophierten Körper" von früher. Festmachen lässt sich das alles an Ausstattung und Angeboten der Fitness-Studios, die sich kaum mehr als "Folterkammern" präsentieren und wo Sauna und Solarium ebenso Standard geworden sind wie Spinning und Power-Yoga-Kurse: Willkommen im "Body-McDonald-Building"!

Fast überflüssig zu erwähnen, dass Kläber an anderer Stelle im Buch auch einen hinreichenden Diskurs darüber führt, warum das "harte Bodybuildingtraining", das der normativen Muskelerweiterung zum Körperkunstwerk dient, dem "Sieg-Niederlage-Code" des herkömmlichen Sportsystem folgt, während alle Formen der Steigerung der Körper-Fitness eher als eine allgemein sportliche Betätigung aufzufassen sind und keine Sportart im engeren Sinne darstellen. Bleibt nur noch die organisationssoziologische Analyse des modernen Bodybuildingsport als Teilbereich des Sportsystems offen, der Kläber ebenfalls nachgeht: Wie steht es um die verbandliche Einbindung der "Familie der Bodybuilder" hierzulande? Kläber klärt auf: Der Deutsche Bodybuilding- und Fitness-Verband (DBFV) mit seinen Landesverbänden gehört der Internationalen Federation of Bodybuilding (IFBB) an. Alle bundesweit im DBFV registrierten Fitness-Studios bilden damit das Fundament der deutschen Bodybuildingszene ab. Aber: Der DBFV ist (noch) nicht dem DOSB als Mitgliedsverband angeschlossen, wenngleich sich die Funktionäre von DBFV und IFBB "nach Kräften" bemühen, die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Kreis der olympischen Disziplinen bzw. von Bodybuilding als olympische Sportart voranzutreiben.

Kläber, Mischa:
Moderner Muskelkult.
Zur Sozialgeschichte des Bodybuildings.
Bielefeld 2013: transcript Verlag. 272 Seiten; 28,80 Euro

*

Quelle:
DOSB-Presse Nr. 25 / 18. Juni 2013, S. 34
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Telefon: 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2013