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BUCHTIP/335: Neue Romane, die in und mit der Welt des Sports spielen (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 22 / 26. Mai 2015
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Neue Romane, die in und mit der Welt des Sports spielen

von Prof. Detlef Kuhlmann


Sport ist sprachlos. Beim Sport verschlägt es uns zuweilen sogar die Sprache. Doch das, was im Sport geschieht, ist permanent für andere beobachtbar ist. So ist es auch zu erklären, dass der Sport immer mal wieder und immer mehr für literarische Bauformen taugt - egal, ob man dafür prominente Schriftstellernamen wie Bertolt Brecht, Egon Erwin Kisch und Robert Musil heranzieht oder auf Siegfried Lenz, Uwe Johnsen und Günter Herburger verweist. Sucht man nach jüngeren Autoren und Autorinnen, dann wird man ebenso fündig, ohne bei der Suche jemals Vollständigkeit und bei den Werken Aktualität zu erreichen. Die Produktion von schöner Literatur zum Sport geht so unaufhörlich weiter, wie der Sport selbst tagtäglich (nicht nur schöne) Neuigkeiten produziert. Im Folgenden wird eine kleine Auswahl von vier neueren Romanen mit Bezug zum Sport schlaglichtartig vorgestellt, stellvertretend für viele weitere Neuerscheinungen, die in und mit der Welt des Sports spielen: Wer erinnert sich noch an Nadia Comaneci? Mit 14 Jahren betritt sie anlässlich der Olympischen Spiele in Montreal 1976 olympisches Parkett. Am 18. Juli versetzt sie dann die ganze Welt in Staunen: Noch nie zuvor hat es im Kunstturnen die Traumnote 10,0 gegeben. Die kleine Rumänin hat es erstmals geschafft. Die Anzeigetafel versagt ihren Dienst und zeigt anstatt 10,0 die Note 1,0 an. Jetzt stellt uns die in u.a. in Sofia und Bukarest aufgewachsene und heute in Paris lebende Schriftstellerin Lola Lafon ihre Version von der "kleinen Kommunistin, die niemals lächelte" vor. Der Ausgangspunkt ist die erste 10,0 der Turngeschichte. Dabei handelt es sich um keine zeitgeschichtliche Rekonstruktion - aber: Nadia Comaneci kommt aus der (Sport-) politisch längst versunkenen Welt zurück, am deutlichsten in den zahlreichen fiktiven Korrespondenzen zwischen der Erzählerin und der Turnerin, gepaart mit kitschig-kritischen Metaphern für die Kunstturnheldin, die uns im Buch mal als "Magnesium-Jungfrau von Orléans", mal als "biomechanische Unmöglichkeit" und mal als "kleine Karpatenfee" begegnet.

Lola Lafon: Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte. Roman.
München 2014: Piper. 280 Seiten; 19,99 Euro.

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Bücher über Fussball gibt es reichlich - darunter auch Romane. Die meisten spielen im Profifussball. Da ist "Abseits der Kreisklasse" einerseits als eine rühmliche Ausnahme zu bezeichnen und verdient gerade dadurch andererseits eine "klassenhöhere" Aufmerksamkeit: Hier geht es endlich mal um den Amateurfussball, denn der wird hierzulande schliesslich von mehr Menschen betrieben als der Profifussball. Natürlich geht es im Roman um mehr: Matthias Hunger (Jahrgang 1977) ist in der Region Nürnberg beheimatet und lässt uns teilhaben an den grossen Siegen und den schmerzhaften Niederlagen auf dem Platz und im richtigen Leben. Er schildert das Aufwachsen und Erwachsenwerden mit Fussball und im Drumherum, er erinnert Träume und verliert Tränen "Abseits der Kreisklasse" . und dabei geht es mal um Veronique, mal um Jasmin und mal um Maria, aber durchgängig um die Mannschaft der SG Noris Schweinau aus der Kreisklasse.

Matthias Hunger: Abseits der Kreisklasse. Der Roman.
Hildesheim 2014: Arete. 211 Seiten; 11,00 Euro

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Der dritte Roman spielt in Australien und handelt vom Schwimmen. Daniel Kelly ist seine Hauptfigur. Er will der stärkste und schnellste und beste überhaupt werden. Seine Herkunftsfamilie unterstützt ihn dabei. Mit Hilfe eines Stipendiums gelangt der Sprössling aus der Working-Class auf die Eliteschule (des Sports). Um Anerkennung unter den gleichaltrigen Jungen zu erlangen, muss er mehr und härter trainieren als sie, und er muss erst lernen, sich anderen gegenüber zu wehren, um sich selbst zu schützen. Darum geht es im ersten Kapitel ("Einatmen"). Das Wasser ist seine Heimat. Hier fühlt er sich wohl. Hier macht er das, was ihm liegt und zusehends besser gelingt - mehr noch: "Im Wasser zersplitterte der Tag, er strömte dahin, und Danny zog die Arme durch, schlug die Beine, atmete, um ihn zu überholen, um schneller zu sein als der Tag. Danny konnte kaum glauben, dass schon zwei Stunden vergangen waren, dass er aus dem Wasser müsste, dass er mit den anderen in die kalte Umkleide zurück und sich wieder anziehen müsste". Der Autor erzählt die Geschichte vom Erfolg und im zweiten Teil mit der Überschrift "Ausatmen" vom Scheitern eines jungen Leistungssportlers.

Christos Tsiolkas: Barrakuda. Roman. Stuttgart 2014: Cotta. 468 Seiten; 22,95 Euro.

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Manchmal erscheinen Bücher mit sportiven Titeln, und man muss sich danach erst auf die Suche begeben, um den sportlichen Gehalt zu entdecken - selbst wenn auf der Coverseite eine fightender Boxer abgebildet ist. Im Roman mit dem Titel "Der polnische Boxer" ist das alles so. Es geht zugegebenermassen nicht zentral um das Boxen. Der polnische Boxer ist höchstens eine zentrale Figur, mit der uns der Autor aus Guatemala die Geschichte seines jüdischen Grossvaters erzählt, der das Konzentrationslager Auschwitz offenbar dank der Ratschläge und mit der Hilfe eines polnischen Boxers überlebt hat. Das Buch war ursprünglich als Sammlung von Kurzgeschichten geplant und besteht aus zehn losen Roman-Kapiteln in Analogie zu den Runden im Boxen.

Eduardo Halfon: Der polnische Boxer. Roman in zehn Runden. München 2014: Hanser Verlag. 224 Seiten; 18,90 Euro.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 22 / 26. Mai 2015, S. 24
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2015

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