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FORSCHUNG/108: Neue Studie über Sport im Seniorenalter (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 30.07.2008

Neue Studie über Sport im Seniorenalter:

Defizite in der Selbststeuerung hemmen die Motivation


"...Also auf die Uhr zu schauen, aha, jetzt musst du los. Da fängt es ja schon an. Man guckt heraus, ach du lieber Gott, was für ein Wetter, wenn du da bist, bist du patsch nass! Aber, nee da gehst du, da gehst du jetzt hin", äußert sich eine sportaktive 75-Jährige zur Sportmotivation. Wie aber können Senioren den "inneren Schweinehund" überwinden? Warum gelingt es manchen, sich zum Sport zu motivieren, anderen aber nicht? Diesen Fragen widmet sich Simone Quantmeyer de Polack, Sportwissenschaftlerin an der Universität Bonn, in ihrer Studie über Alterssport. Zu diesem Zweck befragte sie zwei Gruppen, bestehend aus über 60-jährigen Senioren: die Gruppe der sportaktiven "Dabeibleiber" und die weniger aktive Gruppe der "Versucher". Letztere wäre gerne sportlich aktiv, scheitert aber immer wieder daran, sich zum regelmäßigen Sport zu motivieren.

Sportaktive Senioren bleiben länger vital, gesund und mobil. Besonders wichtig dafür ist, dass sie regelmäßig Sport treiben. Obwohl sich die meisten älteren Menschen dessen bewusst sind, nimmt die Sportaktivität im Alter ab. Allerdings trifft das nicht auf alle Senioren zu, wie Simone Quantmeyer de Polack zeigen konnte. In ihrer Arbeit befasst sie sich mit zwei verschiedenen Gruppen von älteren Sporttreibenden: die "Dabeibleiber" und die "Versucher".

Der bedeutendste Unterschied zwischen beiden Gruppen liegt in ihren "Selbststeuerungsstrategien", das heißt die "Dabeibleiber" sind besser in der Lage Absichten auch gegen Widerstände umzusetzen. Sportaktive Senioren sind zudem besonders handlungsorientiert: es gelingt ihnen leichter, ihre momentanen Bedürfnisse und ihre langfristigen Ziele aufeinander abstimmen. Sie sehen in Schwierigkeiten eher Herausforderungen und suchen konkret nach Lösungen. So steigerte beispielsweise ein Senior seine Motivation, indem er sich vorstellte, wie gut er sich immer nach dem Training fühlte. Die "Versucher" sind dagegen stärker lageorientiert, d. h. wenn es schwierig wird, ihre Absicht umzusetzen, dann versuchen sie eher, die Situation zu verstehen als zu handeln. Weil sie eher grübeln oder sich zur Teilnahme zwingen, gehen ihnen Kraft und Energie verloren. Bei ihnen steht das Müssen im Vordergrund, es fehlt jedoch das Wollen. Zu Beginn ist ihre Motivation hoch, nimmt dann aber immer stärker ab. Die "Versucher" beginnen abzuwägen zwischen Sport und alternativen Tätigkeiten. Wenn die Motivation schwindet, entscheiden sie sich nicht bewusst für den Abbruch ihres Sportprogramms, sondern dies geschieht in einem schleichenden Prozess.

Auch positive bzw. negative Sporterfahrungen in der Jugend haben Einfluss auf die Sportaktivität im Alter: Wer schon beim Schulsport immer zu denen gehörte, die zuletzt in die Mannschaft gewählt wurden, tut sich auch im Alter mit Sport schwerer. Wer dagegen Sport in der Gruppe schon immer als Erlebnis wahrgenommen hat, kann sich im Alter leichter zum Sport motivieren. Lebenslange kontinuierliche Sportaktivität ist dabei keine Voraussetzung, um sich im Alter motivieren zu können.

Als Hinderungsgrund, Sport zu treiben, nannten die "Versucher" unter anderem gesundheitliche Beschwerden. Wer zum Beispiel Schwierigkeiten hat, einen Kasten Wasser anzuheben, ist deshalb nicht gleich sportunfähig. Aus medizinischer Sicht sollte auch bei körperlichen Beschwerden Sport getrieben werden. "Die meisten Beschwerden werden nicht allein durch das Alter, sondern auch durch mangelnde Bewegung verursacht," sagt Quantmeyer de Polack, "Beeinträchtigungen sprechen also eher für ein - entsprechend angepasstes - Sportprogramm."

Wie können Senioren sich nun zum Sport motivieren? "Allgemein empfiehlt sich für Inaktive ein Einstieg über so genannte Lebensstilaktivitäten. Das sind Tätigkeiten, die in erster Linie anderen Zwecken als der Gesundheit dienen, also beispielsweise Besorgungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen," rät Quantmeyer de Polack. Die nächste Stufe kann dann ein Minimalprogramm von ein bis drei Stunden Sport pro Woche bilden.

Beim gemeinsamen Sport in der Gruppe können sich die Teilnehmer gegenseitig motivieren. Sportinteressierte sollten verschiedene Gruppen ausprobieren, um die beste Wahl treffen zu können. Gerade Alterssportgruppen sind geeignet, da hier verschiedene Sportarten ausprobiert werden und wichtige Kompetenzen für den Seniorenalltag besonderes trainiert und geübt werden.

"Senioren sollten es sich so einfach wie möglich machen", empfiehlt Quantmeyer de Polack. "Sie sollten nicht so sehr versuchen, den ,inneren Schweinehund' zu überwinden, sondern ihn vielmehr zur Zusammenarbeit bewegen." Dabei sei es nicht nötig, sich immer durchzusetzen. "Selbst wenn man einmal den Sporttermin ausfallen lässt, sollte man nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Sich zu zwingen, wirklich jedes Mal hinzugehen, schadet der Motivation", betont die Bonner Sportwissenschaftlerin.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution123


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Frank Luerweg,
30.07.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2008