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FORSCHUNG/110: Sportwissenschaftler unterstützen Olympioniken (idw)


Universität Stuttgart - 05.08.2008

Sportwissenschaftler unterstützen Olympioniken

Höchstleistungen im Sport unter der Lupe


Rund 10.500 Athleten aus über 200 Nationen werden bei den Olympischen Spielen vom 8. bis 24. August in Peking um Medaillen kämpfen und in einigen Sportarten sicherlich auch wieder neue Rekorde aufstellen. Doch kann es immer so weitergehen? Sind die Grenzen der Leistungsfähigkeit bei Sportlern nicht längst ausgereizt? Diese Fragen untersuchen Wissenschaftler des Instituts für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Stuttgart. "Wenn man sportliche Leistungen nur unter dem Blickwinkel der Mechanik betrachtet, stoßen wir längst an Grenzen", sagt Prof. Dr. Wilfried Alt, der am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Stuttgart den Arbeitsbereich Biomechanik, Bewegung und Training betreut. "Versucht man jedoch, durch präzise Analysen des Krafteinsatzes, der Bewegungen und ein individuell angepasstes Training die Leistung zu optimieren, lassen sich solche Grenzen durchaus nach oben verschieben", erläutert er. Mit ihrem Know-how beraten und betreuen die Stuttgarter Sportwissenschaftler seit 2004 auch Trainer und Athleten des Olympiastützpunkts Stuttgart. Wie sich die Zusammenarbeit mit dem Olympiastützpunkt Stuttgart gestaltet und wie weit sich die Grenzen der sportlichen Leistungsfähigkeit auch ohne Doping noch verschieben lassen, erläuterte der Biomechanikfachmann Wilfried Alt am 5. August in unserer Serie "Forschung hinter den Kulissen".

Muskuläre Diagnostik als Trainingsbasis

In den am Stuttgarter Olympiastützpunkt angesiedelten Schwerpunktsportarten Gerät- und Trampolinturnen, Judo und Leichtathletik haben einige Teilnehmer (wie unter anderen Michaela Baschin, Thomas Andergassen, Robert Juckel, Helge Liebrich) der Olympischen Spiele in Peking von dieser Unterstützung durch die Wissenschaft bereits profitiert. So konnten die Stuttgarter Biomechanikfachleute beispielsweise durch die Entwicklung eines Messplatzes zur Diagnose von Kraftleistungen und daraus abgeleiteten Trainingsempfehlungen dazu beitragen, dass mehrere Athleten nach Verletzungspausen schneller wieder in den Olympiakader zurückkehren konnten. Für Kunstturner haben die Stuttgarter Sportwissenschaftler einen Messplatz zur Diagnose von Kraftleistungen an den Ringen weiterentwickelt. Anhand der Ergebnisse leiten die Wissenschaftler konkrete Empfehlungen für das allgemeine und spezielle Krafttraining ab. Ein neuromuskuläres Aktivierungsprofil für das als "Schwalbe" bezeichnete Kraftelement an den Ringen trug zur Rehabilitation und Wiedereingliederung von Thomas Andergassen in den Olympiakader bei", berichtete Wilfried Alt. Anhand der Ableitung der "Muskelströme" bei Spitzenturnern durch die Methode der Elektromyografie an allen relevanten Muskeln des Schultergürtels konnte gezeigt werden, welche Muskelpartien beim turnerischen Element der Schwalbe von entscheidender Bedeutung sind. Nach der Operation beider Schultergelenke von Thomas Andergassen im Herbst 2007 musste dieser möglichst schnell wieder ein spezielles muskuläres Korsett aufbauen. Mit Hilfe des an der Universität Stuttgart erstellten neuromuskulären Aktivierungsprofils konnten Rehaexperten in Berlin zielgerichtet die entsprechende leistungsoptimierende Muskulatur des Athleten aufbauen.

Weniger Verletzungen, bessere Leistung

Die Forschung konzentriert sich aber keinesfalls nur auf die Leistungssteigerung bei speziellen sportlichen Techniken, auch die allgemeine Belastungsverträglichkeit des Bewegungsapparates gilt es zu sichern. So wird beispielsweise die Stabilität im Bereich der Wirbelsäule durch regelmäßige Kraft-Tests überprüft. Trainingswirkungsanalysen und ein daraus abgeleitetes spezielles Training ermöglichen es auch, die Leistungshöhepunkte optimal zu "timen". "So können Sportler ihre höchste Leistungsfähigkeit zum gewünschten Zeitpunkt erreichen", erläuterte Alt.
Beim Trampolinturnen analysieren die Sportwissenschaftler das bisher noch nicht ausreichend beschriebene Bewegungsverhalten beim Absprung mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit durch höhere Sprünge und eine bessere Kondition der Athleten zu steigern. Zusätzlich werden auch hier die Kraftfähigkeiten der Wirbelsäule erfasst.

Bei den leichtathletischen Sprungdisziplinen trugen die Diagnostik der Absprungleistung durch die Stuttgarter Fachleute und daraus abgeleitete Trainingsempfehlungen dazu bei, die Leistungen zu verbessern. Für die Athleten und Athletinnen des Wurfkaders erarbeiteten die Sportwissenschaftler aufgrund der Analyse der Kraftfähigkeiten spezielle Trainingspläne. Bei den Judokas spielt vor allem die Stabilität der Wirbelsäule eine wichtige Rolle. Mit den speziellen Messgeräten des Instituts wurden die Kraftfähigkeiten der Wirbelsäule analysiert, die in individuelle Trainingsempfehlungen und -programme für einzelne Athleten mündeten.

Schwerpunkt Nachwuchsförderung

Allerdings betreuen die Stuttgarter Sportwissenschaftler nicht bereits etablierte Athleten. Ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Betreuung liegt in der Arbeit mit dem leistungssportlichen Nachwuchs. Nur wenn junge Athleten vorsichtig und optimiert an ihre sportliche Grenzleistungsfähigkeit herangeführt werden, kann man damit rechnen, dass sie auch im Hochleistungsalter erfolgreich und gesund sein werden.

"Mit all diesen, vorrangig langfristig orientierten Methoden lassen sich sportliche Leistungen auf saubere Weise optimieren und die Überlastungsgefahr minimieren", sagt Wilfried Alt. "Allerdings lässt sich die menschliche Leistungsfähigkeit nicht beliebig steigern", warnt er. Mehr als neun Meter beim Weitsprung oder weniger als neun Sekunden für hundert Meter seien durch die im menschlichen Körperbau bedingte Kraftübertragung ohne langfristige Schäden eben nicht drin. Wilfried Alt weiß, wovon er spricht: Die Prophylaxe akuter oder chronischer Überlastungsfolgen des Bewegungsapparates zählt zu seinen Arbeitsschwerpunkten.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution80


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Stuttgart, Ursula Zitzler, 05.08.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2008