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FORSCHUNG/129: Kurvendurchlauf beim Eisschnelllauf - "Nicht denken, einfach machen" (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 18.03.2010 14:10

"Nicht denken, einfach machen"

Trainingswissenschaftler der Universität Münster erforscht den Kurvendurchlauf beim Eisschnelllauf


Da laufen sie wieder - im niederländischen Heerenveen beginnt am Freitag (19. März) drei Wochen nach den Olympischen Winterspielen die Mehrkampf-WM im Eisschnelllauf. Einer schaut dabei besonders genau hin: Der Trainingswissenschaftler Dr. Stefan Panzer von der Westfälischen Wilhelms-Universität ist Spezialist für Eisschnelllauf. Derzeit widmet er sich in einer Studie der größten "Problemzone" der Kraft- und Ausdauersportart, den Kurvendurchläufen.

Durch die hohen Geschwindigkeiten, die auf den Sprintstrecken bei bis zu 60 Stundenkilometern liegen, ist die Fliehkraft vor allem in den Kurven enorm hoch. "Das ist wie beim Autofahren, wenn man eine Kurve zu eng oder mit zu hoher Geschwindigkeit nimmt", erklärt Stefan Panzer. Die Eisschnellläufer werden umgehend "bestraft", wenn sie sich nicht an die Ideallinie halten. "Entweder der Athlet stürzt oder verliert wertvolle Sekunden", weiß der Sportwissenschaftler.

Deshalb will Stefan Panzer ein System entwickeln, dass es den Trainern ermöglicht, die Kurvendurchfahrt ihrer Schützlinge zu optimieren. "Eisschnellläufer müssen im optimalen Fall das Denken ausstellen und einfach nur 'machen' - das heißt, die Handlungsabläufe sollen völlig automatisch ablaufen", verdeutlicht der 45-Jährige. Deshalb ist es für die Trainer umso wichtiger, den Sportlern zu zeigen, wo ihre Ideallinie auf der Bahn liegt, wo sie also Zeit gutmachen können. Stefan Panzer arbeitet deshalb mit zwei weiteren Mitarbeitern des Instituts für Sportwissenschaft an einer Methode, die Wettkämpfe so aufzuzeichnen, dass Trainer wenige Minuten nach den Läufen Rückschlüsse über die Kurvendurchfahrt ihrer Schützlinge machen können.

"Wir befinden uns allerdings noch in der Testphase", sagt der Trainingswissenschaftler, "die meisten Probleme haben wir noch mit der Technik." So lassen sich die Aufnahmen von Kameras, die an der Hallendecke befestigt sind, noch nicht optimal auswerten. Der Sportler beziehungsweise seine Lauflinie soll durch elektronische Marker, die am Körper befestigt sind, nachvollziehbar gemacht werden. "Unser Aufnahmegerät macht 25 Bilder pro Sekunde und die Eisschnellläufer durchfahren eine Kurve in etwa fünf Sekunden. Das bedeutet, dass uns bei der Analyse die Marker optisch 'wegspringen', weil wir eine höhere Aufnahmefrequenz brauchen", rechnet Stefan Panzer vor, "daran arbeiten wir."

Auch an einer anderen Methode wird gearbeitet und getestet, zuletzt bei der deutschen Meisterschaft der Frauen und einem Weltcup in Berlin: Die Halle wurde vermessen und eine Kamera, die während der Läufe mitschwenkt, im Scheitelpunkt der Kurve aufgestellt. Hier muss dann umständlich die Distanz zwischen den Hütchen, die als Bahnbegrenzung dienen, und den Kufen der Athleten "per Mausklick" ermittelt werden. Daraus kann dann später die genaue Fahrtlinie berechnet werden.

Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, zur Optimierung der Kurvendurchfahrt beim Eisschnelllauf zu forschen? "Eine Untersuchung zum olympischen 800-Meterlauf im Jahr 2000 in Sydney hat mich neugierig gemacht", erinnert sich Stefan Panzer, der vor seinem Wechsel an die WWU im Oktober an der Universität in Leipzig forschte. Damals gewann der Deutsche Nils Schumann nur sechs Hundertstelsekunden vor dem dänischen Weltmeister Wilson Kipketer. "Die Untersuchung ergab, dass Schumann im Mittel langsamer durch die Kurven gelaufen ist als Kipketer. Dafür hat er aber, im Gegensatz zu seinem Kontrahenten immer die Ideallinie auf der inneren Bahn gehalten. Das hat am Ende einen Unterschied von etwa vier Metern ausgemacht und den Sieg bedeutet", erklärt Stefan Panzer.

Diese Erkenntnisse auf sein Steckenpferd, das Eisschnelllaufen, zu übertragen, lag da nahe. "Die Wahrscheinlichkeit, rennentscheidende Fehler zu machen ist gerade in den Kurven sehr hoch und somit auch das Verbesserungspotential", lautet der Ansporn des Trainingswissenschaftlers, der hofft, auf diesem Weg in zwei bis drei Jahren ein Schnellinformationssystem für Trainer entwickelt zu haben, das es ermöglicht, die Kurventechnik, den Knackpunkt des Eisschnelllaufs, zu optimieren. Mit dem neuen Räumlichkeiten "Zentrallabor" an der Sportwissenschaft der WWU gibt es optimale Voraussetzungen, die "Ideallinine" weiter zu erforschen.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-muenster.de/Sportwissenschaft/Trainingswissenschaft/mitarbeiter/panzer.html
Homepage Dr. Stefan Panzer

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution72


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster, Brigitte Nussbaum,
18.03.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2010