Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/081: Pferderennbahn im antiken Olympia nach 1600 Jahren entdeckt (idw)


Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 04.07.2008

Pferderennbahn im antiken Olympia nach 1600 Jahren entdeckt

Archäologische Sensation: Lage des Hippodroms und geographische Ausdehnung mit modernen geophysikalischen Methoden enträtselt


(Mainz, 4. Juli 2008, lei) Die Lage der antiken Pferderennbahn von Olympia, auf der auch Kaiser Nero zum olympischen Sieg fuhr, ist enträtselt. Die Entdeckung des Hippodroms gelang einer Forschungskooperation unter Beteiligung des Mainzer Sporthistorikers Professor Dr. Norbert Müller, des Kölner Sportarchäologen Dr. Christian Wacker und PD Dr. Reinhard Senff, Ausgrabungsleiter des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Olympia. "Der Fund ist eine archäologische Sensation", kommentierte Müller, Sporthistoriker an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Entdeckung. Das Forschungsprojekt lief mehrere Wochen bis zum Abschluss Mitte Mai 2008.

Das Hippodrom war bislang nur durch Schriftquellen bekannt, archäologisch ließ es sich nie nachweisen. Dies ist überraschend, da deutsche Ausgräber seit 1875 den Ort der antiken Olympischen Spiele als eine ihrer traditionsreichsten Unternehmungen kontinuierlich erforschen und zahllose Archäologen, Alt- und Sporthistoriker aus der ganzen Welt sich seit über 100 Jahren mit diesem Geheimnis beschäftigt haben. Sehr detailreich beschreibt der antike Reiseschriftsteller Pausanias im 2. Jh. n. Chr. die Pferderennbahn, deren Startmechanismen, Wendemale und Altäre. Eine bisher wenig beachtete Schriftquelle aus dem 11. Jahrhundert n. Chr. nennt sogar Maße und Dimensionen der Anlage.

Bislang ging man davon aus, dass sich keine Überreste des Hippodroms mehr finden lassen, da das von Pausanias beschriebene Areal im Osten des Heiligtums von Olympia durch den Fluss Alpheios seit der Antike überschwemmt und versandet wurde. In modernen Plänen und Beschreibungen steht meist lapidar zu lesen: "Keine Reste vom Hippodrom aufgrund mittelalterlicher Überschwemmungen."

Das reizte die deutschen Forscher umso mehr: Mit modernen geophysikalischen Methoden wurde erstmals das Gelände systematisch abgesucht, wobei die auf Geo-magnet- und Georadarmessungen spezialisierten Experten Armin Grubert (Mainz) und Christian Hübner (Freiburg) zahlreiche Veränderungen im Boden wie beispielsweise Wasserläufe, Gräben und Mauern kartieren konnten. Tatsächlich wurden auffällige, geradlinige Strukturen auf einer Länge von fast 200 Metern entdeckt, welche die Forscher mit der parallel zum Stadion gelegenen Pferderennbahn verbinden. Bauliche Überreste, die mit einem beim Hippodrom überlieferten Heiligtum der Demeter gleichgesetzt werden können, waren bereits im Norden des untersuchten Geländes im Frühjahr 2007 aufgedeckt worden.

Besonders interessant ist auf halber Höhe des nördlichen Zugangs zur Startanlage - dort, wo Pausanias das Hippodrom betrat - eine kreisförmige Anlage mit etwa 10 Meter Durchmesser, die sich deutlich in der antiken Bodenschicht abzeichnet und vielleicht auf Sakralbauten, die der antike Schriftsteller an dieser Stelle erwähnt, zu beziehen ist. Die eigentliche Startanlage mit Boxen für bis zu 24 Pferdegespanne dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit unter einem von den Archäologen seit 1875 angelegten gewaltigen Hügel von Erdaushub des Tempelbezirks liegen.

Mit der Erforschung des Geländes östlich des Heiligtums von Olympia, möglich gemacht durch Forschungsmittel des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Mainz und des Internationalen Reiterverbandes, konnten erstmals konkrete Hinweise auf die Lage der Pferderennbahn und ihre geographische Ausdehnung gewonnen werden. Zehn Studierende waren dabei mit dem auf Olympia spezialisierten Sporthistoriker Professor Norbert Müller im Einsatz. "Das DAI mit seiner Außenstelle in Athen hat durch seine Mitwirkung der Sporthistorie einen großen Dienst erwiesen", sagte Müller. "Das Projekt könnte ähnlich der Ausgrabung des antiken Stadions von Olympia vor 50 Jahren eine neue Attraktion für die Sportwelt werden."

Forschungskooperation:
Prof. Dr. Norbert Müller, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
PD Dr. Reinhard Senff, Deutsches Archäologisches Institut, Athen
Dr. Christian Wacker, Deutsches Sport & Olympia Museum, Köln

Projektpartner:
Fédération Equestre Internationale
Präsidentin: HRH Princess Haya Bint Al Hussein

Georgia Chatzi-Spiliopoulou
Direktorin 7. Ephorie für Prähistorische und Klassische Altertümer, Antikes Olympia, Elis-Griechenland

ggh - Solutions in Geosciences Giese, Grubert, Hübner GbR, Freiburg i.Brsg.

Weitere Informationen unter:
http://www.sport.uni-mainz.de/mueller/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution218


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 04.07.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2008