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GESCHICHTE/107: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte - Teil 12 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 47 / 18. November 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1952/II: Das "Berliner Abkommen"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 12)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Der gesamtdeutsche Sportverkehr war in der Präsidiumssitzung DSB am 20./21. September 1952 in Oberwesel durch einen einstimmigen Beschluss abgebrochen worden. Vorausgegangen war, dass der Deutsche Sportausschuss (DSA) der DDR die Integration der (West-) Berliner Fachverbände und des LSB Berlin in den DSB bestritt und im Sinne der vom Ostblock vertretenen Drei-Staaten-Theorie eine Sonderregelung auch im Sportbereich forderte. Der DSB solidarisierte sich mit den Berliner Sportverbänden und brach mit seinen "Oberweseler Beschlüssen" die Beziehungen zu den Sportorganisationen der DDR ab. Doch schon wenige Monate später kam es am 12. Dezember in Berlin zu einer Sitzung zwischen dem DSB und dem DSA, die mit einem Kompromiss endete, der die Wiederaufnahme des gesamt-deutschen Sportverkehrs ermöglichte. Der DSB sagte in dem Gespräch auch zu, "seinen Fachverbänden die Anerkennung des Anspruchs der Sektionen der DDR auf Aufnahme in die internationalen Fachverbände" zu empfehlen. Die "Oberweseler Beschlüsse" wurden damit aufgehoben.


Das "Berliner Abkommen" hatte folgenden Wortlaut: "Nach zwölfstündiger Besprechung zwischen den Vertretern des Deutschen Sportbundes (DSB), Willi Daume, Alfred Ries, Dr. Max Danz, Dr. Wülfing, Karl-Heinz Eckardt, Josef Hergl, für Berlin die Herren Dr. Ruhemann, Schlegel und Rusch, und den Vertretern des Deutschen Sportausschusses (DSA) unter der Wortführung des Herrn Reichert, die in einer freundschaftlichen Atmosphäre stattfand, einigte man sich auf folgender Basis: Die in Berlin am 12. Dezember 1952 zu einer Aussprache über die Wiederaufnahme des gesamtdeutschen Sportverkehrs zusammengekommenen Vertreter des Deutschen Sportbundes und des Deutschen Sportausschusses gaben übereinstimmend der Auffassung Ausdruck, daß eine Zusammenarbeit wünschenswert und notwendig sei. Sie bedauern, daß es zum Abbruch der sportlichen Beziehungen gekommen ist. Eine eingehende Aussprache über die Gründe, die dem Deutschen Sportbund Veranlassung gegeben haben, den Sportverkehr mit den Sektionen der DDR zu unterbrechen, hat ergeben, daß Mißverständnisse bestanden und daß in Zukunft Meinungsverschiedenheiten durch Verhandlungen geklärt werden sollen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, die sportliche Zusammenarbeit wiederaufzunehmen. Die Beschlüsse von Oberwesel werden außer Kraft gesetzt:

I. Als Voraussetzung für die Wiederaufnahme des gesamtdeutschen Sportverkehrs werden folgende Grundsätze anerkannt:

1. Der gesamtdeutsche Sport wird im Sinne der olympischen Idee betrieben.

2. Um jeden Mißbrauch der olympischen Idee und des Sports zu politischen Zwecken zu vermeiden, wird bei gesamtdeutschen Veranstaltungen u.a. davon Abstand genommen:

    a) Parteipolitische Reden oder Ansprachen zu halten;

    b) Ausschmückungen, deren Abstimmung im einzelnen Angelegenheiten der beteiligten Fachverbände und Sektionen ist, mit parteipolitischen Tendenzen vorzunehmen;

    c) Flaggen außer der schwarz-rot-goldenen und den Flaggen oder Wimpeln der beteiligten Sportorganisationen zu hissen.

3. Der freie Meinungsaustausch ist eine persönliche Angelegenheit der Sportler.


II. Nach der Anerkennung dieser Grundsätze wird den Fachverbänden und Sektionen empfohlen, den gemeinsamen, freien Sportverkehr uneingeschränkt ab sofort nach folgenden Richtlinien wiederaufzunehmen:

1. Die Fachverbände und Sektionen nehmen Verhandlungen zur technischen Durchführung des gemeinsamen Sportverkehrs auf;

2. Der Sportverkehr wird nach den in Deutschland gemeinsam festgelegten, in Zweifelsfällen nach den internationalen Wettkampfbestimmungen abgewickelt;

3. Siegerehrungen, erfolgen im Rahmen der internationalen Amateurbestimmungen;

4. Die Durchführung gesamtdeutscher Meisterschaften wird angestrebt.


III. Weiter werden folgende Grundsätze festgelegt:

1. Hinsichtlich eines gesamtdeutschen Sportverkehrs unterliegen die Westberliner Sportler keinen Sonderbestimmungen. Was die allgemeinen Beistimmungen angeht, wird der Deutsche Sport-Ausschuß seine bisherigen Bemühungen, den Westberliner Sportlern Vergünstigungen zu verschaffen, fortsetzen.

2. Presse und Rundfunk werden gebeten, die freundschaftlichen Beziehungen im gesamtdeutschen Sportverkehr zu fordern und in Zukunft von unberechtigten, herabsetzenden Äußerungen Abstand zu nehmen.

3. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit tauschen der DSB und der DSA monatlich einen Artikel von zwei bis drei Schreibmaschinenseiten zur Veröffentlichung in der Sport-Fachpresse aus.

4. Der DSB empfiehlt seinen Fachverbänden die Anerkennung des Anspruchs der Sektionen der DDR auf Aufnahme in die internationalen Verbände."

Berlin, den 12. Dezember 1952

Für den Deutschen Sportbund: gez. Daume
Für den Deutschen Sportausschuß: gez. Reichert


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 47 / 18. November 2008, S. 45
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2008