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GESCHICHTE/119: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte - Teil 22 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 9 / 24. Februar 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1956/III: "Empfehlungen zur Förderung der Leibeserziehung in Schulen"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 22)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Am 29. April 1955 war es in Koblenz zu einer ersten Begegnung zwischen Vertretern der Kultusministerkonferenz (KMK), den kommunalen Spitzenverbänden und des DSB über Probleme des Schulsports gekommen. Hauptergebnis der Beratungen, für die Guido von Mengden, damaliger DSB-Hauptgeschäftsführer, eine umfangreiche Denkschrift vorbereitet hatte, war der Beschluss, vier Arbeitskreise einzurichten. Diese sollten bis Ende März 1956 schriftliche Vorlagen für die unterschiedlichen Problembereiche ausarbeiten. Aus diesen Entwürfen entstanden die "Empfehlungen zur Förderung der Leibeserziehung in den Schulen".

Nach abschließenden Beratungen im Präsidium des DSB am 1. Juli in Köln wurden die "Empfehlungen ...." vom Präsidenten der Kultusministerkonferenz, dem baden-württembergischen Staatsminister Simpfendörfer, am 24. September 1956 als "Empfehlungen zur Förderung der Leibeserziehung in den Schulen" von KMK, kommunalen Spitzenverbänden und DSB vor der Bundespressekonferenz in Bonn der Öffentlichkeit übergeben.

Die einführenden Aussagen der "Empfehlungen ...." lauten: "Die Leibeserziehung gehört zur Gesamterziehung der Jugend; Bildung und Erziehung sind insgesamt in Frage gestellt, wenn sie nicht oder nur unzureichend gepflegt werden. Turnerische und sportliche Betätigung ist daher zur Gesunderhaltung der Jugend nötig.

Die Schule wird zu ihrem Teil durch einen planvollen und ausreichenden Unterricht ...in den Leibesübungen zur Körpererziehung und zur Gesunderhaltung der Jugend beitragen. Die Leibeserziehung in der Schule ist jedoch nur als ein Teil, allerdings als ein wesentlicher Teil, in dem Bemühen um das erstrebte Ziel anzusehen. Erst wenn alle Träger der Jugenderziehung aus ihrer Verpflichtung in vollem Maße an der Leibeserziehung mitwirken, kann das Ziel, die Jugend gesund zu erhalten, in seiner ganzen Breite erreicht werden. Es müssen insbesondere die Eltern, die Jugend- und Sportverbände, die Träger der Berufsausbildung, die Gemeinden und Gemeindeverbände und die sonstigen amtlich mit der Jugendpflege betrauten Stellen sowie die parlamentarischen Vertretungen ihre Verpflichtungen erkennen und mithilfen. Die Elternschaft muß erkennen, daß die Schule sie nicht von der Pflicht entbindet, sich der Förderung der Leibeserziehung ihrer Kinder aus eigener Verantwortung zusätzlich anzunehmen.

Die Eltern müssen deshalb in stärkerem Maße als bisher ihre Kinder zu freiwilliger, außerhalb der Schulzeit liegender sportlicher und turnerischer Betätigung anhalten. Die privaten und öffentlichen Träger der Berufsausbildung und alle Jugendverbände sind aufgerufen, auch ihre Verpflichtung auf dem Gebiete der Leibeserziehung zu sehen und durch eigene Maßnahmen und die Schaffung geeigneter Einrichtungen mitzuarbeiten.

Die die körperliche Erziehung unserer Jugend fördernden Vereine und Organisationen werden danach streben müssen, ihre Jugendarbeit pädagogisch zu gestalten, um in sinnvoller Weise zur körperlichen, charakterlichen und geistigen Bildung der Jugend beizutragen. Insbesondere durch finanzielle Hilfe sollen die parlamentarischen Gremien, die zuständigen Instanzen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der Deutsche Sportbund bei der Erweiterung und Verbesserung der Leibeserziehung verständnisvoll mitwirken.

Im Schulwesen muß der Leibeserziehung die ihr zukommende Bedeutung in allen Schulen eingeräumt werden; dem Turn- und Sportunterricht muß genügend Zeit zur Verfügung stehen.

In den ersten beiden Grundschuljahren ist die tägliche Turn- und Spielzeit vorzusehen. Vom dritten Schuljahr an ist durch eine Erhöhung der Zahl der Turn- (Sport-)stunden im Rahmen des lehrplanmäßigen Unterrichts eine Erweiterung der Leibeserziehung über das jetzt im allgemeinen bestehende Ausmaß hinaus anzustreben.

Der Förderung der Leibeserziehung für die Jugend an den berufsbildenden Schulen ist besondere Bedeutung beizumessen. In fernerer Zukunft soll der Unterricht in den Leibesübungen in allen allgemeinbildenden Schulen, Berufsfachschulen und Fachschulen möglichst eine tägliche Turn- oder Sportzeit umfassen.

Die vorgesehenen Maßnahmen im Schulwesen werden insbesondere dann erfolgreich sein, wenn die ganze Erzieherschaft die Bedeutung der Leibeserziehung anerkennt und an der Erfüllung ihres Auftrags mitarbeitet; alle Lehrer, Schuleiter und Schulaufsichtsinstanzen sollen die Leibes-erziehung als Aufgabe aller Erzieher und als wesentlichen Bestandteil aller Erziehung sehen". (?)

Insbesondere der erste Satz der "Empfehlungen" ist auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder zitiert worden. Auf die Verwirklichung der Absichtserklärung der KMK an anderer Stelle, dass nämlich "in ferner Zukunft der Unterricht in den Leibesübungen in allen allgemeinbildenden Schulen, Berufsfachschulen und Fachschulen eine tägliche Turn- und Sportzeit umfassen (soll)" wartete nicht nur der DSB als Mitunterzeichner bis zu seiner Abschlußtagung im Mai 2006 vergeblich. Vielleicht hatte man ja in der Kultusbürokratie der Länder für die Umsetzung dieser Erklärung in die Praxis die "ferne Zukunft" zu wörtlich genommen.

Gründung von Militärsportvereinen durch die Bundeswehr nur in Ausnahmefällen

Der weitere Aufbau der Bundeswehr wurde vom DSB zum Anlass genommen, sich auch verstärkt der Frage des Sports in den Streitkräften anzunehmen. Nachdem es bereits Vorgespräche zwischen Vertretern beider Seiten gegeben hatte, wurde von DSB-Präsident Willi Daume mit dem damaligen Verteidigungsminister Theodor Blank im Rahmen einer acht Punkte umfassenden Vereinbarung u. a. auch festgelegt, dass eine Gründung von Militärsportvereinen grundsätzlich nicht (wieder) und nur in besonders gelagerten Einzelfällen zwischen Bundeswehr und DSB abgestimmt werden müsse, auch "um einseitigen Auffassungen örtlicher Kommandeure vorzubeugen".

Die Vereinbarung hatte folgenden Wortlaut:

"1. In der Bundeswehr wird kein "Knobelbechersport" betrieben, wie inzwischen auf einer Pressekonferenz von General Laegeler bereits erklärt worden ist. Der dienstliche Sport in der Bundeswehr wird ferner nicht als Frühsport, sondern nachmittags in der Form durchgeführt, wie er bei den Turn- und Sportvereinen üblich ist.

2. Als Maßstab für die körperliche Verfassung der einzelnen Truppeneinheiten werden die Leistungen für das Bundessportabzeichen zugrunde gelegt. Die Truppeneinheiten werden dadurch gehalten sein, im Dienstsport die Lauf-, Wurf-, Sprung- und Schwimmübungen durchzuführen, wie sie für das Bundessportabzeichen erforderlich sind.

3. Offiziersanwärter werden nur angenommen, wenn sie im Besitz des Bundessportabzeichens sind, das also vor ihrer Bewerbung bei zivilen Vereinen erworben werden muß.

4. Die Angehörigen der Bundeswehr werden angehalten, in tunlichst großem Umfang die Prüfung zum Bundessportabzeichen abzulegen und das Sportabzeichen zu erwerben.

Die Prüfungen finden statt unter Hinzuziehung ziviler Kampfrichter. Die Prüfungsberechtigung muß aber auch für Lauf-, Sprung-, Wurf- und Schwimmübungen an Sportoffiziere der Bundeswehr erteilt werden, weil die Kapazität des zivilen Sektors für die Abnahme der Prüfungen nicht ausreicht.

5. Innerhalb der Bundeswehr werden die Prüfungen nur abgenommen für Lauf-, Sprung-, Wurfübungen und für das 300-m-Schwimmen, alle übrigen Übungen für das Bundessportabzeichen müssen die Soldaten bei Turn- und Sportvereinen ablegen.

6. Die Verleihung des Bundessportabzeichens erfolgt ausschließlich durch den DSB bzw. über seine dazu befugten Mitgliedsorganisationen.

7. Die Federführung im Schriftverkehr mit der Bundeswehr bezüglich des Bundessportabzeichens übernimmt zunächst der Referent für das Bundessportabzeichen, Albert Lepa, als Vorsitzender des Landessportbundes Niedersachsen für alle übrigen Landessportbünde. Diese Regelung erfolgt, weil vorläufig nur Ausbildungskurse stattfinden, deren Teilnehmer nach Abschluß des Kurses über das ganze Bundesgebiet verteilt werden. Später erfolgt der Verkehr von den Wehrkreiskommandos mit den Landessportbünden.

8. Die Gründung von Militärsportvereinen soll grundsätzlich nicht erfolgen. Nur dann, wenn Truppenteile weit abgesetzt sind, so daß Zivilvereine am Ort nicht zur Verfügung stehen, kann zur Pflege des außerdienstlichen Sportes ein Militärsportverein gegründet werden."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 9 / 24. Februar 2009, S. 31-35
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2009