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GESCHICHTE/135: Vor 100 Jahren in Berlin (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 22-23 / 26. Mai 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Vor 100 Jahren in Berlin
Das IOC trifft sich zu seiner 10. Session in der deutschen Hauptstadt

Von Friedrich Mevert


Das Berliner Hotel Adlon, damals wie heute die erste Adresse in der deutschen Hauptstadt, gab vom 27. Mai bis 2. Juni 1909 den prachtvollen Rahmen für die 10. IOC-Session ab, zu der sich die "olympische Familie" vor hundert Jahren erstmalig in der Metropole des deutschen Kaiserreiches traf. Der gastgebende Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele (DRAfOS), der 1904 gegründete Vorläufer des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), sah in der Durchführung dieser Session unter dem Patronat von Kaiser Wilhelm II. eine gute Gelegenheit, eine olympische Offensive im deutschen Reich zu starten.

Unter der Führung ihres Präsidenten Graf Egbert von der Asseburg hatten sich die Verantwortlichen des DRAfOS um diese erste IOC-Sitzung in Deutschland sehr bemüht, auch um sich bei dieser Gelegenheit für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1912 zu bewerben. Die ersten baulichen Vorarbeiten hatten nach den Planungen des Architekten Otto March am Berliner Stadion im Grünewald bereits begonnen. Die schwedische Hauptstadt Stockholm ging gleichzeitig als Konkurrent für Berlin ins Rennen.

Doch dann starb unerwartet DRAfOS-Präsident Graf von der Asseburg sieben Wochen vor der Berliner Session im Alter von erst 62 Jahren. Graf Wartensleben übernahm - als Zwischenlösung - die Vorbereitung der Berliner Session, bis am 17. Mai 1909 der bereits 65jährige Staatsminister a. D. Victor von Podbielski, ein mecklenburgischer Gutsbesitzer, Intimus und rechte Hand des Kaisers, die Nachfolge von Asseburg übernahm. Da sich die Bauarbeiten für das Berliner Stadion aber verzögert hatten, musste der DRAfOS bei der Session in Berlin zwangsläufig zugunsten von Stockholm auf die Spiele 1912 verzichten. Gleichzeitig wurde aber dem deutschen Wunsch entsprochen und der Berliner Bewerbung für das Jahr 1916 zugestimmt. Diese Spiele fielen dann allerdings bekanntlich dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) zum Opfer. Weitere wichtige Ereignisse der Berliner Session aus deutscher Sicht waren der Rücktritt des deutschen IOC-Mitglieds und olympischen Pioniers Dr. Willibald Gebhardt, der sich vorher auch schon aus dem Reichsausschuss zurückgezogen hatte, aus dem IOC. An seiner Stelle wurde der preußische Rittmeister Freiherr Karl von Venningen berufen, der aber gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges als Soldat in Frankreich fiel.

Sportpolitisch bedeutsam für die Zukunft der Olympischen Bewegung war besonders, dass der Deutsche Reichsausschuss für Olympische Spiele als die erste ständige nationale olympische Organisation in Europa dem IOC den Vorschlag unterbreitete, überall auf nationaler Ebene olympische Komitees zu begründen, um damit der olympischen Idee eine umfassendere und permanente Basis zu geben. Dieser Vorschlag wurde vom IOC begrüßt, da damit den einzelnen IOC-Mitgliedern die Möglichkeit einer breiteren nationalen Ebene in ihren Ländern geschaffen werden konnte. Als erstes Land setzte kurz darauf die Schweiz diese Idee auch in die Praxis um.

Im Jahre 1909 waren aus sportlicher Sicht aber auch folgende Ereignisse besonders interessant: Am 15. März wurde in Berlin in der Ausstellungshalle am Zoologischen Garten das erste Sechstagerennen in Europa gestartet. Einen Tag später - am 16. März - unterlag die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in ihrem vierten Länderspiel in Oxford England mit 0:9 Toren.

Mit dem Luxemburger Faber siegte im Juli erstmals ein Nichtfranzose bei der Tour de France im Radsport. Der Weltschwimmverband FIM brachte Ordnung in das bisherige Wettkampfchaos und legte am 1. August verbindliche Wettkampfstrecken, Stilarten und Rekorddistanzen fest, und bei den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften am 29. August im Frankfurter Palmengarten standen erstmals Kugelstoßen und Stabhochsprung für Männer auf dem Programm.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 22-23 / 26. Mai 2009, S. 22
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2009