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GESCHICHTE/152: In den Monaten vor dem Mauerfall 1989 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 33 / 11. August 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

In den Monaten vor dem Mauerfall 1989

1989 standen nur 118 deutsch-deutsche Sportbegegnungen auf dem Plan


Als DSB-Präsident Hans Hansen am 10. Juni 1989 in seinem mündlichen Bericht vor dem Hauptausschuss des Deutschen Sportbundes bei dessen 35. Sitzung im Schöneberger Rathaus in Berlin die deutsch-deutschen Sportbeziehungen ansprach, erwähnte er eingangs, dass der im Januar 1989 mit dem Präsidenten des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB), Klaus Eichler, ratifizierte Sportplan 1989 nur 112 Begegnungen umfasse, darunter allein 60 im Rahmen von internationalen Veranstaltungen, 48 deutsch-deutsche Treffen von Vereinen und Verbänden einschließlich von Städtepartnerschaften und vier Lehrgänge. "Diese Steigerung ist" - so Hans Hansen wörtlich - "wenn wir ehrlich vor uns selber sind, nur ein Tropfen auf den heißen Stein der Wünsche aller Sportler und Sportlerinnen von drüben und drüben. Die Zahlen liegen hinter denen der Begegnungen mit der CSSR, mit Ungarn und mit der UdSSR. Das habe ich bei meinem Besuch vor wenigen Tagen allen - bis hin zu Egon Krenz, dem Stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, dem Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED - ungeschminkt gesagt."

"Wer von diesem Treffen der deutschen Sportpräsidenten Wunder erwartet hatte, musste über das letzte Ergebnis enttäuscht sein", fuhr Hans Hansen fort, "es gab keinen Durchbruch, was immer man darunter auch verstehen kann." Der DSB-Präsident berichtete aber auch, "dass neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen DSB und DTSB kurzfristig in Aussicht genommen werden." Dafür biete sich eine breiter angelegte Vereinbarung als das Protokoll vom 8. Mai 1974 an. Sie sei von den Präsidenten auf Arbeitsebene in Auftrag gegeben worden und solle "den Spielraum künftig erweitern". "Gedämpfter Optimismus sei deshalb erlaubt, wenn die politische Großwetterlage so bleibt wie derzeit", schloss der DSB-Präsident seine Ausführungen zu diesem Themenkomplex. Wie recht Hans Hansen mit dieser optimistischen Erwartung hatte, so dass er ein halbes Jahr später bei der nächsten Hauptausschuss-Sitzung am 2. Dezember von einem "Wirklichkeit gewordenen Traum" sprechen konnte, konnte zu diesem Zeitpunkt realistischerweise niemand ahnen.

Auch bei der Deutschen Sportjugend waren die Jahre bis zum Beginn der "Wende" von Bemühungen bestimmt, die Kontakte in den anderen Teil Deutschlands nicht abreißen zu lassen, was allerdings nur durch eine Zusammenarbeit mit der staatlichen Freien Deutschen Jugend (FDJ) möglich war. Zur Konkretisierung dieser Zusammenarbeit gab es Grundsatzgespräche zwischen den Vorständen beider Jugendverbände, gegenseitige Besuche bei Verbandsveranstaltungen, jugendtouristische Austauschprogramme und themenorientierte Seminare sowie die Teilnahme von DSJ-Delegationen an internationalen Jugendveranstaltungen in der DDR. Nach der Grenzöffnung im November 1989 wurden von der DSJ die Kontakte zum Zentralrat der FDJ aber sofort beendet und stattdessen versucht, mit dem "Runden Tisch" der im Aufbau befindlichen Jugendverbände in der DDR zusammenzuarbeiten.

Auch die Führung des DDR-Sports blieb von den Fluchtbewegungen über Ungarn und die CSSR und der wachsenden Forderung der Bevölkerung nach demokratischen Reformen nicht unberührt. Zwei Tage, nachdem am 4. November 1989 fast eine halbe Million Menschen auf dem Ostberliner Alexanderplatz Meinungs-, Presse-, Reise- und Versammlungsfreiheit gefordert hatten, beriet das Sekretariat des DTSB-Bundesvorstandes mit den Vorsitzenden der Bezirks- und Kreisvorstände des DTSB sowie den Generalsekretären der Sportfachverbände "die aktuellen Aufgaben im eingeleiteten Prozess der Erneuerung".

Aber erst drei Wochen später, nachdem bereits der Ministerrat der DDR geschlossen zurückgetreten war, am 9. November die DDR-Bürger in Berlin die Maueröffnung erzwungen hatten und die DDR-Volkskammer am 13. November mit Hans Modrow einen neuen Ministerpräsidenten gewählt hatte, befasste sich auch der Bundesvorstand des DTSB am 29./30. November in Kienbaum mit den "Aufgaben der Sportorganisation in einer sich erneuernden DDR". Im Rahmen der Konferenz wurde der bisherige DTSB-Präsident Klaus Eichler einstimmig in seinem Amt bestätigt. Die friedliche Revolution in der DDR begann in den Kirchen, nicht im Sport.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 33 / 11. August 2009, S. 36
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2009