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GESCHICHTE/158: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 48 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 38 / 15. September 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1963/III: 60. IOC-Session in Baden-Baden als Höhepunkt des Jahres
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 48)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Den unbestreitbaren Höhepunkt des Sportjahres 1963 stellte die 60. Session des IOC vom 14. bis 20. Oktober in Baden-Baden dar, deren Organisation kurzfristig von NOK und DSB übernommen worden war.

Das von Willi Daume und seinen Mitarbeitern glänzend vorbereitete Olympische Treffen war ein IOC-Kongress der harten Arbeit, aber auch der gesellschaftlichen Höhepunkte. Zu den wichtigsten Ergebnissen der Session zählten u. a. die Wahl von Mexico-City als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1968, die Bestätigung der gesamtdeutschen Mannschaft für Innsbruck und Tokio 1964, die Aufnahme neuer IOC-Mitglieder und die Anerkennung weiterer NOKs, die Beibehaltung der Nationalhymnen bei Olympischen Siegerehrungen, die Zulassung Nordkoreas zu den Olympischen Spielen und die Verleihung von Olympischen Diplomen, darunter auch an den deutschen Schriftsteller Rudolf Hagelstange. Abgelehnt wurde in Baden-Baden der sowjetische Antrag auf offizielle Anerkennung des NOK der DDR ebenso wie die Bildung einer eigenen DDR-Mannschaft für die kommenden Olympischen Spiele und der Antrag, dem Atomstop-Abkommen beizutreten.

In der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift "Olympische Jugend" hatte H. Friedrich damals die wichtigsten Beschlüsse von Baden-Baden zusammengefasst:

"Die Gesamtdeutsche Mannschaft für Innsbruck und Tokio wurde endgültig bestätigt;
Adrianows (UdSSR) Antrag, den Namen unseres NOK in "Nationales Olympisches Komitee für die Bundesrepublik Deutschland" zu ändern, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt; das IOC lehnte einen
weiteren sowjetischen Antrag ab, die seit 1955 bestehende provisorische Mitgliedschaft des NOK der Sowjetzone durch Streichung der Bezeichnung "provisorisch" in eine Vollmitgliedschaft umzuwanden;
Mexico-City wird Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1968;
durch Aufnahme von sechs neuen Nationalen Olympischen Komitees hat das IOC nunmehr 112 Mitglieder (und dadurch mehr als die UNO!);
als neue persönliche Mitglieder wurden u. a. Sir Ademola (Nigeria) als erster Farbiger, Prinz Konstantin von Griechenland (Herzog von Sparta) und der Präsident des Welt-Ski-Verbandes, Marc Hodler (Schweiz), in das IOC gewählt;
infolge Beschränkung auf 18 Sportarten wurden durch Abstimmung Judo, Handball, Bogenschießen und Volleyball aus dem Programm für 1968 gestrichen;
Nordkorea wurde zu den Olympischen Spielen zugelassen und unter dem Namen "Nationales Olympisches Komitee für Nordkorea" aufgenommen;
Nationalhymnen werden bei Olympischen Siegerehrungen auch künftig beibehalten;
für schöngeistige Leistungen werden keine Medaillen durch das IOC verteilt werden;
weitere Frauensportarten werden in das Olympische Programm nicht aufgenommen;
die Nationalchinesen werden unter dem Namen "Republic of China" (bisher Taiwan) auf dem Sportdreß starten können;
das Nationale Olympische Komitee von Südafrika erhält die Auflage, bis zum 31. Dezember 1963 eine Erklärung der Regierung beizubringen, daß es im Sport keine Apartheid-Politik gibt, andernfalls können die südafrikanischen Sportler nicht an den Spielen in Tokio teilnehmen;
Indonesien wird wieder in das IOC aufgenommen, wenn sich das Nationale Olympische Komitee Indonesiens wieder den IOC-Regeln unterordnet und hat dann die Chance zur Teilnahme an den Spielen in Tokio;
jede aufwendige Werbung für künftige Ausrichter Olympischer Spiele wird untersagt;
für den verstorbenen Dr. Santos (Brasilien) und den turnusmäßig ausscheidenden deutschen NOK-Ehrenpräsidenten Dr. Karl Ritter von Halt wurden General de Flores (Mexiko) und Ivar Vind (Dänemark) neu in das IOC-Exekutivkomitee berufen;
mit olympischen Auszeichnungen wurden geehrt:
der deutsche Schriftsteller Rudolf Hagelstange mit dem Olympischen Diplom 1963, Victor Boin (Belgien) 1962, Prinz Axel von Dänemark 1961; mit der Mohammed-Taher-Trophäe für gute sportliche Leistungen Jolanda Balas (Rumänien) und Sjoukje Dijkstra (Holland; mit dem Fearnley-Cup der Nautique Club Paris; mit der Bonacossa-Trophäe das Nationale Olympische Komitee von Australien.

Diese Aufzählung der wichtigsten Ergebnisse beweist, daß die Tage von Baden-Baden für die IOC-Mitglieder mit harter Arbeit ausgefüllt waren. Zweifellos bedürfen alle Beschlüsse einer ausführlichen Kommentierung, wir wollen und müssen uns hier aber auf einige Sätze beschränken.

Die Versuche des Olympischen Komitees der Sowjetzone, die gesamtdeutsche Mannschaft für die Olympischen Spiele in Innsbruck und Tokio zu sprengen, schlugen fehl. Ebensowenig wurde die provisorische Aufnahme des mitteldeutschen NOKs in eine vollgültige Mitgliedschaft im IOC umgewandelt. Zunächst müssen die Sportpolitruks der SBZ beweisen, daß sie alle Auflagen zur Bildung der gesamtdeutschen Mannschaft erfüllen, dann kann nach Tokio der Zusatz "provisorisch" gestrichen werden. Südafrikas Sportler werden voraussichtlich an den nächsten Olympischen Spielen nicht teilnehmen können. Der südafrikanische Innenminister Deklerk hat bereits kurz nach dem Kongreß erklärt, daß Südafrika dem Ultimatum des IOC nicht nachkommen werde, die Rassentrennung im sportlichen Leben der Nation aufzuheben.

Dies ist bedauerlich, zumal das IOC den Südafrikanern eine reelle Chance gegeben hatte, das Problem der Beteiligung aller Südafrikaner an sportlichen Wettkämpfen nach den Olympischen Grundsätzen zu lösen. Eine gleiche Chance wurde auch Indonesien gegeben, denn wenn sich die Indonesier an die Olympischen Regeln halten, wird ihre Suspendierung aufgehoben, und sie können bereits im nächsten Jahr wieder bei den Olympischen Spielen starten."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 38 / 15. September 2009, S. 26
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2009