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GESCHICHTE/160: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 49 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 39 / 22. September 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1964/I: "Dein Olympia sei das Sportabzeichen"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 49)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Das Deutsche Sportabzeichen hatte bereits ein Jahr zuvor seinen 50. Geburtstag feiern können. Das war für das DSB-Präsidium Grund genug, es im Juni in den Mittelpunkt des DSB-Bundestages zu stellen. Aber auch DSB- und NOK-Präsident Willi Daume stellte zum Jahreswechsel 1963/64 sein Grußwort zum Olympischen Jahr unter das Motto "Dein Olympia sei das Sportabzeichen!" und rief die stetig wachsende Sportgemeinschaft in Deutschland auf, die absolute Höchstleistung einiger weniger durch die persönliche Höchstleistung möglichst vieler zu ergänzen:

"1963 war die große olympische Völkerfamilie in Baden-Baden versammelt. Wir nehmen die schöne Erkenntnis mit in das neue Jahr, daß unsere sportlichen Beziehungen rund um den Erdball so gut und so freundschaftlich sind wie kaum je zuvor. Es gibt in dieser großen Welt nur einen ganz kleinen Bezirk, in dem das alles sehr schwierig ist. Und es ist die Tragik, daß dies ein Bezirk in Deutschland ist. Aber es wird - fast zwei Jahrzehnte nach der widernatürlichen Spaltung unseres Vaterlandes - wieder eine gesamtdeutsche Olympiamannschaft geben, darin liegt einige Hoffnung, sportliche Hoffnung, auch für die Freiheit in Berlin.

Unsere Mannschaften in Innsbruck und Tokio werden sich gut schlagen, daran zweifle ich nicht. Vielleicht werden wir wieder große Erfolge haben, vielleicht werden sie aber auch bescheidener sein als in Squaw Valley und Rom. Jedenfalls werden sie noch viel schwieriger zu gewinnen sein als 1960. Unsere Kämpfer werden sich gewissenhaft vorbereiten und dann ihr Bestes tun. Aber einen Erfolg könnte jeder von uns leichter gewinnen. Die eigene Bestleistung, die den Menschen in unserer Zeit und insbesondere auch in unserem Volk so not tut. Insoweit ist nämlich Olympia für alle offen. Der Entschluß kann vielleicht sogar ganz leicht fallen, wenn die Notwendigkeit erkannt wird: Frage nur deinen Arzt! Wo also ist dein Olympia? Das Deutsche Sportabzeichen wurde jüngst 50 Jahre alt. Zwei Millionen Menschen haben es erworben, als Anreiz für die Jüngeren, als aktives Altenteil, als Segen für die Gesundheit. Das Zukünftige bestimmt immer auch das Gegenwärtige. Und umgekehrt! Das Jahr 1964 sei auch das Jahr des Sportabzeichens!

Eines muß noch gesagt werden, ein Wort an die Kultusminister. So geht es nicht weiter! 1955 hat die Ständige Konferenz der Kultusminister der Deutschen Länder 'Empfehlungen zur Förderung der Leibeserziehung in den Schulen' verabschiedet.! Darin heißt es mit einstimmigem Beschluß:

'Die Leibeserziehung gehört zur Gesamterziehung der Jugend. Bildung und Erziehung sind insgesamt in Frage gestellt, wenn sie nicht oder nur unzureichend gepflegt wird.' 1961 hat die gleiche Konferenz vermehrte Aktivität angekündigt, ebenfalls mit einstimmigem Beschluß. Die drei großen Parteien haben dann in Form von Parteitagsbeschlüssen ihren Willen bekundet, die Leibeserziehung sinnvoll zu fördern, um dem drohenden Vitalitätsverlust in unserem Volke, der als Folge von Zivilisation und Automatisation nicht mehr verborgen ist, an der entscheidenden Stelle zu begegnen. Nach zunächst ermutigendem Beginn waren die Fortschritte in der Praxis nicht mehr nennenswert, und jetzt werden sogar rückläufige Tendenzen erkennbar, die auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Notstandes der Schulen einfach nicht mehr hingenommen werden können. Neue Initiativen werden notwendig. Aber mit Versprechungen ist nicht mehr gedient, benötigt sind praktische Konsequenzen.

Alles was jetzt getan wird, und sei es der kleinste Schritt wirklich vorwärts, ist um ein Vielfaches wichtiger als Empfehlungen und Entwürfe, seien es auch die großzügigsten. Wir wollen gern alle mithelfen. Aber die Kultusminister müssen endlich handeln und - im eigentlichen Sinne des Wortes - regieren!

Auf ein glückbringendes olympisches Jahr und frohe Weihnachten überall!

Willi Daume
Präsident des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland"


DSB überspringt die Sechs-Millionen-Grenze

Dass die Berliner Devise vom DSB-Bundestag 1962 "Eine Million Aktive mehr" in Erfüllung gegangen war, konnte die LSB-Zeitschrift "Sport in Niedersachsen" im Oktober 1964 berichten. In dem Beitrag heißt es: "Eine Million Aktive mehr! Diese Devise hat Präsident Daume auf dem Berliner Bundes-tag des DSB im Zusammenhang mit einem umfassenden Stützungsprogramm für den Verein - als den Träger der deutschen Turn- und Sportbewegung - ausgegeben und Gedanken zur Gewinnung noch fernstehender Kreise für den Sport entwickelt. Unter solcher Initialzündung kamen 1963 schon 210.368 und nach der jetzt vorliegenden Bestandserhebung 1964 weitere 286.358 neue Mitglieder hinzu. Damit ist die deutsche Turn- und Sportbewegung in den letzten zwei Jahren um 496.726 Mitglieder (also um 8,5 Prozent) auf 6.190.094 gewachsen. Die Sechs-Millionengrenze wurde übersprungen! Diese Zahl setzt sich zusammen aus 5.734.887 (1963: 5.453.376) Mitgliedern in den 33.273 (32.115) Vereinen der Landessportbünde und den 455.207 Mitgliedern der 15 Spitzenverbände der Mitgliedergruppe C, die wie u. a. die DLRG (174.861), der Verband der Sportfischer (60.744), der Schachbund (44.830), der AvD (42.300), der Aero-Club (39.027) und der Versehrtensportverband (37.379) größtenteils in den Landessportbünden nicht erfaßt werden.

Auch 1964 hatte kein Landessportbund Verluste aufzuweisen. Erfreuliche Anstiege sind zu verzeichnen, prozentual am stärksten in Hessen (57.437) (das sind über 10 Prozent mehr!), im Saarland (7.867) und Bayern (47.777). Setzt man die Sportstatistik ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung der Länder, so steht Bremen auch weiterhin mit fast 14 Prozent an der Spitze, Berlin (7,5 Prozent) am Schluß. Die 15 Landessportbünde ihrer Größe nach: NRW 1.381.864 (58.898 Mitglieder mehr); Bayern 817.095 (+ 47.777), Niedersachsen 727-997 (+ 33.159), Hessen 593-023 (+ 57.437), Württemberg 486.369 (+ 21.545), Baden Nord 248.962 (+11.532), Baden Süd 236.067 (+ 5.286), Schleswig-Holstein 208.946 (+ 10.337), Rheinland 181.820 (+ 6.972), Hamburg 175.664 (+ 6.292), Pfalz 173.398 (+ 4.582), Berlin 157.573 (+ 969), Saarland 153.132 (+ 7.867), Bremen 100.326 (+ 5.292), Rheinhessen 92.651 (+ 3.566). Der erfreulichste Teil der Statistik: 34.581 Jungen zwischen 14 und 18 Jahren kamen neu hinzu und 14.710 zwischen 18 und 21. Damit treiben 42 Prozent (!) aller Jungen zwischen 14 und 18 Jahren im Verein Sport. Außerordentlich stark ist auch der Anstieg bei den Männern (123.668) und bei den Frauen (40.880) über 21 Jahren. Hier zeigen sich erste sichtbare Auswirkungen einer Vereinsneuorientierung auf dem Zweiten Weg.

Die Aufschlüsselung der von den Landessportbünden für 1964 gemeldeten Mitglieder auf die Sportfachverbände ergibt eine Gesamtzahl von 6.576.122, da viele Sportler erfahrungsgemäß mehrere Sportarten ausüben. Leichte Rückgänge verzeichnen überraschenderweise die sportlich sonst so erfolgreichen Boxer, Judoka, Rollsportler, Radsportler und Hockeyspieler, Zugänge vor allem Fußball, Turnen, Tischtennis, Tennis, Kegeln, Eissport und Schwerathletik. Die zehn größten Spitzenverbände waren 1964: Fußballbund 2.199.246, Turner-Bund 1.534.173, Leichtathletik-Verband 507.643, Schützenbund 475.078, Handballbund 311.630, Schwimm-Verband 293.930, Tennis-Bund 215.408, Tischtennis-Bund 202.853, Skiverband 159.956, Bundesverband deutscher Reit- und Fahrvereine 121.003."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 39 / 22. September 2009, S. 25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2009