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GESCHICHTE/165: Vor 40 Jahren trat Willi Weyer als Geschäftsführender DSB-Präsident zurück (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 42 / 13. Oktober 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Vor 40 Jahren beim DSB-Hauptausschuss in Duisburg-Wedau
Am 10. Oktober trat Willi Weyer als Geschäftsführender DSB-Präsident zurück

Von Friedrich Mevert


Das Ringen um neue Organisationsformen im deutschen Sport hatte im nacholympischen Jahr 1969 die Debatten und Entscheidungen in den sportpolitischen Gremien in der Bundesrepublik bestimmt. Dabei ging es vor allem um Strukturfragen verschiedenster Art, von der Organisation der Führung des DSB selbst über die Neuordnung der DSB-Verwaltung und die Installation neuer Gremien innerhalb der Sportorganisation - insbesondere zur Förderung des Leistungssports im Vorfeld der Münchner Spiele 1972 - bis hin zu neuen Kooperationsformen zwischen der unabhängigen Sportbewegung einerseits und der staatlichen Sportpolitik andererseits. Am Vortag des Außerordentlichen DSB-Bundestages am 1. März 1969 in Bremen, bei dem es in erster Linie um die Neuordnung des Bundesausschusses für Leistungssport (BAL) ging, hatte DSB-Präsident Willi Daume in der 71. Sitzung des DSB-Präsidiums im Hinblick auf seine wachsenden Verpflichtungen als ehrenamtlicher Präsident des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 1972 um Entlastung von DSB-Aufgaben gebeten und - mit Billigung des Präsidiums - Vizepräsident Willi Weyer zu seinem Ständigen Vertreter und damit zum Geschäftsführenden DSB-Präsidenten bestimmt.

In seiner Juni-Sitzung in Feldafing/Bayern musste sich das Präsidium unter Weyers Leitung dann mit Plänen aus der Politik wie einem von der SPD vorgeschlagenen "Deutschen Sportrat" und einem "Beirat für Sportfragen beim Bundesministerium des Innern" befassen, die beide abgelehnt wurden. Begrüßt wurde allerdings die vorgesehene Schaffung einer "Ständigen Sportkonferenz" aus Vertretern der verschiedenen politischen Ebenen und des Sports - im Oktober 1970 dann als Deutsche Sportkonferenz (DSK) begründet - sowie die Einrichtung eines "Zentralinstituts für Dokumentation und angewandte Wissenschaften auf dem Gebiete des Sports", aus dem später dann das Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISP) wurde. Thema in Feldafing war aber auch die Neuorganisation der Geschäftsstelle des DSB und die vom NOKPräsidium beschlossene Auflösung der bisherigen Bürogemeinschaft von DSB und NOK in Frankfurt/Main.

Unterschiedliche Auffassungen über eine von der Treuarbeit AG vorgelegte Studie zum Aufbau einer zentralen Verwaltung des DSB führten in der Präsidiumssitzung am 10. Oktober in Duisburg zu heftigen Kontroversen innerhalb des Präsidiums mit der Konsequenz, dass bei der Hauptausschuss-Sitzung am folgenden Tag, die sich thematisch mit einer besseren Öffentlichkeitsarbeit des DSB befasste, Willi Weyer überraschend von seinem Amt als Geschäftsführender DSB-Präsident nach knapp acht Monaten Amtszeit wieder zurücktrat.

Diese sogenannte Rosenhammer-Studie, über die das Präsidium nur teilweise durch mündlichen Vortrag und nicht durch komplette Vorlage informiert wurde, sah u. a. die Umwandlung der eigenständigen Jugendorganisation DSJ in einen "Bundesausschuss für Jugendsport" und massive Zentralisierungstendenzen vor.

Dr. Walter Wülfing, damals einer der fünf DSB-Vizepräsidenten, war wie seine Präsidiumskollegen von Weyers Entschluss so betroffen, dass er in Duisburg auf Rückfragen nur zu antworten vermochte: "Ich habe kein Verständnis für Weyers Handeln. Vor wenigen Monaten erst hatte er dieses zusätzliche Amt übernommen, und jetzt legte er es innerhalb weniger Minuten nieder, ohne zuvor mit Willi Daume oder mit uns über seine Beweggründe gesprochen zu haben." Willi Weyer hatte seinen Rücktritt nur mit "Politischen, aber auch anderen Gründen" erklärt.

Die Folgerungen aus diesem Rücktritt Weyers waren wichtigster Beratungspunkt des Präsidiums schon am 1. November 1969 in Hannover. Dort berief das Präsidium zur organisatorischen Stärkung der Dachorganisation der deutschen Sportbewegung eine Reform- und Satzungskommission - unter der Leitung von Willi Weyer. Diese sollte ihre Arbeit innerhalb von sechs Wochen bis zum 15. Dezember abschließen, damit die Ergebnisse dann mit den Mitgliedsverbänden erörtert und beim DSB-Bundestag 1970 beschlossen und umgesetzt werden könnten. Das Präsidium legte ferner fest, dass mit dem Bau des neuen "Hauses des deutschen Sports" in Frankfurt am Main unverzüglich begonnen werden sollte.


Die Öffentlichkeitsarbeit des Sports muss verstärkt werden

In den Schlagzeilen über die Hauptausschuss-Sitzung des Deutschen Sportbundes am 11. Oktober 1969 in Duisburg-Wedau stand damals natürlich der Rücktritt Willi Weyers vom Amt des Geschäftsführenden DSB-Präsidenten, dabei hatte sich das zweithöchste Organ des DSB eigentlich mit einem anderen Hauptthema beschäftigt, nämlich der Verstärkung und Verbesserung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Nach eingehenden Beratungen trafen die verantwortlichen Repräsentanten der DSB-Mitgliedsorganisationen dazu folgende Feststellungen:

"Die deutsche Turn- und Sportbewegung kann ihre mannigfaltigen und ständig wachsenden Aufgaben nur mit der Unterstützung aller gesellschaftlichen Kräfte erfüllen. Hierfür ist es notwendig, dass Standort und Ziele des Sports nach innen und außen durch Presse, Funk und Fernsehen kontinuierlich und überzeugend dargelegt werden. Wert und Wirkung einer planmäßigen Öffentlichkeitsarbeit werden von vielen Sportorganisationen aber - im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Gruppierungen - noch nicht genügend erkannt. Der Sport muss sich darüber im klaren sein, dass er, was sein Image oder seine Ausstrahlung angeht, in der Öffentlichkeit als Ganzes erscheint. Diesem höheren Gesichtspunkt haben sich alle Einzelorganisationen unterzuordnen.

Der Sport muss wissen, dass seine Partner in der Öffentlichkeitsarbeit sowohl unabhängige Institutionen, die teils in Form privat-wirtschaftlicher Unternehmen, teils in Form öffentlichrechtlicher Körperschaften betrieben werden, als auch die dafür tätigen Publizisten sind. Der Sport hat sich von der weitverbreiteten falschen Vorstellung zu befreien, dass ihm die Sportpublizistik als willfähriger, unkritischer Werbeträger zu dienen habe. Er muss überzeugen. Dies kann nur durch eine konsequente Modernisierung der Presse- und FR-Arbeit erfolgen." Angenommen vom Hauptausschuss wurde auch folgende Empfehlung, die vom Arbeitskreis VI des Deutschen Sportbeirates erarbeitet und bereits vom DSB-Präsidium einstimmig gutgeheißen worden war:

"1. Eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit liegt im Interesse der Mitgliedsorganisationen und Organe des DSB; es erscheint deshalb dringend geboten, ihr größere Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit als bisher entgegenzubringen. Dazu gehören u. a.

a) Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit der Mitgliedsorganisationen in Öffentlichkeitsfragen;

b) Bereitstellung angemessener finanzieller Mittel für die Pressearbeit, Public Relations und Publikationen;

c) Konzentration von Presseorganen der Verbände mit dem Ziel größerer Wirksamkeit und Rentabilität;

d) Aufwertung der Stellung der Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit;

e) Heranziehen erfahrener Journalisten;

f) größeres Verständnis für die Erfordernisse der Berichterstattung in Presse, Punk und Fernsehen.

2. Die Organe des DSB und ihre Mitglieder sollten grundsätzlich Maßnahmen und Äußerungen zeitlich und inhaltlich auf die Interessen der Gesamtorganisation abstimmen und sich dabei der Presseabteilung bedienen.

3. Der Deutsche Sportbund sollte Überlegungen zur Herausgabe einer eigenen repräsentativen Zeitschrift anstellen. Ihr kommt im Zusammenhang mit den größeren Aufgaben der deutschen Turn- und Sportbewegung in den nächsten Jahren besondere Bedeutung zu." Der Deutsche Sportbeirat und die Geschäftsstelle wurden beauftragt, ein Memorandum zu dieser Frage vorzulegen und darin auch die finanziellen, technisch-organisatorischen und redaktionellen Fragen soweit wie möglich zu klären.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 42 / 13. Oktober 2009, S. 30-32
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009