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GESCHICHTE/179: November 1989 - Auf dem Weg zur sportlichen Einheit - Teil 5 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 46 / 10. November 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

November 1989: Auf dem Weg zur sportlichen Einheit (5)
Die Vereinigung im deutschen Sport hatte auch ihre Schattenseiten

Von Friedrich Mevert


Eigentlich sollte die kleine Serie in der DOSB PRESSE zur Vereinigung des Sports nach dem Mauerfall nach vier Veröffentlichungen abgeschlossen sein. Doch die Materialfülle ist so dicht und interessant, dass nachfolgend ein fünfter Artikel diese Ereignisse beschreibt. Auch in den kommenden Monaten wird sich die DOSB PRESSE in weiteren Beiträgen mit dieser bedeutenden Epoche auseinandersetzen.

Die friedliche Revolution im Herbst 1989 in der DDR, die schließlich am 9. November zur Öffnung der innerdeutschen Mauer und ein knappes Jahr später - am 3. Oktober 1990 - zur Wiedervereinigung der zwei deutschen Teilstaaten führte, brachte nicht nur auf beiden Seiten überschwängliche Begeisterung, Freude und Dankbarkeit mit sich. Das Gebot der historischen Wahrheit, der Vollständigkeit der sich anschließenden Entwicklungen und Ereignisse beim Vereinigungsprozess und der sportlichen Fairness machten es erforderlich, in einem gesonderten Beitrag über die deutsch-deutsche Sportvereinigung auch deutlich zu machen, dass neben allen positiven Wirkungen die Wiedervereinigung aus sportlicher Sicht ihre Schattenseiten hatte, - und manche unnötigen noch dazu.

Die Sportorganisationen waren höchst unterschiedlich strukturiert: Im Westen war es von der Vereinsebene bis zum DSB eine fast ausschließlich ehrenamtlich geführte Sportbewegung, im Osten arbeiteten von der örtlichen Betriebssportgemeinschaft über die DTSB-Gliederungen bis zum DTSB-Bundesvorstand in der Mehrzahl hauptamtliche Kräfte. Die Anpassung musste zwangsläufig bei vielen tausend DDR-Bürgern zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Zwar gab es ABM-Maßnahmen, Umschulungen in andere Berufsfelder, Wechsel in den Westen und anderes, aber das reichte nicht, um nicht viele persönliche Schicksale entstehen zu lassen. Nicht nur in der Verwaltung, sondern auch im Übungs- und Trainingsbetrieb bis hin zu den Spitzentrainern, die teilweise ins Ausland wechselten, wo sie mit offenen Armen aufgenommen wurden und meist auch sehr erfolgreich arbeiteten.


Rechtliche und finanzielle Probleme

Das Problem der Stasi-Belastungen bei vielen höheren und teilweise auch bei mittleren DTSBFührungskräften, das zu zahlreichen personellen Wechseln beim Neuaufbau der Sportorganisation in Ostdeutschland führte, ist bekannt und in Einzelfällen bis heute noch nicht abgeschlossen. Das gleiche gilt für die Dopingproblematik, die ebenfalls an dieser Stelle nicht weiter erläutert werden muss.

Beim Neu- und Wiederaufbau des sportlichen Vereinswesens in den sich bildenden neuen Bundesländern zeigten sich bald nicht nur rechtliche Probleme, da in der DDR das Zivilgesetzbuch bisher ganz andere Rechtsnormen setzte als nun das Vereinsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Es gab auch gravierende finanzielle Schwierigkeiten. Die bisherigen Betriebssportgemeinschaften (BSG) waren fast vollständig von ihren Trägerbetrieben finanziert worden, die Sportgemeinschaften ohne Trägerbetrieb durch Zuwendungen aus einem Fonds der DTSB-Zentrale in Berlin. Die zentral vom DTSB für die gesamte DDR einheitlich festgesetzten Mitgliedsbeiträge deckten nur sechs bis acht Prozent der Kosten des Sportbetriebes ab. Hier musste es nun erhebliche Beitragserhöhungen geben, um nach der Wende die Neugründungen am Leben halten zu können.

Die Aufnahme eines vielseitigen Sportbetriebes wurde auch durch ein erhebliches Defizit an geeigneten Sportstätten, vor allem auf dem Lande, behindert. Die Vergleiche bei den ab November 1989 massenhaft ansteigenden innerdeutschen Wettkämpfen führten oftmals zu ungläubigem Staunen bei den ostdeutschen Sportlern über die Sportstätten im Westen, war man doch solche Qualität für die breite Bevölkerung in der DDR nicht gewöhnt. Ein wenig Abhilfe konnte in den folgenden Jahren hier dann der "Goldene Plan Ost" des DSB schaffen, doch auch die neuen Länder mussten erhebliche Mittel dafür bereitstellen.

Noch heute unverständlich bleibt, weshalb eine im fachlichen Bereich auf hohem Niveau arbeitende und international anerkannte und hoch geschätzte Sportausbildungsinstitution wie die Leipziger Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) praktisch abgewickelt wurde, anstatt nach der Befreiung vom zweifellos vorhandenem ideologischen Ballast weiter für die Ausbildung qualifizierter Sportlehrkräfte und Trainer für das vereinte Deutschland zur Verfügung zu stehen.


Der Sporthilfe fehlt Geld für DDR-Athleten

Nicht unerwähnt soll auch bleiben, dass sich für die ostdeutschen Spitzensportler - Olympiasieger, Welt- und Europameister en masse - die Förderung erheblich gegenüber vergangenen DDR-Zeiten verschlechterte, Willi Daume, damals auch Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe, räumte noch im September 1990 ein, dass der Sporthilfe 25 Millionen D-Mark fehlten, um nach der Vereinigung auch die Spitzensportler der DDR entsprechend fördern zu können. Zu den unschönen Begleiterscheinungen zählten auch folgende Begebenheiten, wie ein Satz aus einem Zeitungsbericht über das Fußball-WM-Qualifikationsspiel beweist, das die DDR am 15. November 1989 in Wien mit 3:0 gegen Österreich verlor: "Am Rande des Spielfeldes wedelten die Spielerberater aus der Bundesrepublik mit ihren Geldscheinen". Eine Überschrift aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. Juli 1990 lautete: "Der Emil Beck will sich den DDR-Sport angeln."

Mit der Wende entstand nach kurzer Zelt aber auch in der Sportbewegung in den ostdeutschen Kreisen und Bezirken und späteren neuen Ländern eine Aufbruchstimmung, als es galt, die sportliche Freizeit in den Gemeinschaften, Vereinen und Verbänden im Rahmen eines freien Gesellschaftssystems neu zu gestalten. Für viele Sportfreunde gab es eine neue Motivation, sich ohne Gängelung und zentrale Steuerung durch Staat, Partei und Gewerkschaften zu engagieren und sich bei der Neugestaltung des sportlichen Miteinanders unter Übernahme von persönlicher Verantwortung einsetzen zu können.

So gestalteten sich auch die Bemühungen der neugewählten Verantwortlichen bei der Gewinnung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die vor ihnen liegenden Aufgaben erfolgreicher als jemals erwartet.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 46 / 10. November 2009, S. 30
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2009