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GESCHICHTE/180: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 59 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 47 / 17. November 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1966/IV: Das NOK gründet das "Kuratorium Olympische Akademie"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 59)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Als ein deutscher Beitrag zur Internationalen Olympischen Akademie (IOA) war 1966 auch in der Bundesrepublik - wie in zahlreichen anderen Ländern - ein nationales Kuratorium gegründet worden. Prof. Carl Diem und sein griechischer Kollege Jean Ketseas hatten die Idee für die Internationale Olympische Akademie, die erstmals 1961 im griechischen Olympia stattfand, Prof. Dr. Norbert Müller informierte über den Beschluss des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) für Deutschland in der aus Anlass des 50-jährigen NOK-Bestehens 1999 herausgegebenen Dokumentation "Deutschland in der olympischen Bewegung":

"Die Mitgliederversammlung des NOK für Deutschland beschloß am 19. Mai 1966 in Kassel die Gründung eines eigenständigen Ausschusses mit der Bezeichnung 'Kuratorium Olympische Akademie'. Prinz Georg Wilhelm von Hannover wurde sein Vorsitzender, Gründungsmitglieder waren Prof" Dr. Franz Lotz (Würzburg), Dr. Werner Kaebernick (DOG), Frau Prof. Liselott Diem (Köln) Prof. Dr. Herbert Reindell (Freiburg), Dr. Christian von Hovora (Vertreter des BMI) und Dieter Buchholtz (DSJ), außerdem qua Amt der NOK-Generalsekretär.

Dieses Kuratorium übernahm die Aufgabe, den deutschen IOA-Präsidenten zu beraten und die deutschen Vertreter für die jeweilige Session auszuwählen. Ferner sieht die Geschäftsordnung des Kuratoriums vom 15. November 1974 vor, das NOK-Präsidium in allen mit der IOA zusammenhängenden Fragen zu beraten, die IOA bei der Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen, nach wie vor die deutschen Teilnehmer an den verschiedenen Veranstaltungen der IOA auszuwählen und sie intensiv auf die Sessionen vorzubereiten. Eine weitere, wesentliche Aufgabe besteht darin, Probleme der Olympischen Bewegung wissenschaftlich zu bearbeiten. Das Kuratorium hätte seiner Verpflichtung nicht nachkommen können, wenn es nicht die Betreuung der Studentinnen und Studenten für die jährlichen Sessionen in die Hände bewährter Hochschullehrer, später auch ehemaliger IOA-Teilnehmer, hätte legen können. Diese übernahmen nicht nur die fachliche Vor- und Nachbereitung, sondern begleiteten auch die Teilnehmer nach Griechenland.

Die mehrtägigen Rundfahrten durch die Argolis vor Beginn einer jeden Session unter Leitung von Experten stellten einen wichtigen Teilwert olympischer Erziehung dar und hinterließen nachhaltige Eindrücke bei allen deutschen IOA-Teilnehmern.

In chronologischer Reihenfolge sind an dieser Stelle zu nennen: Prof. Horst Käsler, Ulrich Jonath, Prof. Dr. Peter-Wilhelm Henze, Prof. Dr. Horst Ueberhorst, Prof. Dr. August Kirsch, Prof. Dr. Jürgen Dieckert, Prof. Dr. Heinz Senk, Prof. Dr. Norbert Müller, Bernd Hunger, Helmut Kühnle, Klaus Weinberger, Prof. Dr. Klaus Zieschang, Robert Marxen, Thomas Mauer, Dr. Jürgen Buschmann, Bernhard Schwank, Dr. Michael Müller-Kahler und Achim Bueble.

Mit der Gründung Nationaler Olympischer Akademien durch aktive IOA-Teilnehmer seit Mitte der siebziger Jahre in etwa 60 Ländern wurde die systematische Verbreitung des olympischen Gedankenguts, insbesondere in der Schule, immer aktiver betrieben.

Mit dem Kuratorium Olympische Akademie war bereits 1966 ein nationales Vertretungsorgan innerhalb des NOK für Deutschland geschaffen worden. Dessen Arbeit konzentrierte sich bis zu Beginn der achtziger Jahre im wesentlichen auf die Zusammenarbeit mit den Instituten für Sport bzw. Sportwissenschaft an den Universitäten. Viele deutsche Teilnehmer und Referenten der Veranstaltungen der IOA haben seit 1961 ihre olympischen Erfahrungen in vielfältiger Weise in Schule und Hochschule genutzt, aber auch in die Verbandsarbeit oder in andere Berufsfelder, z. B. als Sportjournalisten, eingebracht.

Das Kuratorium Olympische Akademie in seiner Funktion als Nationale Olympische Akademie gehört zu den aktivsten in der Welt; seine Programme zu einer olympischen Erziehung in der Schule werden inzwischen von vielen NOKs weltweit genutzt. Die Mitglieder des Kuratoriums und des Pädagogen-Arbeitskreises sind als Experten häufig Gäste und Referenten bei Veranstaltungen befreundeter Nationaler Olympischer Akademien, vor allem in Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, Österreich, der Slowakei, Spanien und Tschechien.

Der deutsche Beitrag zur Internationalen Olympischen Akademie war für deren Entstehung zweifellos entscheidend, für die weitere Entwicklung, besonders in den sechziger Jahren, von richtungsweisender Bedeutung.

Wenn von deutscher Seite oft höhere wissenschaftliche Effizienz angemahnt wurde, so übersieht man, daß es in vielen Ländern oft andere Ansichten über Ziele und Charakter olympischer Akademiearbeit gibt.

So unterschiedlich wie die olympischen Traditionen in den verschiedenen Ländern sind, so unterschiedlich sind auch die Erwartungen an die IOA. Darauf müssen die Veranstalter eingehen und eine Antwort finden. Wie die Geschichte der IOA zeigt, waren es einige wenige Persönlichkeiten, die dieser Einrichtung die entscheidenden Impulse gaben, darunter auch Deutsche.

Je größer die olympische Welt wurde, desto schwieriger war das Unterfangen, neben der olympiabezogenen Lehre auch die Forschung innerhalb der IOA voranzubringen. Seit 1993 ist die Akademie mit der Abhaltung der Seminare für Postgraduierte in dieser Hinsicht ein wichtiges Stück vorangekommen. Daneben haben viele junge Menschen in Olympia den entscheidenden Anstoß zur Behandlung olympiabezogener Forschungsthemen an ihren Heimatuniversitäten erhalten, darunter auch viele deutsche Studentinnen und Studenten.

Im Rückblick scheint es wichtiger, daß die IOA zur emotionalen Stimulans wurde, wie es Hans Lenk 1964 treffend umschrieb, als durch wissenschaftliche Eigenleistung zu glänzen. Die deutschen Gruppenleiter, Referentinnen und Referenten haben hier das richtige Augenmaß besessen und wertvolle Beiträge geleistet. Wenn darüber hinaus Nationale Olympische Akademien in vielen Ländern der Erde zum Fachdenken über den Olympismus in seiner Komplexität auffordern, dann hat die Idee der IOA eine von Carl Diem und Jean Ketseas nicht voraussehbare Eigendynamik und wertvolle Ergänzung gefunden."

"Ruderprofessor" Karl Adam stellte drei Leitmotive für den Schulsport auf Auf die Schwierigkeiten des Schulsports ging in Kiel "Ruderprofessor" Karl Adam aus Ratzeburg in seinem Vortrag zur Eröffnung der Tagung des Bundes Deutscher Leibeserzieher im Herbst 1966 ein. Nach Adams Ansicht komme es darauf an, der Jugend eine Motivation zum Leistungssport zu geben, denn mit dem Argument allein, Sport sei ein Mittel gegen die Bewegungsarmut unserer Zeit und damit gegen den Herzinfarkt, könnten heutzutage keine jungen Menschen mehr vom Fernsehschirm weggelockt werden.

Anders sei es dagegen mit der Aussicht auf sportlichen Ruhm. Adam sagte: "Wenn dies das einzige Argument für den Sport ist, dann gibt es auch bald Leute, die behaupten werden, daß Spitzensport vielleicht sogar schädlich sei."

Als drei Leitmotive bezeichnete Adam:

1. Die Konstruktion eines Gegensatzes von Spitzensport und Breitensport führt zu allgemeinen Fehlleistungen und Fehlhandlungen.

2. Leistungstraining und Spitzensport sind das Experimentierfeld, um wirksame Methoden für den Breitensport zu erproben.

3. Probleme der Leistungsmotivation für die Jugend sind nur zu lösen, wenn Spitzensport und Leistungstraining in den täglichen Sportbetrieb eingeführt werden.

Adam führte ferner aus, das günstige Alter, sportliche Fähigkeiten zu erlernen, liege zwischen 10 und 16 Jahren. "Wenn unsere Jugend ihre körperlichen Fähigkeiten optimal entwickeln soll, dann müssen möglichst viele an möglichst viele sportliche Techniken herangeführt werden." Dazu benötige man natürlich die notwendigen Sportstätten. Adam verwies in diesem Zusammenhang auf die Kindersportschulen der UdSSR und anderer Ostblockstaaten, die offenbar den gleichen Erkenntnissen Rechnung trügen.

Seine Kritik forderte die sportärztliche Untersuchung der Jugend in der Bundesrepublik, die erreichen müsse, dass der Leibeserzieher wisse, wie weit er mit der Trainingsbelastung bei jedem einzelnen Schüler gehen könne. Nur so komme man von dem sogenannten "Sicherheitsturnen" in den Schulen weg. Adam forderte außerdem, dass in jede Schulturnhalle eine Scheibenhantel zum Kraft- und Muskeltraining gehöre und ein Ort in der Halle, an dem sie auch benutzt werden könne.

Als eine der wichtigsten Aufgaben der Sportlehrer bezeichnete Adam die Übertragung der Leistungsauffassung in andere Lebensgebiete. Das sei der tiefere Sinn des Sports. Deshalb gebühre ihm auch eine höhere soziale Stellung als zur Zeit. Adam schlug vor, auf den Gymnasien (zunächst auf einigen Musterschulen) neben dem sprachlichen und mathematischen Zweig auch einen sportlichen Zweig einzurichten.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 47 / 17. November 2009, S. 24-26
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2009