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GESCHICHTE/181: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 57 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 48 / 24. November 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1966/II: Eine Zwischenbilanz des Zweiten Weges
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 57)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Sieben Jahre nach der Beschlussfassung des außerordentlichen DSB-Bundestages 1959 in Duisburg über den Aufbau eines "Zweiten Weges" des deutschen Sports zog Prälat Willy Bokler, der zu den Initiatoren dieser neuen Bewegung gehört und den entsprechenden DSB-Arbeitskreis geleitet hatte und 1960 zunächst als Gast und später als Beisitzer in das Präsidium des DSB berufen worden war, im Sommer 1966 eine erste Zwischenbilanz und zeigte weitere Wege für eine Verstärkung der bereits angelaufenen Aktivitäten auf:

"Die Entwicklung der Leibesübungen in unserem Jahrhundert ist eng verbunden mit der Entwicklung in der modernen Industriegesellschaft. Von ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen werden Turnen und Sport in eigenartiger Weise gefördert und gefordert. So wurde die Sportbewegung auch in Deutschland erst in diesem Zeitalter zu einer wirklichen Volks-, das heißt Massenbewegung. Diese besondere Stunde mußte der Deutsche Sportbund um die Mitte des Jahrhunderts erkennen und anerkennen.

Er tat es besonders einprägsam auf seinem außerordentlichen Bundestag 1959 zu Duisburg-Wedau. Damals wurde verpflichtend formuliert: "Der Deutsche Sportbund begrüßt um des Menschen willen den durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gegebenen Zuwachs an Freizeit." - "Der Deutsche Sportbund sieht im Turnen, Sport und Spiel einen wichtigen und ausbaufähigen Faktor des modernen Freizeitlebens."

Dieser sogenannte Zweite Weg des Sportes hat seitdem eine erfolgreiche Entfaltung erlebt, hat weite und auch führende Kreise unseres Volkes für den Sport erst eigentlich gewonnen, hat auch für die öffentliche Förderung des Sports die durchschlagenden Argumente geliefert. Denn wenn die deutsche Turn- und Sportbewegung sich der Bewegungsarmut annimmt, die jedermann bedroht, muß er öffentlich gefördert werden. Und wenn er überdies in die ständig wachsende Freizeit Freude, Ausgleich und Eigentätigkeit einbringt, muß er denen, die sich um den Menschen der Freizeitgesellschaft kümmern, als Wohltäter hochwillkommen sein.

Drei Momente kamen zugute, als erstes der "Goldene Plan"

Vor allem waren es drei Momente, die der Ausbreitung der Gedanken über den Zweiten Weg zugute kamen. Das erste ist der "Goldene Plan", der von der Deutschen Olympischen Gesellschaft entwickelt und proklamiert wurde. In ihm geht es um die genügende Anzahl der Sport- und Spielstätten für alle Betätigungsarten. Am Maße dieser Planerfüllung kontrollieren sich heute die politischen Parteien in ihrem neu erwachten Eifer für Leibeserziehung und Sport. Das zweite Moment ist das "Übungsleiterprogramm". Denn: Für die Verbreitung der Basis der Leibesübungen sind fähige Übungsleiter genauso notwendig wie eine ausreichende Anzahl von Übungsstätten. Inzwischen wurden vielfältige Wege beschritten, um zu einer genügenden Zahl von haupt-, neben- und ehrenamtlichen Übungsleitern zu kommen.

Vom einjährigen Ausbildungskurs bis zu den Spezial-Lehrgängen der Fachverbände und 120 Übungsstunden ist eine große Fächerung von Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten entwickelt worden. Und jeder neue Übungsleiter vermehrt die Glaubwürdigkeit des Sports in seiner Bemühung für das Breitenangebot, fürs Angebot von Spiel-und Bewegungsmöglichkeiten des "Jedermann!".


Dies brachte Erfolg

Wirksam erwiesen sich überdies für die Anliegen des Zweiten Weges:

1. Gründung von Turn- und Sportvereinen in Ortschaften, Gemeinden und Stadtteilen, in denen bis jetzt keine oder keine ausreichenden Sportmöglichkeiten gegeben waren. Die sogenannten weißen Flecken in der Landkarte der Sportorganisation.

2. Der Aufbau von Sportgemeinschaften in den Betrieben, bei der Bundeswehr, der Polizei und innerhalb der Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Soweit diese Gruppen und Vereinigungen Wettkampf- und Leistungssport der Fachverbände anerkennen, dürfen sie keine überflüssige Konkurrenz entwickeln.

3. Die Reaktivierung der Inaktiven. Dazu braucht es die freiwilligen Übungsleiter, die Vielfalt der Sportarten und den ganzjährigen Übungsbetrieb. Mehr als die Hälfte aller Aktiven wechselte bisher in die Kategorie der Inaktiven. Sehr viele traten auch aus den Vereinen überhaupt aus.

4. Die Ausweitung der Sportarten in allen Vereinen. Nur im Leistungssport braucht es den Spezialtrainer und die Spezialistenförderung. In den Normalvereinen muß Raum sein für alle Altersstufen, für beide Geschlechter, für alle Berufsgattungen und auch für Familienbetätigung. Jede Monokultur bedeutet hier Armut.

5. Das Kursangebot der Vereine für Nichtmitglieder, für bestimmte Personengruppen, für klar umgrenzte Zeitspannen. Der berühmte "Versicherungsschutz" bietet kaum noch Schwierigkeiten, und die Bevorzugung der Nichtmitglieder ist reines Phantom. Denn auch die Kursteilnehmer können zahlen, wollen dem Angebot entsprechend zahlen. Und dieses Angebot wird um so reizvoller, je mehr Vereine sich für Werbung und Ausgestaltung auf kommunaler Ebene zusammentun.

6. Der stärkere Einbau der musischen Fächer, die stärkere Betonung einer familienfreundlichen Geselligkeit. Nachgewiesenermaßen kommen zu den Turn- und Sportvereinen jeweils nur 10% um der bloßen Leibesübungen willen; alle anderen suchen zuerst den gesellschaftlichen Anschluß, die frohmachende Geselligkeit.

In seinem Grundsatzprogramm kann darum der DSB am Zweiten Weg, am Angebot der Leibesübungen für die breiten Bevölkerungsschichten, nicht mehr vorbei: Der Zweite Weg des Sportes bleibt zeitnahe durch zeitgemäße Grundaufgabe der verantwortlichen Sportpflege. Drei Anliegen ergeben sich für eine Verstärkung der bisherigen Tätigkeit, für ein neues Engagement:

Ausbau und Förderung der Volkswettbewerbe in allen Teilen und Bereichen unseres Volkes.
Breites Kursangebot zusammen mit allen Vereinigungen der Volksbildung und Jugendhilfe auf kommunaler Ebene. Die öffentliche Hand fördert den Kontakt der Trägergruppen, finanziert die Werbung und stellt Plätze, Hallen und Geräte kostenlos zur Verfügung.
Bereitstellung offener Sportstätten für solche Sportarten, die ohne besondere Organisation und ohne Einsatz von Übungsleitern betrieben werden können. Ähnlich wie beim Kursus, sollen auch hier die Übenden ihren Unkostenbeitrag zahlen müssen.


Rahmenrichtlinien für Übungsleiter verabschiedet

"Die deutschen Turn- und Sportvereine stehen vor ständig wachsenden Aufgaben. Die Erfüllung dieser Aufgaben erfolgt grundsätzlieh ehrenamtlich. Die Ausweitung des Wirkungsbereiches der Vereine erfordert darüber hinaus jedoch den Einsatz besonders ausgebildeter und geprüfter Übungsleiter. Die fortschrittliche Entwicklung der Vereine hängt wesentlich davon ab, ob es gelingt, neue leistungsfähige Übungsleiter in ausreichender Zahl zu gewinnen."

Mit diesen Feststellungen werden die in Hamburg vom Hauptausschuß des Deutschen Sportbundes 1966 verabschiedeten Rahmenrichtlinien zur einheitlichen Ausbildung, Prüfung und Vergütung nebenamtlicher Übungsleiter eingeleitet.

Die Rahmenrichtlinien sollen nunmehr der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder vorgelegt werden und bedeuten eine von den mehr als 35.000 deutschen Turn- und Sportvereinen sicherlich lebhaft begrüßte Initiative, die von den Landessportbünden ebenso unterstützt wurde wie von den Fachverbänden.

Übungsleiter im Sinne dieser Richtlinien sind Personen, die den Übungsbetrieb mindestens einer Gruppe selbständig planen, vorbereiten und für einen längeren Zeitraum leitend durchführen und einen der nachstehend aufgeführten Ausbildungsgänge der Leibeserziehung nachweisen können.

Als Übungsleiter gelten demnach:

1. Lehrer mit Prüfung im Fach Leibeserziehung;

2. geprüfte Sportlehrer im freien Beruf (einschließlich der Fachsportlehrer);

3. Personen, die die Anerkennung als Übungsleiter durch Prüfung erworben haben. (Die Ausbildung dieser Übungsleiter hat die gleiche allgemeine Zielsetzung wie die Ausbildung des Turn- und Sportlehrers; sie soll wie diese, wenn auch in vereinfachter Form und in begrenztem Umfang, auf die vielseitigen, sportpraktischen Aufgaben der Vereine zugeschnitten sein.).

4. Die Ausbildung ist mit einer Prüfung abzuschließen. Das Mindestalter für die Zulassung des Bewerbers beträgt 18 Jahre.

Der Ausbildungsinhalt wird in drei Abschnitte geteilt:

A. Grundausbildung (mit Schwergewicht für den allgemeinen Übungsleiter)

B. Fachausbildung (mit Schwergewicht für den Fach-Übungsleiter)

C. Theoretische Grundlagen;
a) Grundsätze der Lehr- und Übungsweise,
b) Einführung in die Jugendarbeit und Menschenführung,
c) Probleme und Maßnahmen des Zweiten Weges,
d) Sportmedizinische Fragen (Gesundheitslehre, Erste Hilfe),
e) Rechtsfragen (Aufsichts- und Sorgfaltspflicht, Haftung),
f) Aufbau und Aufgaben in der Turn- und Sportorganisation. Über die bestandene Prüfung wird ein Ausweis ausgestellt, der im Gesamtbereich des DSB gültig ist. Die Ausstellung der Übungsleiter-Ausweise für Fach-Übungsleiter erfolgt durch den DSB mit dem zuständigen Bundesfachverband, die Ausstellung der Übungsleiter-Ausweise für den allgemeinen Übungsbetrieb durch den DSB mit dem zuständigen Landessportbund oder einem Bundesverband. Der Ausweis gilt fünf Jahre; er wird verlängert, wenn der Übungsleiter innerhalb dieser Zeit eine Fortbildung von mindestens 20 Stunden Dauer nachweist."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 48 / 24. November 2009, S. 31
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2009