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GESCHICHTE/192: Die Deutsche Sportjugend blieb 60 Jahre lang jung (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 1-3 / 19. Januar 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Die Deutsche Sportjugend blieb 60 Jahre lang jung
In Bayrischzell wurde 1950 der Grundstein für die Gründung des Verbandes gelegt

Von Friedrich Mevert


Die deutschen Sportverbände haben zum Teil eine beachtliche Tradition; manche wurden schon im 19. Jahrhundert, die meisten Anfang des 20. Jahrhunderts, gegründet. Die Deutsche Sportjugend dagegen entstand erst nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Dritten Reiches aus dem Bemühen heraus, für die Jugend demokratische Organisationsstrukturen zu finden.

Im Gegensatz beispielsweise zu den konfessionellen und politischen Jugendverbänden musste eine Organisation für die sporttreibende Jugend erst völlig neu geschaffen werden. Die Bemühungen um die Schaffung einer solchen Organisation in dem Rahmen, den die politischen Verhältnisse der ersten Nachkriegsjahre zuließen, setzten aber schon frühzeitig ein. So wurden z.B. in einer "1. Jugendleitertagung der britischen Zone" vom 17. bis 21. Juli 1947 in Mürwik (Schleswig-Holstein) viele Fragen beraten, die deutlich machen, welche Schwierigkeiten es gab, um überhaupt erst einmal die Voraussetzungen für die Gründung einer Deutschen Sportjugend zu schaffen.

Sophie Dapper (Essen), Dr. Harald Eimermacher (Münster), Oscar Drees (Bremen), Siegfried Perrey (Mürwik) und Julius Überhoff (Hamm) waren einige der Teilnehmer dieser Tagung, die für den Aufbau der deutschen Turn- und Sportbewegung nach Kriegsende von besonderer Bedeutung war.

Ein "Zonenjugendausschuss" führte nun die Geschäfte und nahm Kontakte zu den Jugendausschüssen auf, die sich in den entstehenden deutschen Ländern in den Besatzungszonen gebildet hatte. So konnte bereits im Juli 1949 in Duisburg-Wedau eine Konferenz der Jugendwarte der Landessportbünde im Bundesgebiet-West stattfinden, gefolgt von einem weiteren Treffen dieses gleichen Kreises Ende Oktober 1949 in Frankfurt/Main.

In diesen Tagungen wurden die wichtigsten Vorarbeiten zur Gründung der Deutschen Sportjugend geleistet, die Grundsätze für die Arbeit bereits festgelegt und auch eine provisorische Sportjugendleitung gewählt, die die Sportjugend am ersten Oktober-Wochenende 1949 im Katholischen Haus Altenberg bei der Gründungsversammlung des Deutschen Bundesjugendringes (DBJR) vertreten konnte.

Mit dem Wachsen neuer Organisationsstrukturen auf den regionalen Ebenen des Sports wurden parallel die meisten Sportfachverbände wiedergegründet, nachdem auch im staatlich-politischen Bereich durch die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Herbst 1949 manche Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt worden waren.

Mit der Wahl von Jugendleitern auch in den Fachverbänden waren zu Beginn des Jahres 1950 die Voraussetzungen geschaffen, über beide Säulen - regional und fachlich - eine einheitliche Organisation der Sportjugend aufzubauen, für die vor allem das Bedürfnis nach Erfahrungsaustausch der Sportjugendleiter untereinander, aber auch die praktische Notwendigkeit der Vertretung der Sportjugend gegenüber den anderen sich neubildenden Jugendverbänden und deren Dachorganisationen zunächst im Mittelpunkt stand. Die Ostertage 1950 wurden dann zu einem wichtigen Abschnitt im Wiederaufbau des deutschen Sports nach dem Kriege. Auf Einladung von Martin Gaßner, des Jugendleiters des Bayerischen Landessportverbandes, der als Vorsitzender der Landesjugendwarte die Tagung einberufen hatte, trafen sich die Jugendwarte von 12 Fachverbänden und 10 Landessportbünden vom 7. bis 9. April 1950 im Jugendberghaus Sudelfeld bei Bayrischzell.


"Öfter das Wort 'Jugend' aussprechen"

Martin Gaßner formulierte im Verlauf der Beratungen, um was es damals ging: "Unsere Hoffnung, dass in der langen Debatte über die deutsche Sportspitze auch öfter das Wort 'Jugend' ausgesprochen würde, hat sich mancherorts nicht erfüllt. So sind wir der Meinung, wir sollten unseren älteren Sportfreunden die Arbeit erleichtern und ihnen dadurch eine Sorge abnehmen, dass wir uns selbst vorurteilsfrei und verantwortungsbewusst eine Vertretung wählen. Wenn wir nicht an Länder, Sportarten, Mitgliedsstärken, Paritäten und Kompetenzen denken, sondern einzig und allein an die Fähigkeiten und Arbeitsmöglichkeiten der von uns zu wählenden Kameraden, dann bin ich voller Zuversicht, dass dieser Jugendausschuss auch vom Vertrauen aller getragen wird."

In der anschließenden Diskussion wurden die von Martin Gaßner aufgeworfenen Fragen nach der Notwendigkeit - und der Berechtigung - der Bildung einer deutschen Sportjugendvertretung einstimmig und ohne Vorbehalte bejaht und zum Schluss der Tagung die folgende Verlautbarung veröffentlicht:

"Die deutsche Sportjugend, vertreten durch die Jugendwarte der Landessportbünde und der Fachsportverbände, ist vom 7. bis 9. April in Bayrischzell zusammengekommen. Die so vertretene Sportjugend erklärt, dass eine enge Zusammenfassung der sporttreibenden Jugend wegen der anfallenden Aufgaben dringend erforderlich ist und nicht länger hinausgeschoben werden kann. Deshalb bilden die anwesenden Vertreter die "Arbeitsgemeinschaft der deutschen Sportjugend". Die Zusammenarbeit ist freiwillig. Die Arbeitsgemeinschaft hat die Aufgabe, die Jugendarbeit in den Sportorganisationen selbst zu verstärken und zu vertiefen. Sie arbeitet in parteipolitischer, konfessioneller und rassischer Neutralität. Die Arbeitsgemeinschaft vertritt außerdem die Interessen der Sportjugend im Bund, bei dessen Organen und bei Körperschaften (Bundesjugendring, Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge usw.), die für die Förderung der sportlichen Erziehungsarbeit und der Jugendpflege in Frage kommen. Die laufende Arbeit wird von einem Ausschuss von sieben Jugendvertretern nach einer besonderen Geschäftsordnung erledigt. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ist Martin Gaßner, München."


Formelle Gründung am 15. Dezember 1950

Im weiteren Verlauf des Jahres 1950 waren dann auch die Vorbereitungen zur Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) als einer einheitlichen Dachorganisation für die deutschen Sportverbände soweit abgeschlossen, dass am 10. Dezember 1950 im Rathaus von Hannover der formelle Gründungsakt vollzogen werden konnte. Mit der überwältigenden Mehrheit von 91:5 Stimmen wurde von den Delegierten der Verbände dort dem Wunsch der "Arbeitsgemeinschaft der deutschen Sportjugend" entsprochen, im neu zu wählenden Präsidium des DSB vertreten zu sein, um so von Anfang an den Willen zur Mitarbeit innerhalb des DSB dokumentieren zu können. Für diese Aufgabe wurde in Hannover Dr. Ottoheinz Ertl gewählt.

So konnte schon ein Vierteljahr nach der DSB-Gründung der Präsident des Deutschen Sportbundes, Willi Daume, als Gast bei der 2. Vollversammlung der dsj am 23./24. März 1951 in Ingelheim/Rhein erklären:


Das Misstrauen beseitigen

"Eine der ersten Aktionen des DSB war es, das Misstrauen, das der Deutschen Sportjugend entgegengebracht wurde, zu beseitigen. Ja noch mehr, wir haben schon den Anfang auf dem Sudelfeld, den wir miterlebt haben, mit Sympathie aufgenommen. Jeder Einsichtige sagte schon damals, dass mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Sportjugend ein gutes Werk begonnen war. Diese Meinung ist bis heute die gleiche geblieben." ... "Ich versichere Ihnen, dass Ihre Arbeit für die Jugend von uns nicht nur anerkannt, sondern nach besten Kräften gefördert wird. Wir haben aus diesen Überlegungen heraus auch gegen den eigenen Firmennamen Deutsche Sportjugend, Jugendausschuss im Deutschen Sportbund, in unserer Aussprache in Dortmund nichts einzuwenden gehabt. Ich selbst empfinde das mit Sympathie und sehe es als selbstverständlich an. Ich konnte dies verhältnismäßig leicht durchsetzen, da eine gewisse Notwendigkeit dazu besteht, den Forderungen der Sportjugend im Gebiet der Bundesrepublik hinsichtlich des Bundesjugendplans einen starken Nachdruck zu verleihen. Dies ist natürlich nur möglich, wenn die Sportjugend genau wie die anderen Jugendverbände unter eigener Jugendordnung eine eigene Organisation darstellt."

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Aussagen hatte die getrennte Entwicklung von dsj und DSB dazu geführt, dass die rechtliche Stellung der Deutschen Sportjugend im Deutschen Sportbund noch über mehrere Jahre lang unklar blieb. Erst beim DSB-Bundestag 1956 in Berlin wurde die Deutsche Sportjugend in die Satzung des DSB mit einem gesonderten Paragraphen (§ 11) aufgenommen, der ihre Aufgaben, Rechte und Pflichten beschrieb; die dsj erhielt satzungsrechtlich den Rang eines "Organs" und damit verbunden auch das unmittelbare Antragsrecht beim Bundestag des DSB.


Immer einen Schritt voraus

Auch fast vierzig Jahre später - bei der Zeitzeugenbefragung im Rahmen der vom Niedersächsischen Institut für Sportgeschichte (NISH) vom 28. bis 30. August 1988 durchgeführten 2. Hoyaer Tagung zur Entwicklung des Nachkriegssports in Deutschland - räumte Willi Daume freimütig ein, dass in den ersten Jahrzehnten die Sportjugend dem DSB immer einen Schritt voraus gewesen sei und damit viele wichtige Entwicklungen im deutschen Nachkriegssport überhaupt erst angestoßen habe.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 1-3 / 19. Januar 2010, S. 23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2010