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GESCHICHTE/209: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 69 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 11 / 16. März 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1968/V: Friedensappell der Deutschen Sport Jugend
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 69)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Mit einer Resolution für "Frieden und Freiheit in aller Welt" endete die 15. Vollversammlung der DSJ am 20. April 1968 in Hamburg. Nach insgesamt elfstündigen Beratungen mit einer selten zuvor beobachteten Debattierfreudigkeit der Jugendleiterinnen und Jugendleiter aus den Landessportbünden und Fachverbänden wurde die nachfolgend abgedruckte Resolution bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen angenommen, die mit dem Aufruf an die junge Generation schloss, im Jahr der Olympischen Spiele für Frieden und Freiheit in aller Welt einzutreten.

"Die Deutsche Sportjugend (DSJ) - mit 3,2 Millionen junger Menschen die größte Jugendorganisation in der Bundesrepublik Deutschland - ist in ihrer Erziehungsarbeit parteipolitisch neutral. Sie räumt den Menschen aller Rassen gleiche Rechte ein und vertritt den Grundsatz religiöser und weltanschaulicher Toleranz. Das entläßt sie nicht aus der Verpflichtung, zu jugendpolitischen Problemen und humanitären Fragen der Zeit Stellung zu nehmen.

1. Die kriegerischen Ereignisse in der Welt veranlassen die Vollversammlung der DSJ aufs neue, den Krieg als Mittel zur Lösung von Konflikten zu verurteilen. Sie fordert deshalb alle Regierungen auf, jede Möglichkeit zur friedlichen Beilegung des Krieges in Vietnam, im Nahen Osten und in anderen Teilen der Erde zu ergreifen. Die Deutsche Sportjugend bekennt sich zu der humanitären Hilfe, Kriegsfolgen zu lindern. Sie unterstützt deshalb auch die Spendenaktion des Deutschen Bundes-Jugendringes für Nord- und Südvietnam.

2. Die Auseinandersetzung mit den Problemen unserer etablierten Gesellschaft gehört zum politischen Engagement der Jugend; sie ist unüberhörbar geworden. Allen führenden Kräften ist es aufgegeben, berechtigten Protest nicht länger zu ignorieren, sondern jetzt endlich in zeitgemäßen Lösungen - z. B. auch der Bildungsfragen - fruchtbar zu machen. Die Verwirklichung unserer demokratischen Grundrechte schließt gewalttätige Handlungen und totalitäre Maßnahmen aus. Sie sind ebensowenig wie Kriege geeignete Mittel, Meinungen durchzusetzen oder Konflikte zu lösen.

Die Deutsche Sportjugend ruft im Jahr der Olympischen Spiele die junge Generation auf, für Frieden und Freiheit in aller Welt einzutreten."

Ablauf und Ergebnisse der bemerkenswerten DSJ-Vollversammlung beschrieb der spätere DSB-Präsident und damalige 2. DSJ-Vorsitzende Hans Hansen in seinem Kommentar "Lieber Leser" in der Juni-Ausgabe der DSJ-Zeitschrift "Olympische Jugend":

"Die Deutsche Sportjugend hat auf ihrer Vollversammlung in Hamburg den Kurs für die nächsten beiden Jahre abgesteckt. Sie tat es in einer erfreulich diskussionsreichen Form, die für die Zukunft hoffen läßt. Aus dem oft widerspruchslosen Hinnehmen von Vorschlägen des Vorstandes - diese Tendenz war eine Zeitlang auch bei der Sportjugend zu verspüren - ist die echte Auseinandersetzung mit den Problemen aktueller Sportjugendarbeit geworden. Man diskutiert und debattiert wieder, man bringt Alternativen und bringt Anregungen. Das ist gut so, weil nur auf diese Weise ein gemeinsam anvisiertes Ziel erreicht werden kann.

Das Ziel ist klar: Es geht um die verstärkte Ausbildung von Übungsleitern, um die Gewinnung und Ausbildung von Jugendleitern! Nichts ist notwendiger als das! Dabei kommt es nicht darauf an, nach Kompetenzen zu suchen, wer die Ausbildung vorzunehmen hat. Entscheidend ist vielmehr, daß sie jetzt mit aller Kraft in Angriff genommen wird, weil der Zustrom junger Menschen in die Sportvereine anhält und das ständige Anwachsen der Mitgliedszahlen nur mit qualifizierten Übungs- und Jugendleitern aufgefangen werden kann.

Die Vollversammlung von Hamburg hat gezeigt, daß die Bundesfachverbände bei aller Wahrung ihrer Eigenständigkeit und die Landessportbünde in der Jugendarbeit an einem Strang ziehen. Gab es bei der Formulierung der vom Arbeitsausschuß vorgelegten Vorschläge auch durchaus notwendige Kompromißformeln, wurde mit Recht die Zuständigkeit der Fachverbände in einigen Punkten stärker herauskristallisiert. Im Ziel hat sich nichts geändert!

Die Deutsche Sportjugend wird über diesen Aufgabenkomplex hinaus verstärkt und mit aller Intensität um eine ständige Erweiterung des Führungskaders bemüht bleiben. Das ist ihre permanente Aufgabe! Sie wird zugleich im Zeitalter des Aufbegehrens gegenüber dem Establishment mit der ihr eigenen Ruhe, Sachlichkeit und Neutralität die weitere Entwicklung sorgsam beobachten und dann Stellung beziehen, wenn sie es im Interesse ihrer Jugendarbeit für erforderlich hält. Sie wird ihre Aktivität auf dem internationalen Sektor ausbauen und ihre gesamte Arbeit schließlich auch auf das große Ziel des deutschen Sports ausrichten, auf die Olympischen Sommerspiele 1972 in München."


Sport als Träger der der deutsch-französischen Verständigung

Die beiden Väter des Vertrages zwischen Frankreich und Deutschland vom Januar 1963, Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, ahnten nicht, wie intensiv das Deutsch-Französische Jugendwerk die Beziehungen zwischen den früheren "Erzfeinden" auf die Basis menschlichen Kontaktes stellen sollte. Aus diesem I. Vertrag hervorgegangen, wurde am 5. Juli 1963 im Palais Schaumburg zu Bonn in Anwesenheit der beiden Staatsmänner von den Außenministern das Übereinkommen über diese Einrichtung unterzeichnet. Heute, fünf Jahre danach, gibt es viele Gründe, über die Feier des Geburtstages einer Institution hinaus Bilanz zu ziehen. Denn sie hat als vorbildliches Instrument zur Überwindung falscher Einstellungen schon die Weichen für ein Europäisches Jugendwerk der Zukunft gestellt.

Unter dem Patronat des DFJW wurden Hunderttausende junger Menschen zueinandergefuhrt, wurde das Verständnis für den Partner geweckt und vertieft. Dabei spielte der Sport eine bedeutsame Rolle.

Der Leiter der Sportabteilung Bonn mit Sitz in Rhöndorf, Hans Joachim Körner, kann genügend trockene Zahlen vorlegen, hinter denen sich ein unmeßbares Quantum Idealismus und menschlicher Begegnung verbirgt. Die beiden Abteilungen Bonn und Paris haben im Sport vier große Aufgabenbereiche zu bewältigen:

"1. Das Fundament, dieses Band zwischen beiden Nationen so eng wie möglich zu knüpfen, sind die Begegnungen auf Vereins- und Gruppenebene. Jährlich fördert das DFJW 700 bis 800 Treffen in Frankreich und 500 Sportbegegnungen in Deutschland, an denen mit den jeweiligen Partnern rund 100.000 junge Menschen beider Nationen teilnehmen. Der Sport wird zum "Vorwand", denn der Wettkampf schafft den wirkungsvollen Anlaß zum gegenseitigen Kennenlernen.

2. Der Leistungssport profitiert durch regelmäßige Kontakte von Trainern, Wissenschaftlern und die gemeinsame Benutzung der großen Zentren, wie Font Romeu oder Joinville jenseits oder Warendorf, Freiburg, Dortmund diesseits des Rheins. 1968 werden je 90 solcher Treffen in beiden Ländern durchgeführt.

3. Seminare über Themen aus allen Bereichen der Leibesübungen verbreiten Erkenntnisse: Fragen des Sportstättenbaus stehen ebenso zur Diskussion wie Probleme der Ausbildung von Sportlehrern oder sportmedizinische Erfahrungen.

4. Seit 1965 werden Lehrgänge für nicht vereinsgebundene Jugendliche in verstärktem Umfang durchgeführt. Die Franzosen haben in den Sportschulen des Verbandes der Freiluftsportzentren (UCPA) eine vorbildliche Einrichtung geschaffen, die für 150 gemeinsame Lehrgänge in fast einem Dutzend Sportarten zur Verfügung steht. Dank der Initiative von Hans Joachim Körner und in Zusammenarbeit mit den deutschen Fachverbänden werden ähnliche Chancen auch in Deutschland bei derzeit rund 30 Lehrgängen pro Jahr verwirklicht."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 11 / 16. März 2010, S. 29
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2010