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GESCHICHTE/228: Bedeutende Sportpersönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte - Teil 13 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 20 / 18. Mai 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Walter Kolb - ein Aufbaupolitiker mit turnerischem Engagement
Bedeutende Sportpersönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte (13)


Als am Nachmittag des 10. Dezember 1950 im Hodlersaal des hannoverschen Rathauses die Konstituierung des Deutschen Sportbundes vollendet war, war dies ganz wesentlich auch einem bedeutenden Kommunalpolitiker dieses ersten Nachkriegsjahrzehnts zu verdanken: dem Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb, ohne dessen zähe, kluge und geduldige Verhandlungsführung Ende der vierziger Jahre wohl auch kaum die ehemalige bürgerliche Deutsche Turnerschaft und die Arbeiterturnbewegung 1950 in einem vereinten Deutschen Turner-Bund zusammengeführt worden wären. Der Turnhistoriker Josef Göhler hat Kolb zu Recht auch als den Mann beschrieben, "den die Turner brauchten".

Walter Kolb wurde am 22. Januar 1902 in Bonn geboren, ging dort zur Schule und studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaft. Bereits als Student engagierte er sich für Demokratie und sozialen Fortschritt, war Mitbegründer des Republikanischen Studentenbundes und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und begann seine berufliche Laufbahn in verschiedenen Kommunalbehörden im Rheinland und in Westfalen. 1932 wurde er - als damals jüngster Landrat Preußens - zum Verwaltungschef des Landkreises Schmalkalden in Thüringen berufen. Während des Nazi-Regimes war Kolb als überzeugter Sozialdemokrat Verfolgungen und Verhaftungen ausgesetzt, musste sich eine neue berufliche Existenz aufbauen und wurde Anwalt in Bonn. Nach der Einberufung zur Wehrmacht (1941) wurde er noch im letzten Kriegsjahr durch die Gestapo verhaftet. Während eines Transports gelang ihm im Bergischen Land die Flucht.

Nach Kriegsende engagierte sich Kolb sofort beim Wiederaufbau; er wurde Regierungsvizepräsident, dann Oberbürgermeister und später Oberstadtdirektor von Düsseldorf. Am 1. August 1946 wählte man ihn zum Oberbürgermeister der im Krieg völlig zerstörten alten Freien Reichsstadt Frankfurt am Main. Er stand beim Wiederaufbau der Altstadt, des Römers und der traditionsreichen Paulskirche an vorderster Stelle und machte aus Frankfurt wieder eine bedeutende Handels- und Wirtschaftsmetropole.

Walter Kolb war im Frühjahr 1948 von Eugen Eichhoff für die Sache des Turnens gewonnen worden, als dieser in seiner Funktion als Vorsitzender des im Herbst 1947 gegründeten "Deutschen Arbeitsausschusses Turnen" (DAT) dem Frankfurter Oberbürgermeister nicht nur die Schirmherrschaft des Deutschen Turnfestes 1948 in Frankfurt, sondern auch die Übernahme seines Amtes als DAT-Vorsitzender anbot.

Kolb sagte zu, wurde beim Deutschen Turntag am 23. August 1948 in der Paulskirche zum Vorsitzenden des DAT gewählt und setzte in den folgenden beiden Jahren gegen viele Widerstände - vor allem von Seiten der damaligen Besatzungsmächte - die Gründung des Deutschen Turner-Bundes durch. Wenn diese Gründung beim Deutschen Turntag Pfingsten 1950 - wiederum in der Paulskirche - auch noch nicht offiziell proklamiert werden durfte, so konnte sie dann doch am 2. September 1950 zu nächtlicher Stunde von Walter Kolb feierlich auf dem Tübinger Marktplatz verkündet werden.

Kolb übernahm als Frankfurter Oberbürgermeister zahlreiche bedeutungsvolle Ehrenämter, vom Vorsitzenden des Hessischen Städtetages bis zum Präsidenten des Deutschen Tierschutzbundes. Er war Mitglied des Hessischen Landtags und - für den Sport wichtig - Vorsitzender des Sportausschusses des Deutschen Städtetages.

Acht Jahre führte er den Deutschen Turner-Bund, bis er am 20. September 1956 im Alter von erst 54 Jahren starb. In seinem Jahresbericht zum Deutschen Turntag 1956 in Regensburg, an dem er wegen seiner schweren Krankheit schon nicht mehr teilnehmen konnte, nannte er den Anschluss des Saarländischen Turnerbundes an den DTB am 29. Januar 1956 und den noch von ihm vorbereiteten Beschluss über den Bau der Deutschen Turnschule in Frankfurt als einige seiner schönsten Erlebnisse der letzten Jahre.

Sechs Turner trugen am 23. September 1956 den Sarg Kolbs vom Römer zur Trauerfeier in die Paulskirche, wo unter vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit Bundespräsident Prof. Theodor Heuss an der Spitze auch die deutschen Turn- und Sportführer Abschied nahmen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 20 / 18. Mai 2010, S. 24
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2010