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GESCHICHTE/229: Berlin - Beim Olympischen Kongreß 1930 - Vorentscheidung für Olympiabewerbung (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 21 / 25. Mai 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Beim IX. Olympischen Kongress 1930 in Berlin: Vorentscheidung für die Berliner Olympiabewerbung für 1936

Von Friedrich Mevert


Das letzte Mai-Wochenende vor 80 Jahren spielt in der deutschen Sportgeschichte eine besondere Rolle. Vom 25. bis 30. Mai 1930 fand in Berlin der IX. Olympische Kongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) statt, dessen Verlauf und insbesondere dessen Rahmenprogramm ganz wesentliche Bedeutung für die ein Jahr später erfolgte Vergabe der Olympischen Spiele 1936 hatte. Dem Kongress vorgeschaltet waren zwei Sitzungen des Exekutivkomitees des IOC vom 22. bis 24. März und am 22. Mai 1930 im Herrenhaus in Berlin. Es waren die ersten Sitzungen dieses IOC-Gremiums in Deutschland überhaupt.

Nach der Eröffnungsfeier am 24. Mai 1930 in der Aula der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität standen drei Themen im Mittelpunkt: die Neufassung des Olympischen Programms, die Amateurproblematik und der Sportstättenbau. Der Teilnehmerkreis von 125 Persönlichkeiten umfasste sowohl 31 Mitglieder des IOC als auch 53 Delegierte von 29 Nationalen Olympischen Komitees und 41 Vertreter von internationalen Fachverbänden. Deutschland war durch seine drei IOC-Mitglieder Theodor Lewald, Karl Ritter von Halt und Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, durch DRA-Generalsekretär Carl Diem sowie Alexander Dominicus, Ivo Schricker und Heinrich Pauli als Delegierte des Deutschen Olympischen Ausschusses vertreten. Bevor sich das Plenum des Kongresses mit den drei Hauptthemen befasste, waren diese bereits in zweitägigen Beratungen in Kommissionen eingehend diskutiert worden. Die Kommissionsergebnisse bildeten die Grundlage für die Beratungen und Beschlüsse.

Bezüglich der Olympischen Wettbewerbe (einschließlich Kunstwettbewerbe) wurde eine "Klassifikation" von Sportarten festgelegt, aus denen das jeweilige Organisationskomitee diejenigen auswählt, "die zu organisieren es selbst imstande ist." Zur Frage der Teilnahme von Frauen fand ein Antrag des belgischen IOC-Präsidenten Graf de Baillet-Latour keine Mehrheit, diese auf die Sportarten Turnen, Schwimmen, Eislauf und Tennis zu beschränken. Andererseits wurde aber auch ein Antrag abgelehnt, die Liste der bereits für Frauen offenen Sportarten zu erweitern.


Mehr Sportstätten für die breite Bevölkerung

Der Kommissionsbericht über den Sportstättenbau wurde vom Kongress einstimmig angenommen. Damit entsprach man auch den ursprünglichen Coubertinschen Vorstellungen, sich im IOC auch mit nichtolympischen Themen des Sports zu befassen. In dem Bericht wurde die Bedeutung von offenen Spiel- und Sportstätten gerade in städtischen Ballungszentren unterstrichen, weil diese - im Gegensatz zu teuren Großstadien nur für Spitzensportler - auch der ganzen Bevölkerung zugute kommen würden. Diese Forderungen des Olympischen Kongresses wurden besonders von der deutschen Delegation unterstützt.

Keine Veränderungen gab es zu dem zur Amateurproblematik bereits beim Prager Kongress 1925 gefassten Beschluss, dass die Erstattung von Verdienstausfall während der Teilnahme an den Olympischen Spielen nicht erlaubt sein sollte. Die weitere Beratung und Entscheidung wurde dann dem zuvor vom IOC-Exekutiv-Komitee gebildeten neuen IOC-Delegiertenrat übertragen, in den jeder internationale olympische Fachverband einen Vertreter entsenden konnte.


Positiver Eindruck für Berlins Olympiabewerbung

Ganz wichtige Auswirkungen hatte der Olympische Kongress aber für die Bewerbung Berlins um die Olympischen Spiele 1936, die im Rahmen der Eröffnungsfeier am 24. Mai offiziell an das IOC übergeben wurde. Der glanzvolle Verlauf der Veranstaltung und das Rahmenprogramm mit einem Empfang bei Reichspräsident von Hindenburg, sportlichen Vorführungen der Deutschen Hochschule für Leibesübungen und der Besichtigung der beeindruckenden Berliner Sportstätten schuf beste Voraussetzungen für die erfolgreiche Kandidatur. Dabei setzte sich Berlin dann 1931 in einer brieflichen Abstimmung des IOC mit 43 Stimmen durch, während auf den Mitbewerber Barcelona nur 13 Stimmen entfielen.

Der IX. Olympische Kongress in Berlin 1930 war übrigens der letzte Kongress des IOC für mehr als vier Jahrzehnte. Erst im Herbst 1973 wurde im bulgarischen Varna der X. Kongress durchgeführt, der mitten im "Kalten Krieg" in einem Land des Ostblocks unter dem Motto "Sport für eine friedliche Welt" stattfand und sich mit der Zukunft der Olympischen Bewegung befasste.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 21 / 25. Mai 2010, S. 17
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2010