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GESCHICHTE/235: Juni 1990 - Noch sechs Monate bis zur sportlichen Einheit Teil 12 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 22 / 1. Juni 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Juni 1990: Noch sechs Monate bis zur sportlichen Einheit (12)
DSB und DTSB verabreden eine Konzeption für die Vereinigung im deutschen Sport

Von Friedrich Mevert


Während in der Politik die Regierungen der Bundesrepublik und der DDR eine "Gemeinsame Erklärung" zur Regelung offener Vermögensfragen verabschiedeten (15.6.1990) und Bundestag und Volkskammer dem Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zustimmten (21.6.1990), waren im Sport die Grundsätze für die Vereinigung der beiden deutschen Dachorganisationen erarbeitet worden. Diese wurden am 28. Juni von DSB-Präsident Hans Hansen und DTSB-Präsident Martin Kilian in Berlin mit folgender Erklärung vorgestellt: "Als realistischer Weg zur Vereinigung im Sport (...) wird das folgende Programm angesehen:

1. Im Zeitraum der Länderbildung in der DDR (Herbst 1990) werden dort entsprechende Landessportbünde entstehen. Die Vereinigung des Sports in Berlin vollzieht sich durch den Beitritt des TSB Berlin (Ost) zum Landessportbund Berlin.

2. Die Landessportbünde in der DDR beantragen im Benehmen mit dem DTSB ihren Beitritt zum Deutschen Sportbund. Die Aufnahme würde nach der staatlichen Vereinigung wirksam, Abschnitt 4 ist dabei zu berücksichtigen.

3. Der DTSB nimmt bis zur staatlichen Vereinigung seine Funktion wahr und beschließt dann entsprechend den Statuten seine Auflösung.

4. Als Voraussetzung für die Aufnahme der Landessportbünde in der DDR in den Deutschen Sportbund müsste dessen Satzung geändert werden. Eine Strukturkommission des DSB bereitet diese Änderungen unter Berücksichtigung der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten der neuen Mitglieder vor.

5. Die Spitzenverbände und die übrigen Mitgliedsverbände des DSB vereinigen sich mit den Verbänden in der DDR zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlicher Form, aber so zügig wie möglich - im Hinblick auf ihre internationalen Bestimmungen und Verpflichtungen.

6. Nach dem Spitzengespräch am 28. Juni 1990 zwischen DSB und DTSB wird eine gemeinsame Kordinierungskommission (mit je einer Leiterin/einem Leiter und je einer Vertreterin/einem Vertreter jeder Fachkommission - jeweils beider Seiten) - soweit erforderlich - zusammentreten."

Ergänzend wurden die Ergebnisse der vier Fachkommissionen "Strukturen/Verwaltung/Finanzen", "Breitensport", "Leistungssport" und "Bildung/Ausbildung/Wissenschaft/Gesundheit zusammengefasst. Grundlage für die Vereinigung sollten sein: Ehrenamtliche Führung, föderalistische Strukturen, Selbständigkeit der Mitgliedsverbände, Freiheit und Freiwilligkeit der Sportausübung, parteipolitische Neutralität und weltanschauliche Toleranz, Gemeinnützigkeit und Subsidiarität.

Zwei Wochen zuvor hatte bereits am 16. Juni in Kienbaum die Mitgliederversammlung des NOK der DDR Prof. Joachim Weiskopf zum neuen Präsidenten gewählt und auch ein neues Statut verabschiedet.

Mit seinem neuen Präsidenten sah das DDR-NOK seine Hauptaufgabe darin, eine gemeinsame deutsche Olympiamannschaft schon für Albertville und Barcelona 1992 zu planen und deshalb eine baldige Fusion mit dem NOK der Bundesrepublik anzustreben. Dieses beschloss bereits eine Woche später bei seiner Präsidiumssitzung in Neu-Isenburg, durch einen Lenkungsausschuss den Prozess der olympischen Vereinigung zu beschleunigen. "Willi Daume möchte", so Steffen Haffner dazu in der FAZ, "dass die Sportler möglichst früh informiert werden, wie ihre Chancen für eine Olympiabewerbung sind. Denn bei einem gesamtdeutschen Team würden pro Disziplin nur noch drei statt bisher sechs Startplätze zur Verfügung stehen."

Ein Problem besonderer Art erfasste im Rahmen der weiteren Entwicklung mehr und mehr die Strukturen des DDR-Sports durch die Entlassungswelle im "aufgeblähten Verwaltungsapparat des Deutschen Turn- und Sportbundes, der zerschlagen werden müsse" so die DDR-Sportministerin Cordula Schubert. Auch DTSB- Pressesprecher Werner Neumann räumte ein, dass die Strukturen des DDR-Sports "für die Einheit des Sports passfähig" gemacht werden müssten, da es die "Riesenfinanzmittel wie vor der Wende" nicht mehr gäbe. Allein der DTSB hatte als zentralistische Organisation vor der Wende I3.500 hauptamtliche Angestellte, und der TSC Berlin beschäftigte - als Beispiel - 128 hauptamtliche Trainer und 25 technische Mitarbeiter. Geschätzt wurde nach einem ersten Kassensturz, dass dem DDR-Sport insgesamt über zwei Milliarden Mark aus öffentlichen Mitteln und quasi-öffentlichen Quellen zugeflossen seien.

Aus dem Juni 1990 ist aber auch auf folgende wichtige Daten hinzuweisen:

Am 18. Juni fordert Hans-Georg Moldenhauer, neuer Präsident des Fußballverbandes der DDR (DFV), eine Beschleunigung der Vereinigung im Fußball. Ähnlich hatte sich kurz zuvor der Vorsitzende des Bundesliga-Ausschusses Gerhard Mayer-Vorfelder geäußert.
Am 21. Juni beschlagnahmt die DDR-Regierung das gesamte Vermögen des DTSB und stellt es unter staatliche Treuhandschaft.
Am 30. Juni erlässt der DDR-Ministerrat eine Verordnung, wonach gemeinnützige Sportvereine künftig die öffentlichen Sportstätten in der DDR unentgeltlich benutzen können.
Am selben Tag läuft die Förderung deutsch-deutscher Sportbegegnungen mit dem Inkrafttreten der Währungsunion am 1. Juli aus. Mit diesem Förderprogramm, für das das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen 12,7 Millionen DM bereitgestellt hatte, waren im ersten Halbjahr 1990 über die Landessportbünde rund 10.000 Begegnungen zwischen Vereinen aus der Bundesrepublik und der DDR bezuschusst worden.

Einige Daten aus der Politik:

Am 17. Juni gedenken Mitglieder der Volkskammer und des Bundestages im Berliner Schauspielhaus gemeinsam des Volksaufstandes in der DDR vom 17. Juni 1953.
Am 27. Juni billigen Bundesregierung und DDR-Ministerrat das Abkommen über die Aufhebung der Personenkontrollen an der innerdeutschen Grenze zum 1. Juli 1990.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 22 / 1. Juni 2010, S. 29
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2010