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GESCHICHTE/266: November 1990 - Noch einen Monat bis zur sportlichen Einheit - Teil 17 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 44 / 2. November 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

November 1990: Noch einen Monat bis zur sportlichen Einheit (17)
Olympische Vereinigung erfolgte im Berliner Reichstag

Von Friedrich Mevert


Spätestens mit den Neuwahlen bei der Mitgliederversammlung am 16. Juni 1990 in der Sportschule Kienbaum, bei der der parteilose und politisch unbelastete Leipziger Zahnmediziner Prof. Joachim Weiskopf die Führung des NOK der DDR übernahm und den Übergangspräsidenten Günther Heinze ablöste, begann eine entscheidende Phase im Vereinigungsprozess.

Der gemeinsam von beiden NOK gebildete Lenkungsausschuss mit drei Arbeitsgruppen hatte bei seinen Sitzungen vielschichtige strukturelle, finanzielle, soziale, aber auch personelle Fragen zu beraten, die oft nicht einfach zu lösen waren. Auch IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch schaltete sich als Gast beider Komitees bei einem Besuch im noch geteilten Berlin als Mittler ein, auch hinsichtlich der künftigen deutschen Repräsentation im IOC. Als am Nachmittag des 17. November 1990 Willi Daume im Berliner Reichstag zum Abschluss des Vereinigungsfestaktes der beiden NOK erklärte, dass nun "das Nationale Olympische Komitee in der Zuständigkeit für ganz Deutschland, verpflichtet den olympischen Prinzipien, seine Arbeit aufgenommen" habe, waren dieser festlichen Stunde zuvor noch zwei getrennte Mitgliederversammlungen in Berlin vorausgegangen. Dabei stimmte im Roten Rathaus in Berlin-Mitte das DDR-NOK formell der bevorstehenden Vereinigung zu und beschloss seine eigene Auflösung zum 31. Dezember 1990. Das NOK für Deutschland erweiterte seine Zuständigkeit auf das seit dem 3. Oktober bestehende erweiterte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Zahlreiche Vereinigungen gab es im Monat November auch bei den Spitzenverbänden des deutschen Sports, beginnend am 3. November mit dem Beitritt der fünf neuen ostdeutschen Landesverbände zum Deutschen Hockey-Bund beim außerordentlichen DHB-Bundestag in Hürth. Am 18. November in Berlin schlossen sich die neuen Badminton-Landesverbände dem Deutschen Badminton-Verband an. In Leipzig, wo neunzig Jahre zuvor am 28. Januar 1900 der Deutsche Fußball-Bund gegründet worden war, kam es am 21. November beim außerordentlichen Bundestag des DFB durch den Beitritt des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) zur Vereinigung auch im Fußballsport. Tags zuvor war hier der Deutsche Fußball-Verband der DDR aufgelöst und der NOFV als fünfter Regionalverband des DFB. begründet worden.

Gleich drei Beitrittsvereinigungen gab es bei entsprechenden Verbandstagen am 24. November, durch die Basketballer in Hagen, durch die Leichtathleten in Salzgitter und durch die Modernen Fünfkämpfer in Darmstadt. Wenige Tage später wurde dann die sportliche Einheit auch in Berlin vollzogen, wo die Zusammenarbeit zwischen den Sportorganisationen des West- und des Ostteils der Stadt durch die Initiative des damaligen LSB-Präsidenten Manfred von Richthofen bereits ein Jahr früher, am Buß- und Bettag 1989, mit einer gemeinsamen Pressekonferenz in den Stadionterassen begonnen hatte. Am 29. November löste sich der TSB Berlin (Ost) mit Wirkung zum 31. Dezember 1990 auf und brachte am 30. November seine rund 65.000 Mitglieder in den mehrfach größeren Landessportbund Berlin ein.

In Bonn hatte das Bundesinnenministerium am 22. November 1990 den 7. Sportbericht der Bundesregierung veröffentlicht. In dem mehr als 260 Seiten starken Bericht, den die Bundesregierung jeweils im Vierjahres-Abstand dem Bundestag vorlegt, nahmen die Auswirkungen der deutschen Einheit auf die Sportförderung einen wesentlichen Raum ein. Bei der Vorlage des Berichtes betonte der Parlamentarische BMI-Staatssekretär Carl-Dieter Spranger (CSU), dass es nie einen Zweifel daran gegeben habe, den Sport im vereinten Deutschland nach den bewährten demokratischen Strukturen in der Bundesrepublik zu organisieren. Schwerpunkte der Förderung würden - so Spranger - der Erhalt und die Modernisierung zentraler Einrichtungen des Spitzensports in den neuen Bundesländern, die Finanzierung von Trainern und die Sicherung des sozialen Umfeldes der Athleten sein. Spranger wies auch darauf hin, dass die Bundesregierung vom Ausmaß der abrissgefährdeten oder renovierungsbedürftigen Sportanlagen in der ehemaligen DDR überrascht gewesen sei. BMI-Sportabteilungsleiter Erich Schaible ergänzte: "Das übertrifft alle negativen Erwartungen." Man könne sich nur wundern, in welchen Einrichtungen der ehemalige DDR-Sport Spitzenleistungen vorbereitet habe.

Auch Bundeskanzler Helmut Kohl sagte sechs Wochen nach der politischen Einheit in einem Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid) dem vereinten Sport weitere Unterstützung zu. Er warnte aber auch vor übertriebenen Erwartungen an internationale Erfolge, da man nicht einfach die bisherigen Medaillen der alten Bundesrepublik und der früheren DDR addieren könne, zumal ja auch zahlreiche Startplätze wegfallen würden. Zwar falle - so Kohl - der Aufbau der neuen Strukturen des Sports in die Autonomie des Sports, doch bot er gleichzeitig die Hilfe der Bundesregierung bei dieser Aufgabe an, insbesondere durch "erhebliche Mittel für die Sicherung der erhaltenswerten Spitzensporteinrichtungen."


Aufbau in den neuen Landessportbünden

Zwischen den Landessportbünden der sog. "alten" Bundesländer und den im September neu gegründeten entsprechenden Organisationen in den "neuen" Ländern der ehemaligen DDR hatten sich zwischenzeitlich enge Paten- und Partnerschaften entwickelt, die auch zahlreiche Kreis- und Stadtsportbünde sowie Vereine auf beiden Seiten der ehemaligen Zonengrenze mit einschlossen. Die Aufnahme der fünf mittel- und ostdeutschen Landessportbünde Ende Oktober in die Ständige Konferenz der Landessportbünde des DSB bewirkte zusätzliche Unterstützung in zahlreichen Bereichen, vor allem auch in der Schaffung finanzieller Grundlagen für die neugeschaffenen demokratischen Organisationsstrukturen.

So sollte erreicht werden, dass diese nach bundesdeutschem Beispiel angemessen an den Erlösen der ebenfalls neu zu bildenden Toto-Lotto-Gesellschaften beteiligt und auch in die Trägergesellschaften dieser Wettspielinstitutionen einbezogen wurden. Diese Anliegen - aber z.B. auch die unverzügliche Einrichtung von öffentlichen Sportverwaltungen in den Kommunen und Kreisen der neuen Länder - wurden von DSB-Präsident Hans Hansen gemeinsam mit den jeweiligen LSB-Präsidenten in Gesprächen mit den neuen Landesregierungen nachdrücklich vertreten.

Die Notwendigkeit dieser Aufgabenstellung betonte auch der in Hannover neugewählte Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Landessportbünde, Berlins LSB-Präsident Manfred von Richthofen, Anfang November im Interview mit dem DSB-Pressedienst: "Es muss sichergestellt werden, dass die neugegründeten Landessportbünde in ihrer Startphase alle erforderlichen Hilfen erfahren, damit sie bei den jetzt anstehenden Verhandlungen mit ihren Landesregierungen eine günstige und starke Ausgangsposition erhalten. Es muss von vornherein sichergestellt werden, dass der Sport zwischen Elbe und Oder künftig eine seiner Bedeutung angemessene Position einnehmen wird, wie wir sie in den Alt-Bundesländern erreicht haben. Die Schaffung von Sportausschüssen in den Länderparlamenten und eine sparsame, aber bedarfsgerechte Ausstattung der Sportverwaltungen sollte sich von selbst verstehen."

Die Öffnung der innerdeutschen Grenze zwölf Monate zuvor führte durch die Sportvereine insbesondere von Niedersachsen aus, dem Bundesland mit der längsten Grenze zum Gebiet der ehemaligen DDR, zu einer Vielzahl von Begegnungen, die weit über den sportlichen Wettkampf hinausgingen. In den meisten Fällen hatten diese Begegnungen auch langjährige Vereinspartnerschaften zur Folge. Dies zeigte sich auch bei der Endabrechnung im November 1990 der bis zum 30. Juni durch die Bundesregierung durch Zuschüsse geförderten deutsch-deutschen Begegnungen. Über 1.200 entsprechende Anträge waren allein in der Verwaltung des LSB Niedersachsen gegenüber der zuständigen Bonner Dienststelle abgerechnet worden. Hinzu kamen zahlreiche nicht geförderte und deshalb auch nicht registrierte Sportbegegnungen. Ein besonderes Netz der Unterstützung und Hilfestellung war aber auch schon bald für den Aufbau eines flächendeckenden Organisationsgeflechts im Rahmen von Kreis- und Städtepartnerschaften entstanden, das nach der Verwirklichung der staatlichen Einheit am 3. Oktober und kurz vor dem sportlichen Zusammenschluss im Dezember besonders eng geknüpft wurde. Auch hierzu einige Beispiele aus Niedersachsen allein aus dem Monat November: Mit dem Vorhaben, dem Kreissportbund Reichenbach bei seiner Umwandlungsphase weitreichende Unterstützung zu gewähren, kehrte eine Delegation des Kreissportbundes Grafschaft Bentheim von einer mehrtägigen Informationsreise aus dem Vogtland zurück. "Zuschüsse von der Stadt Gotha sind nicht zu erwarten. Wir bauen auf die ehrenamtliche Tätigkeit", erfuhren die Vorstandsmitglieder des KSB Salzgitter bei ihren Informationsgesprächen beim Kreissportbund Gotha, bei denen es sowohl um einen Erfahrungsaustausch wie auch um gegenseitige Ratschläge ging. Bei den befreundeten Kreissportbünden in Pasewalk und Königswusterhausen gab es Hilfestellung durch eine Delegation des KSB Aurich bei zahlreichen Gesprächen.

"Ihr habt unseren Durst gestillt, und damit meine ich sowohl unseren Wissensdurst als auch das gemütliche Beisammensein," erklärte der Vorsitzende des Kreissportbundes Grimmen (Vorpommern) zum Abschluss einer dreitägigen Informationsreise beim KSB Osterholz. Dass die benachbarten Kreissportbünde Wernigerode und Goslar aus dem Harz künftig enger partnerschaftlich zusammenarbeiten wollen, betonte der Wernigeroder KSB-Vorsitzende als Gastredner beim Kreissporttag in der Kaiserstadt, der ganz im Zeichen der Wiedervereinigung stand. Und ein schriftliches Dankeschön erreichte den Stadtsportbund Göttingen vom Kreissportbund Wurzen: "Durch diese konstruktive Hilfe und Unterstützung hat sich unsere Erwartung, Informationen für den Auf- und Ausbau der Verbandsorganisation zu erlangen, voll erfüllt."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 44 / 2. November 2010, S. 22
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2010