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GESCHICHTE/280: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 109 (DOSB)



DOSB-Presse Nr. 7 / 15. Februar 2011
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1976/1: Dritter Sportbericht der Bundesregierung erschienen
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 109)

Eine Serie von Friedrich Mevert

Im Olympiajahr 1976 mit den Winterspielen in Innsbruck und den Sommerspielen in Montreal hatte sich das DSB-Präsidium in seiner Sitzung am 23./24. Januar 1976 in Frankfurt zunächst ausführlich mit Steuerfragen zu befassen, da die zuvor im Deutschen Bundestag verabschiedete Abgabenordnung nicht die erwartete steuerliche Entlastung der gemeinnützigen Sportvereine erbracht hatte. Eine Woche später - am 30. Januar - brachte Bundesinnenminister Prof. Werner Maihofer (FDP) den Dritten Sportbericht der Bundesregierung als Leistungsbilanz der Sportförderung 1974/75 im Bonner Bundestag ein und betonte dabei den Geist der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Sportorganisationen.


Die Sportdebatte im Parlament eröffnete der Bundesminister mit einer Grundsatzrede:

"Der Dritte Sportbericht der Bundesregierung gibt eine Leistungsbilanz der Sportförderung des Bundes für die Jahre 1974 und 1975, im Breiten- und Freizeitsport wie im Hochleistungs- und Spitzensport. Die Sportförderung weist für die Jahre 1974 und 1975 Sportfördermittel des Bundes von insgesamt 216 Millionen DM und 229 Millionen DM und somit gegenüber dem Förderungsbetrag von 150 Millionen DM 1969 eine Steigerung von insgesamt rund 50 Prozent auf.

Das sind selbst dann beachtliche Zahlen, wenn man bedenkt, dass beim Breiten- und Freizeitsport der Förderungsschwerpunkt mit über 2 Milliarden DM bei Ländern und Gemeinden liegt. Entscheidend ist, dass in allen diesen äußerlichen Ziffern sichtbar wird, welchen hohen Rang der Staat dem Sport heute in unserem Lande zuerkennt. Das gilt nicht zuletzt auch für die Förderung des Hochleistungs- und Spitzensports, die im Mittelpunkt der Sportförderung des Bundes steht. Lassen Sie mich das beispielhaft an den im Haushalt meines Ressorts veranschlagten Förderungsmitteln für sogenannte zentrale Maßnahmen auf dem Gebiete des Sports verdeutlichen, die vor allem dem Hochleistungs- und Spitzensport zugute kommen.

Sie haben sich von 1969 bis 1975 nahezu verdreifacht. 1969 standen noch 11,2 Millionen DM zur Verfügung. 1975 waren es bereits knapp 33 Millionen DM. Bezieht man darin die Mittel ein, die seit 1971 gesondert für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft im eigenen Haushaltstitel veranschlagt sind, so steht der Förderungssumme 1969 im Jahre 1975 ein Förderungsbetrag von fast 40 Millionen, also rund 250 Prozent mehr als im Vergleichsjahr, gegenüber. Im Jahre 1976 sind für zentrale Maßnahmen sogar rund 37,7 Millionen DM in Aussicht genommen. Für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft sind rund 8 Millionen DM vorgesehen. Dies zusammen ergibt ein Mehr von über 300 Prozent gegenüber den entsprechenden Ansätzen im Jahre 1969. Auch bei allen diesen beachtlichen Zahlen und Steigerungen muss man sich bewusst bleiben, dass es sich hier nur um die Spitzenförderung des Bundes handelt, der eine erhebliche Breitenförderung von Ländern und Gemeinden vorausgeht, vor allem aber die Eigenförderung des Sports selbst zugrunde liegt, mit über 14 Millionen Mitgliedern der größten Bürgerinitiative, die wir in unserem Lande überhaupt kennen. Auch bei einer Debatte des Parlaments über die Sportpolitik der Bundesregierung dürfen wir nie aus dem Auge verlieren: Der Sport ist vor allem anderen eine Sache des Sports selbst. Das heißt, prinzipiell formuliert: Die Bundesregierung geht bei ihrer Sportpolitik aus von dem Prinzip der Autonomie des Sports und damit zugleich vom Prinzip der Subsidiarität bei der Sportförderung des Staates.

Diese grundsätzliche Haltung des Staates schließt jede Art von Dirigismus und Reglementierung des Sports durch den Staat aus. Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Hände in Gemeinden, Ländern und Bund greifen nur da ein, wo die eigenen Kräfte der Selbstorganisation des Sports in den Vereinen, den Landesverbänden oder den Bundesverbänden nicht ausreichen.

Autonomie des Sports und Subsidiarität der Sportförderung durch den Staat schließen andererseits die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Sport und Staat ein. Sie hat nicht nur bei jeder Art von Gesetzgebung mit Auswirkung auf den Sport durch verantwortliche Beteiligung der Sportorganisationen schon im Beratungsstadium in Regierung und Parlament zu erfolgen. Sie hat ebenso aber auch bei der Planung und Durchführung von Förderungsmaßnahmen in enger Zusammenarbeit zwischen Staat und Sport zu erfolgen, wie dies inzwischen in den sogenannten Planungs- und Realisierungsgesprächen mit den Bundesfachverbänden des Sports auch vonseiten der Bundesregierung laufend geschieht. (...)   


Dem Spitzensportler eine faire berufliche Chance geben

Um dem Spitzensportler, der im Interesse der gesamtstaatlichen Vertretung unseres Sports Opfer bringt und - wie ich einmal gesagt habe - auf einige Jahre buchstäblich Lebensverzicht leistet, eine faire Chance auch im beruflichen Leben zu geben, bedarf es zugleich seiner sozialen Betreuung. Sie ist ein entscheidender Faktor seiner Motivation heute überhaupt. Ich meine die Förderung am Mann, die von der sozialen Absicherung während der Ausübung des Leistungssports bis hin zur schulischen und beruflichen Förderung während, aber auch nach der sportlichen Laufbahn reichen muss. Wenn wir hier nicht den Staatsamateur östlicher Prägung, sondern eine unserer freiheitlichen Gesellschaft angemessene Regelung haben wollen, so kann diese Aufgabe nur durch private Bürgerinitiative gelöst werden, wie sie die Stiftung Deutsche Sporthilfe übernommen hat.

Die Stiftung Deutsche Sporthilfe versucht hierzu die private Spendenbereitschaft zu mobilisieren. Unbefriedigend ist freilich - auch das muss man nüchtern feststellen -, dass inzwischen die finanzielle Basis der Stiftung nur noch zu einem geringeren Teil auf eingeworbenen privaten Mitteln beruht und die öffentliche Hand in immer stärkerem Maße durch Umschichtung der finanziellen Lasten der Stiftung auf den eigenen Haushalt sowie mittelbar durch andere Initiativen für die Lebensfähigkeit der Stiftung Deutsche Sporthilfe Sorge tragen muss. Die Bundesregierung wird die Stiftung allein im Jahre 1976 deshalb um rund 2 Millionen DM von bestimmten, von ihr zunächst übernommenen Aufgaben entlasten. (...)   

Nun, ich will nicht den Eindruck hervorrufen, als ob wir Grund hätten, mit Sport und Sportförderung in unserem Lande restlos zufrieden zu sein, so schön die Zahlen glänzen, auch einige, die ich Ihnen hier vorgeführt habe. Hierbei meine ich weniger den allseits zu recht beklagten Nachholbedarf in der Sportwissenschaft als vielmehr die beklagenswerte Situation im Schul- und Hochschulsport.


Manches hoffnungsvolle Talent muss verkümmern

Die Überintellektualisierung unseres Bildungssystems hat in dieser Hinsicht - im Unterschied etwa zu den USA und zu Großbritannien - ein Vakuum entstehen lassen, durch das die Chance verlorengeht, den Sport auch als Bildungsfaktor wirklich zum Tragen zu bringen, in der Schule ebenso wie in der Hochschule. Darüber hinaus - und dies möchte ich als der für den Spitzensport zuständige Minister des Bundes besonders beklagen - bedeutet die Misere vor allem des Schulsports zugleich die entscheidende Kalamität auch in der Talentsuche und Talentförderung überhaupt. Manches hoffnungsvolle Talent muss so einfach verkümmern, weil es nicht rechtzeitig entdeckt oder gar gefördert werden kann. Hierunter leidet auch die an sich sehr erfolgversprechende Aktion Jugend trainiert für Olympia, denn wie eine Umfrage ergeben hat, kommen die Spitzentalente selbst in der Schulzeit fast ausschließlich aus den Vereinen und nicht aus den Schulen.

Auf diesem Gebiet des Sports an Schule und Hochschule müssen wir weiter ansetzen, um grundlegende Wandlungen der heute noch unbefriedigenden Lage des Breitensports wie des Spitzensports in unserem Lande herbeizuführen. Deshalb sollen alle, die für diesen Bereich verantwortlich sind, sich an einem Tisch zusammenfinden, um gemeinsam einen Weg aus der gegenwärtigen Misere unseres Schul- und Hochschulsports zu suchen.

Aus der Sicht des Bundes könnten für die hier gebotenen Schritte nach vorn der Bundeswettbewerb "Jugend trainiert für Olympia", die Bundesjugendspiele, die Förderung wissenschaftlicher Kooperationenmodelle zur Integration von Schul- und Vereinssport sowie schließlich eine Fortschreibung des "Aktionsprogramms für den Schulsport" Ansatzpunkte bieten. Ein Diskussionsforum für alle diese Initiativen wäre sicher auch die Deutsche Sportkonferenz, in der alle Sachverständigen aus Staat und Sport in Bund und Ländern zusammenwirken. (...)   


Auf dem Weg zu einer angemessenen Forderung des Sports

Wie ich zu verdeutlichen versucht habe, sind wir erst auf dem Wege zu einer angemessenen Förderung des Sports in unserem Lande. Wir sollten nüchtern genug sein einzugestehen, dass wir unsere Ziele auch weiterhin nur Schritt für Schritt, das ist sicher ein mühseliger und langwieriger Weg, erreichen können.

Wir sehen deshalb - dieses abschließende Wort sei mir gestattet - der bevorstehenden großen Herausforderung der Olympischen Spiele nur mit skeptischem Optimismus entgegen. Sollten sich jedoch auch nur unsere gedämpften Erwartungen erfüllen, wird auch dies uns in unserer Entschlossenheit nur bestärken, auf dem bisher eingeschlagenen Weg der Sportförderung in einem freiheitlichen Staat in dem Geist Partnerschaftlichen Zusammenwirkens mit dem freien Sport tatkräftig weiterzugehen. Schon in seinen ersten Anfängen erweist er sich ala ein erfolgversprechender Weg."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 7 / 15. Februar 2011, S. 17
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2011