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GESCHICHTE/284: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 113 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 11 / 15. März 2011
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1977/ I: Sportministerkonferenz der Länder konstituierte sich in Bonn
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 113)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Zehn Minister und sechs Staatssekretäre hoben am 6. Juni 1977 in Bonn die Sportministerkonferenz der Länder der Bundesrepublik (SMK) aus der Taufe. Dieses neue Koordinationsorgan wählte auf seiner konstituierenden Sitzung den nordrhein-westfälischen Kultusminister Jürgen Girgensohn für zwei Jahre zum Vorsitzenden. Sein Stellvertreter wurde der Sozialminister von Rheinland-Pfalz, Heiner Geißler.

Die Sportministerkonferenz, die jährlich einmal tagen soll, stellte sich zur Aufgabe, die Koordinierung der Sportförderung in den Ländern zu verbessern sowie die Interessen der Bundesländer im Sport auf nationaler und internationaler Ebene wahrzunehmen. Die Konferenz beschloss daher, regelmäßige Konsultationen mit dem Deutschen Sportbund (DSB) und den kommunalen Spitzenverbänden durchzuführen.

Das Gremium vertrat die Auffassung, ein ständiges Koordinationsorgan aus Vertretern des Bundes, der Länder und des Deutschen Sportbundes einzusetzen, um die internationalen Sportprobleme, wie auf den Europäischen Sportkonferenzen und den Tagungen der Unesco, zu erörtern und um bei solchen internationalen Konferenzen mit einer Stimme aufzutreten. Da die Länder und der DSB sich über eine solche Abstimmung einig waren, stand noch die Stellungnahme des Bundes aus. Minister Girgensohn sah aber "keine Schwierigkeiten" bei der Realisierung. In der Deutschen Sportkonferenz (DSK) wollten die Länder zunächst durch Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vertreten sein. Ferner sollten auch die Innenminister- und die Finanzministerkonferenz entweder beratend oder mit Stimmrecht um die Mitwirkung in der DSK gebeten werden.

Im Vierten Sportbericht der Bundesregierung vom 3. August 1978 gab der für die Sportförderung des Bundes zuständige Bundesminister des Innern zur Gründung dieser neuen Konferenz folgende Erklärung ab:

"Der Bundesminister des Innern hält im Interesse einer koordinierten Sportförderung die enge Kooperation der Sportminister der Länder und des Bundes für erforderlich. Er hat deshalb schon zu Beginn des Jahres 1977 eine Sportministerkonferenz der Länder und des Bundes angeregt. Die entsprechenden Vorbereitungen im Rahmen der Arbeitstagungen der Sportreferenten des Bundes und der Länder konnten seinerzeit nicht zum Abschluss gebracht werden, da die Initiativen der Länder nur auf den Zusammenschluss der Sportressorts der Länder zielten. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass sich am 6. Juni 1977 die 'Konferenz der Sportminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland' konstituierte.

Die Konferenz der Sportminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland besteht derzeit aus 16 Länderministern. In ihr sind sowohl die Ressorts für allgemeinen Sport als auch die Ressorts für Schulsport vertreten. In ihrer 1. Sitzung haben die Sportminister der Länder beschlossen, die Sportministerkonferenz als ständiges Gremium zur Koordinierung der Sportförderung in den Ländern und zur Wahrnehmung der Interessen der Länder im Bereich des Sports auf nationaler und internationaler Ebene zu institutionalisieren. Zum ersten Vorsitzenden wurde der Kultusminister des Landes Nordrhein Westfalen für die Dauer von zwei Jahren gewählt.

Die 2. Sitzung der Sportminister der Länder fand am 6. März 1978 statt. Auf der Tagesordnung standen die Ergebnisse der Spitzengespräche, die von führenden Vertretern der Sportministerkonferenz mit dem Deutschen Sportbund, der Ministerpräsidentenkonferenz und den kommunalen Spitzenverbänden geführt worden waren.

Es wurden außerdem insbesondere Fragen der Kooperation, u.a. zwischen der Sportministerkonferenz der Länder und der Bundesregierung erörtert. Die Bundesregierung geht davon aus, dass eine koordinierte, länderübergreifende Sportförderung nur erreicht werden kann, wenn bei künftigen Sitzungen der Sportministerkonferenz der Länder die ständige Beteiligung des Bundes sichergestellt ist. Hierüber sind Gespräche vorgesehen."



Plädoyer für die tägliche Sportstunde

Mit einem Plädoyer für die tägliche Sportstunde wurde im Oktober 1977 die seit Jahren andauernde Diskussion zur Misere des Schulsports um einen interessanten kinderärztlichen Aspekt bereichert. Professor Dr. Kurt Nitsch, Kinderarzt am Krankenhaus Siloah in Hannover, hatte in einem Beitrag für die Zeitschrift der Deutschen Sportjugend, "Olympische Jugend", Forderungen an Staat und Gesellschaft präzisiert, die auch politisches Gewicht haben: Professor Nitsch war seinerzeit Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

"1. Schon in den ersten sechs Lebensjahren werden wichtige Grundlagen für die körperliche Entwicklung gelegt; dem Lebensraum, dem Freiraum und dem Spielraum der jungen Kinder muss mehr Bedeutung zuerkannt werden, damit die Schule nicht auf Schäden trifft, die sie kaum noch ausgleichen kann.

2. Aus der Sicht der Bildungsplaner ist die tägliche Sportstunde eine Illusion. Aus der Sicht der Kinderärzte ist sie eine Notwendigkeit. Man sollte interdisziplinär beraten, wie man diese scheinbar unvereinbaren Gesichtspunkte trotzdem unter einen Nenner bekommen kann.

3. Hauptaufgabe des Schulsports ist es, Freude an der Bewegung zu wecken, Neigungen und Eignungen jedes einzelnen Schülers schon frühzeitig zu erkunden und die sportlich weniger begabten mit allen möglichen Mitteln zu fördern. Die sportlich begabten und zum Leistungssport geeigneten Schüler sollten frühzeitig Möglichkeiten haben, in Neigungs- und Eignungsgruppen - sowie in Sportvereinen Förderung zu erfahren. Leistungssport kann bei richtiger Beaufsichtigung und richtiger pädagogischer Führung nur Nutzen bringen.

Die trostlose Situation in bezug auf die körperliche Entwicklung unserer Kinder kann sicher nur zum Teil durch verbesserten Schulsport behoben werden. Bisher ist es aber in keiner Weise gelungen, den politisch Verantwortlichen klarzumachen, wie bedeutsam eine ungestörte körperliche Entwicklung für einen jungen Menschen und seine Zukunft ist."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 11 / 15. März 2011, S. 23
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2011