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GESCHICHTE/315: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 137 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 39 / 27. September 2011
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1982/II: Weyer: "Der soziale Dienst des Sports ist unbezahlbar"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 137)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Im "Bericht des Präsidenten" auf dem Bundestag des DSB am 21./22. Mai 1982 in Düsseldorf befasste sich Willi Weyer in einer kämpferischen Rede mit dem Verhältnis von Sport und Staat und betonte, dass der Sport Partner im gesellschaftlichen Raum sei und nicht Bittsteller sein wolle.


Nachstehend Auszüge aus Weyers Vortrag:

"Das Engagement des Bürgers und die Hilfen öffentlicher Hände sind eng miteinander verbunden. Es geht um die weitere Ausgestaltung der Eigeninitiative der Vereine und das freiwillige Engagement ihrer Helfer, das nicht durch falsche Sparschritte mutlos gemacht oder lahmgelegt werden darf.

Der Sport ist keine Girlande, die der Staat nach Lust und Laune auf- und abhängen kann. In der vor uns liegenden Zeit des knappen Geldes wird es sich deshalb zeigen, was die Aussagen der politischen Parteien zum Sport wert sind,

- ob der dem Sport zugesprochene gesellschaftliche Stellenwert gesichert ist oder ob er wieder ans Ende der Förderungsschlänge abgeschoben werden darf;

- ob die bewährte Selbsthilfe des Freiwilligen-Heeres des Sports ausgeweitet oder noch mehr mit administrativen Auflagen überzogen werden soll;

- ob sich die Eigenverantwortung des Bürgers weiter mobilisieren lässt oder der Staat mit der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst alles in den Griff nimmt.

Dies ist der kritische Punkt: Je weiter die Entscheidungsfreiheit der freien Gesellschaftsgruppen durch politische Bevormundung oder immer neue Einwirkungen der Administration eingeengt wird, desto mehr vermindert sich die freiwillige Leistung ihrer Helfer und ihrer Freunde, noch für andere zu arbeiten. Diese freiwilligen Helfer wirken schließlich nicht in unseren Vereinen mit, um sich auch hier noch mit staatlichen Verfügungen herumschlagen zu müssen, die sie aus dem täglichen Leben bereits hinreichend kennen. Sie wollen vielmehr etwas für die solidarische Gemeinschaft des Sports tun und daran nicht gehindert sein. Wenn man die Dinge so sieht, geht es letztlich um die soziale Funktion des Sports. Der Staat kann in dieses Engagement seiner Bürger nicht einspringen. Er kann weder die soziale Leistung bringen noch hat er die Mittel dafür. Bund, Länder und Gemeinden müssen daher gerade in einer Zeit der leeren Kassen alles dafür tun, das autonome Wirken der Vereine weiter auszugestalten und nicht noch mehr einzugrenzen. (...)

Wir brauchen keine schönen Worte mehr, Taten sind gefordert! Die im DSB zusammengeschlossene Bewegung hat mit ihren Leistungen hinreichend bewiesen, dass sie volles Vertrauen verdient. Die Vorstellungen des Präsidiums des DSB laufen deshalb auf Vereinfachung, Einsparung am richtigen Ort und mehr Verantwortung für die Verbände und Vereine hinaus. Wir wollen Partner des Staates sein, aber nicht seine Bittsteller! Die Grundlagen für diese Partnerschaft lassen sich aus den Programmen, Wahlplattformen, Leitsätzen für den Sport oder Aussagen führender Persönlichkeiten der Parteien des Deutschen Bundestages leicht ablesen. Sie sind ein guter Wegweiser, denn die Wahrheit dieser Orientierungen kann doch wohl nicht mit dem Finanzbarometer steigen oder fallen. (...)

Natürlich hängt das Ringen um die stabilisierte Position des Vereins untrennbar mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen zusammen, mit den immer weiter wachsenden Leistungen des Sozialstaates, die längst an die Grundprinzipien unseres freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens rühren, wonach doch eigentlich so wenig wie möglich Staat gewünscht sein soll. Politik und Staat sollten es eigentlich wissen, dass sie in ihren Entscheidungen nicht mehr ohne den Sport auskommen, wenn sie die wirklichen Bedürfnisse der Bürger und die sozialen Anforderungen der Gesellschaft erfüllen wollen. Das Leben unserer Menschen ist ohne den sozialen Dienst des Sports nicht mehr denkbar! Schon vor 100 Jahren hatte Rudolf Virchow als Arzt und Politiker der sportlichen Bewegung eine Kraft zugesprochen, 'an der eine kluge Politik nicht achtlos vorübergehen kann'. (...)

Ohne die Leistungen ehrenamtlicher Helfer kann ein freiheitlicher, demokratischer und sozialer Rechtsstaat nicht auskommen. Wir wollen unsere freiwilligen Helfer ermutigen und den politischen Führern klarmachen, was sie anrichten würden, wenn sie diese treuen Diener unseres Gemeinwesens jetzt, wo es darauf ankommt, allein im Regen ihrer täglichen Anspannung stehenlassen.

Wie sollten wir denn wohl die groß angekündigte 'soziale Offensive im Sport' ohne angemessene öffentliche Vereinshilfen, z.B. für Übungsleiter, ohne die erforderlichen Anlagen, ohne steuerliche und bürokratische Entlastung durchstehen? Wie sollten wir die ehrenamtlichen Mitarbeiter noch motivieren, wenn man sie mit immer mehr Verwaltungs-Quatsch überzieht und ihnen die Zeit mit Formularen - die eigentlich allerdings auch aus den Verbands-Bürokratien kommen - stiehlt, Zeit, die sie für ihre eigentliche Aufgabe dringend benötigen?

Müssen wir denn erst auch noch auf die Straße gehen, streiken oder demonstrieren, Aussteiger oder Leistungsverweigerer werden, um mit unseren Vorstellungen gebotene Aufmerksamkeit zu finden? Wir stehen zu diesem Staat! Das hat die Turn- und Sportbewegung hinreichend bewiesen. Doch wer hält zu uns? Parteiamtliche Organe schelten uns 'stinkkonservativ', und auf ihrem Parteitag werden alle erwähnt, nur der Sport nicht, obwohl der DSB auf deren Sport-Kongressen 1978 in Köln und 1980 in Dortmund aktiv mitgewirkt hat. Hat er nicht genügend Krach gemacht? Folgte er zu leicht einer Empfehlung der sozial-liberalen Koalition, als er den Moskauer Spielen 1980 fernblieb? Hinterher den Athleten zu sagen, man habe den Sportorganisationen ja die Freiheit der

Entscheidung gelassen, zeugt nicht von Bekennermut. Vielleicht liegt in dieser Art, Politik zu treiben, sogar ein wesentlicher Grund für die Unglaubwürdigkeit der Politiker - nicht nur bei der Jugend. (...)"


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 39 / 27. September 2011, S. 28
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2011