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GESCHICHTE/332: Vor 60 Jahren - Olympische Winterspiele 1952 wieder mit deutscher Beteiligung (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 6 / 7. Februar 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Im Februar vor 60 Jahren in Oslo
Olympische Winterspiele 1952 wieder mit deutscher Beteiligung

von Friedrich Mevert


Sieben Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte sich in Europa das sportliche Leben wieder weitgehend normalisiert. Erstmalig fanden 1952 die Olympischen Winterspiele in einem skandinavischen Land statt, von wo aus der moderne Skisport ein Jahrhundert früher seinen Siegeszug durch angetreten hatte. Mit der Teilnahme von Wintersportlern aus 30 Nationen gab es eine neue Höchstzahl. Portugal und Neuseeland waren erstmalig, Japan und Deutschland - 1948 in St. Moritz als Kriegsschuldländer vom IOC noch ausgeschlossen - wieder dabei.

Bei der 45. IOC-Session im Mai 1951 in Wien hatte die Versammlung der Olympier die endgültige Anerkennung des 1949 gegründeten bundesdeutschen NOK beschlossen und auf der Grundlage der Existenz auch eines ostdeutschen DDR-Komitees eine Einigung der Sportführer beider deutscher Teilstaaten mit dem Ziel der Bildung einer gesamtdeutschen Mannschaft empfohlen. Unmittelbar nach dieser Wiener IOC-Entscheidung trafen am 17. Mai 1951 Vertreter beider deutscher Komitees in Hannover zu ersten Verhandlungen zusammen, die jedoch keinen Erfolg brachten.

Wenige Tage später konkretisierte das IOC-Exekutivkomitee daraufhin im Beisein von west- und ostdeutschen Vertretern die Wiener Empfehlungen und gab darüber ein Kommunique heraus, in dem einstimmig festgelegt wurde, "dass für die Olympischen Spiele 1952 die besten deutschen Amateursportler ausgewählt würden, ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz und nur in Übereinstimmung mit den Olympischen Regeln". Obwohl die Aufstellung einer gemeinsamen Mannschaft unter sportlichen Gesichtspunkten kein Problem gewesen wäre, brachten die folgenden gesamtdeutschen Beratungen - insbesondere im November 1951 in Hamburg und Kassel - aus politischen Gründen keine Lösung. So nahmen schließlich 53 bundesdeutsche Sportlerinnen und Sportler an den Spielen in der norwegischen Hauptstadt teil, die sich zuvor bei Ausscheidungskämpfen im Rahmen der VII. Internationalen Wintersportwoche in Garmisch-Partenkirchen qualifiziert hatten. Die Teilnahme einer eigenen DDR-Mannschaft hatte das norwegische Organisationskomitee unter Hinweis auf das einzig vom IOC anerkannte bundesdeutsche NOK abgelehnt.


Die Spiele im Mutterland des Skisports

Insgesamt 22 Wettbewerbe waren in Oslo ausgeschrieben worden, und mit Ausnahme von Abfahrt und Riesenslalom konnten alle Disziplinen in unmittelbarer Nähe der norwegischen Hauptstadt ausgetragen werden. Über 500.000 Zuschauer sorgten nicht nur für eine gute finanzielle Grundlage, sondern trugen als fachkundige und faire Beobachter an den einzelnen Wettkampfstätten durch ihre Begeisterung ganz wesentlich zu einem imposanten Rahmen und einer sportlichen Atmosphäre bei. Das Olympische Feuer hatten die Veranstalter nicht aus Griechenland geholt, sondern in der norwegischen Landschaft Telemark entzündet, wo die Wiege des nordischen Skilaufs stand, und dann über drei Tage durch 94 Skiläufer ins Osloer Bislet-Stadion bringen lassen, wo König Hakon VII die Spiele am Vormittag des 15. Februar feierlich eröffnete.

Die Gastgeber hatten sich vor allem auf die nordischen Skiwettbewerbe hervorragend vorbereitet und konnten den sieggewohnten Finnen in mehreren Disziplinen das Nachsehen geben. So feierten 130.000 begeisterte Zuschauer auf der Holmenkollen-Schanze am Stadtrand der norwegischen Hauptstadt einen Doppelsieg im Skispringen durch die Norweger Bergmann und Falkanger, so gewann Simon Slattvik die Goldmedaille in der Nordischen Kombination aus Sprung und Lauf, und so gab es schließlich durch Hallgeir Brenden auch einen klaren Langlaufsieg über 18 Kilometer. Die anderen drei nordischen Wettbewerbe, 50-Kilometer-Lauf Männer, 10-Kilometer-Lauf Frauen und 4x10-Kilometer-Staffel der Männer, endeten allerdings mit finnischen Erfolgen.

Die alpinen Wettbewerbe standen bei den Damen ganz im Zeichen der 19jährigen Amerikanerin Andrea Lawrence-Mead, die im Riesenslalom und Spezialslalom siegte und im Abfahrtslauf nur durch einen Sturz um ihre Medaillenchance kam. Die in Oslo schon 28jährige Mirl Buchner aus Deutschland konnte sich drei Medaillen erkämpfen: Silber in der Abfahrt sowie Bronze im Spezial- und Riesenslalom. Noch größere Chancen hätte sie 1948 in St. Moritz gehabt, wo sie als Deutsche nicht starten durfte.

Bei den Herren gab es drei verschiedene Sieger in den alpinen Konkurrenzen: Zeno Colo (Italien) in der Abfahrt, Stein Eriksen (Norwegen) im Riesenslalom und Othmar Schneider (Österreich) im Spezialslalom. Nur die Spezialslalom-Wettbewerbe konnten am Rødkleiva-Hang in der Nähe von Oslo durchgeführt werden; mit Abfahrt und Riesenslalom musste man in das 120 Kilometer entfernte Noregebirge nach Norefjell ausweichen.

Rekordzuschauerzahlen gab es auch bei den in Norwegen sehr populären Eisschnelllaufwettbewerben, bei denen die Gastgeber einen dreifachen Erfolg von Hjalmar Andersen bejubeln konnten, der über 1.500, 5.000 und 10.000 Meter Gold für Norwegen holte und gleichzeitig neue olympische Rekordzeiten lief. Einen Doppelsieg für die USA gab es über die Sprintstrecke von 500 Meter. Im Eiskunstlaufen gingen die Goldmedaillen an Aktive aus drei Ländern. Dick Button (USA) verteidigte bei den Herren seinen Sieg von St. Moritz souverän und bei den Damen gewann die Engländerin Jeanette Altweg. Einen klaren deutschen Erfolg gab es im Paarlauf durch Ria Baran und Paul Falk, die im gleichen Jahr heirateten und als Profis in einer Eisrevue glanzvolle Erfolge feierten.

Auf der Naturbahn in den Frognerseter-Bergen dominierten die schwergewichtigen deutschen Bobs mit Anderl Ostler an der Spitze sowohl im Zweier- wie im Viererbob und holten mit klarem Vorsprung beide Goldmedaillen. Dabei brachten die vier Schwergewichtler in Ostlers Bob insgesamt 473,5 Kilo auf die Waage. Letztmalig wurden in Oslo die Bobwettbewerbe ohne Gewichtsbeschränkung ausgetragen. Der Sieg im Eishockeyturnier fiel erneut an Kanada, das sich lediglich gegen die Nachbarn aus den USA ein Unentschieden leistete, die sich vor Schweden die Silbermedaille holten. Im Medaillenspiegel hatten die Gastgeber mit sieben Gold-, drei Silber- und sechs Bronzemedaillen klar die Führung vor den USA (4/6/1) und Finnland (3/4/2). Als Vierter folgte die deutsche Mannschaft (3/2/2).


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 6 / 7. Februar 2012, S. 22
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2012