Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/337: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 156 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 11 / 13. März 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1985/I: Zweites Aktionsprogramm für den Schulsport
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 156)

Eine Serie von Friedrich Mevert


In einer gemeinsamen Veranstaltung übergaben Kultusministerkonferenz (KMK), kommunale Spitzenverbände und DSB am 17. April 1985 in Bonn das Zweite Aktionsprogramm für den Schulsport der Öffentlichkeit, das einen Rahmen bis zum Jahr 2000 stecken sollte. Bereits in der Präambel dieses Zweiten Aktionsprogramms räumten die Partner ein, dass nicht alle Forderungen der "Empfehlungen für die Förderung der Leibeserziehung in den Schulen" von 1956 und des "Aktionsprogramms für den Schulsport" von 1972 bisher verwirklicht werden konnten. Aber "die gemeinsame Verantwortung für die sportliche Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen" veranlassten die Bundesländer, den DSB und die kommunalen Spitzenverbände dazu, auch dieses Zweite Aktionsprogramm für den Schulsport in partnerschaftlicher Trägerschaft zu vereinbaren. Zur Verwirklichung des in sieben Kapiteln detailliert ausgearbeiteten Programms wurde die "verantwortliche Mitwirkung" der Lehrer, Eltern, Parlamente, Schulverwaltungen, Schulträger, Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeber, Ausbildungsbetriebe, Hochschulen und Ärzte angemahnt.

Der Bundesminister für Wissenschaft und Bildung begrüßte in einer gesonderten Erklärung das Aktionsprogramm und sagte zu, die Länder, kommunalen Spitzenverbände und den DSB bei der Verwirklichung des Programms zu unterstützen.


Auszüge aus dem Zweiten Aktionsprogramm:

"(...) Die gemeinsame Verantwortung für die sportliche Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen und der grundsätzliche Zusammenhang des Schulsports mit dem außerschulischen Sport veranlassen die Länder, den Deutschen Sportbund und die kommunalen Spitzenverbände, auch dieses "Zweite Aktionsprogramm für den Schulsport" in partnerschaftlicher Trägerschaft zu vereinbaren."

In Kapitel 1 "Sport als besonderer Erziehungs- und Erfahrungsraum" wird festgestellt, dass Sport "ein anerkannter Bildungsbereich und fester Bestandteil schulischer Erziehung" ist. "Seine Bedeutung wird noch dadurch verstärkt, dass das Leben des Menschen in unserer Gesellschaft zunehmend durch technische Entwicklungen mitbestimmt wird. Während dies in vielen Lebensbereichen positive Auswirkungen haben kann, besteht jedoch zugleich auch die Gefahr des Bewegungsmangels, einseitiger körperlicher Beanspruchung und damit allgemeiner gesundheitlicher Beeinträchtigung. Viele Menschen sind zudem durch Vereinsamung und enge berufliche Spezialisierung sozial und emotional belastet. (...)"

Kapitel 2 "Sport in der Schule" beschreibt den Sport als Beitrag zum Schulleben:

"Der Schulsport, dessen Kern der Sportunterricht ist, der aber auch außerunterrichtliche Formen umfasst, ist in hohem Maße geeignet, zur vielfältigen Bereicherung des schulischen Lebens beizutragen. Er wirkt nicht nur ausgleichend gegenüber manchen Belastungsformen des Schulalltags, sondern ermöglicht Schülern, in altersgemäßen Formen Mitverantwortung zu übernehmen, mit Lehrkräften zusammenzuarbeiten, die Schule nach außen zu vertreten und sich in ihr selbstgestaltend zu erleben. Darüber hinaus eröffnet er für Eltern, Lehrer und Schüler Begegnungsmöglichkeiten und trägt damit zur Stärkung der Schulgemeinschaft bei.

Dies kann gleichzeitig helfen, dass Schüler Distanz zur Schule abbauen und sich leichter mit ihr identifizieren. Schulsport kann das Bewusstsein sozialer und kultureller Verbundenheit durch gemeinsames Gestalten und Erleben von Schul- und Sportfesten, Spielen und Wettkämpfen wirkungsvoll unterstützen. Als Handlungsraum, der Spontanität ebenso erfordert wie planerisches Denken, Durchsetzungsvermögen wie Sensibilität, Leistungsstärke des einzelnen wie Solidarität mit Schwächeren, kann der Sport in der Schule Probleme im Sozialverhalten verringern und jene Spannungen positiv wirksam werden lassen, die aus unterschiedlichen Begabungen, Neigungen und Temperamenten resultieren. Diese im Sport liegenden pädagogischen Möglichkeiten werden seit Jahren zunehmend genutzt. Zu ihrer Förderung bedarf es auch künftig qualitativer Verbesserungen des Sports in der Schule, vor allem auch durch den weiteren Ausbau außerunterrichtlicher Sportaktivitäten und Berücksichtigung des Sports bei fächerübergreifenden Projekten.

Ein solches Verständnis von Schulsport bietet die Möglichkeit, dem Schüler an Bewegung gebundene Erlebnisse und Erfahrungen zu vermitteln, ihn zur aktiven Gestaltung seiner Freizeit und auf die Mitwirkung im außerschulischen Sport vorzubereiten, zu gesunder Lebensführung anzuleiten, zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Sport in unserer Gesellschaft zu bewegen und ihn dadurch im Sport handlungsfähig zu machen.

Die Vielfalt der möglichen Zielsetzungen des Sports in der Schule muss erhalten bleiben. Sie wäre gefährdet, wenn einzelne Aspekte - insbesondere aufgrund außerschulischer Forderungen - einseitig in den Vordergrund gerückt würden. Es ist darauf hinzuwirken, dass die musisch-ästhetische Seite des Sports in allen Schulstufen/Schularten zum Tragen kommt."

In Kapitel 3 "Übergreifende Gesichtspunkte des Schulsports" werden vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung des Schulsports Aussagen zum Sportunterricht und zum außerunterrichtlichen Schulsport getroffen, und zwar in den Abschnitten

3.1 Allgemeine Entwicklung des Schulsports

3.2 Sportunterricht

3.3 Außerunterrichtlicher Schulsport/ weitere Schulsportveranstaltungen

3.4 Sportförderunterricht

3.5 Sport der behinderten Schüler

Kapitel 4 befasst sich mit dem Sport in den verschiedenen Schularten und Schulstufen (einschließlich Berufsschulen und Sonderschulen), Kapitel 5 mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Sportlehrkräfte und Kapitel 6 mit den Sportstätten und Sportgeräten.

Kapitel 7 stellt die "Zusammenarbeit von Schule und Sportverein als Partner" in den Mittelpunkt. Dazu heißt es u. a.:

"Für die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Sportverein sind wichtig:

- Systematische Auswertung schulsportlicher Veranstaltungen für die Talentsuche durch Vereine/Verbände, z. B. des Bundeswettbewerbs der Schulen "Jugend trainiert für Olympia";

- Entwicklung und Anwendung sportart- bzw. sportbereichsgebundener Kriterien für Erkennung und Förderung von Talenten;

- kontinuierlicher Ausbau der "begleitenden Betreuung" jugendlicher Leistungssportler auch durch die Schule (Hausaufgabenbetreuung, Stützunterricht, Internate, usw.);

- Intensivere Betreuung von leistungsschwächeren Schülern auch in Sportvereinen;

- Stabilisierung der Vereinsmitgliedschaft zum Zeitpunkt des Wechsels in das Berufsleben, insbesondere bei Schülerinnen;

- Entwicklung von angemessenen Hilfen für Schüler, deren Integrationsprobleme durch Sport verringert werden können, z. B. für Ausländer und Behinderte;

- weiterhin verstärkte Mitarbeit von Sportlehrern in Vereinen und Verbänden;

- gemeinsame Angebote von Schule und Verband in der Sportlehrerfortbildung;

- Einrichtung von Schülersportgemeinschaften auch mit durchschnittlichem Leistungsanspruch;

- gemeinsame Vorschläge für Bau, Ausstattung und Nutzung von Sportstätten.

Im Sinne partnerschaftlicher Kooperation müssen Schulsport und Vereinssport noch stärker aufeinander zugehen; dabei sind der Datenschutz und das Elternrecht zu berücksichtigen." In der abschließenden Bereitschaftserklärung der unterzeichnenden Institutionen heißt es:

"Der Wert von Beschlüssen ist daran zu messen, ob gesetzte Ziele verwirklicht, Defizite behoben und Fehlentwicklungen vermieden werden. (...) Mit Ihrer Zustimmung zum "Zweiten Aktionsprogramm für den Schulsport" bringen seine Träger ihre Bereitschaft und Entschlossenheit zum Ausdruck, ihre schulsportlichen Planungen und Entscheidungen in den kommenden Jahren im Rahmen ihrer politischen Zielsetzungen und finanziellen Möglichkeiten sowie ihrer Zuständigkeiten hieran zu orientieren und durchzusetzen.

Die Verwirklichung des "Zweiten Aktionsprogramms für den Schulsport" hängt ferner von der Beteiligung und Mitarbeit aller Gruppen und Institutionen ab, die für die Erziehung der Jugend Verantwortung tragen. Sie bedarf der verantwortlichen Mitwirkung der Lehrer, Eltern, Parlamente, Schulverwaltungen, Schulträger, politischen Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen, Ausbildungsbetriebe, Ärzte, Hochschulen und Kirchen."


*


Quelle:
DOSB-Presse Nr. 11 / 13. März 2012, S. 27
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Tel. 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2012