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GESCHICHTE/338: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 157 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 12 / 20. März 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1985/II: Leitlinien empfehlen Einrichtung von Olympiastützpunkten
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 157)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Vor allem die Ergebnisse der Olympischen Spiele 1984 in Sarajewo und Los Angeles waren der Anlass sowohl für die sportfachliche Standortbestimmung wie auch für die Beratung der künftigen Entwicklungstendenzen im Spitzensport. Die Auswertungs- und Planungsgespräche der Spitzenverbände mit dem Bund und dem Bundesausschuss Leistungssport (BAL) des DSB, die Überlegungen im NOK und in der Stiftung Deutsche Sporthilfe sowie die Diskussionen bei der Sitzung des Hauptausschusses am 8. Juni 1985 in Hannover führten zu Veränderungen in der Förderung des Spitzensports.

Die bei dieser Sitzung angenommenen Leitlinien für den Spitzensport beinhalteten insgesamt 14 Leitsätze mit Darstellungen der vorhandenen Defizite und Vorschlägen für konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung eines wirksamen Fördersystems für den Spitzensport.

Kapitel 1 der Leitlinien beschreibt die Zielsetzung:

"Der Deutsche Sportbund und seine Mitgliedsorganisationen, das Nationale Olympische Komitee für Deutschland und die Stiftung Deutsche Sporthilfe werden die ihnen für den Spitzensport zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Sportlerinnen und Sportlern hohe Leistungen zu ermöglichen und die bisherige Position im Weltsport zu festigen und zu verbessern. Dafür haben sie diese Leitlinien entwickelt.

Dieses Konzept hat nicht die Absicht, Prinzipien und Ziele des Spitzensports zu beschreiben. Dies ist in der Charta des deutschen Sports (1966) und in der Grundsatzerklärung für den Spitzensport (1977, 1983) geschehen. Die Grundsätze für einen humanen Spitzensport sind in ihnen festgelegt. Es hat vielmehr zum Ziel, konkrete Vorschläge für eine wirksamere Arbeit im Spitzensport zu machen.

Dieser Plan beinhaltet kurz- und langfristige Perspektiven zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1988, die dazwischenliegenden Welt- und Europa-Meisterschaften und darüber hinaus sowie für die Welt- und Europameisterschaften nichtolympischer Sportarten. Sie sind jetzt in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Gleichzeitig wird damit die Diskussion um Grundsatz- und Strukturfragen fortgeführt.

In der Bundesrepublik Deutschland bestehen grundsätzlich alle Voraussetzungen dafür, dass unsere Sportlerinnen und Sportler herausragende Leistungen erreichen können. Das Leistungsniveau im internationalen Spitzensport wird weiter steigen. Dies zeigt auch die Auswertung der Ergebnisse der Olympischen Winter- und Sommerspiele 1984. Es ist deshalb zu erwarten, dass es unsere Olympiamannschaften schon 1988 schwer haben werden,

- sich im Wintersport zu verbessern und - bei den Sommerspielen in der Weltspitze zu behaupten.

Um das - in den konkreten Maßnahmen gesteckte - Ziel zu erreichen, sind Verbesserungen in der Organisation der Leistungsförderung, erhebliche materielle Mehraufwendungen, sonstige Maßnahmen, vor allem aber auch die Bereitschaft der Spitzensportlerinnen und Spitzensportler erforderlich, hohe Belastungen auf sich zu nehmen."

Kapitel 2 geht auf die Problematik der Förderung des Spitzensports ein und zeigt beispielhaft wesentliche Problemfälle auf.

Eine Situationsbeschreibung mit Defiziten und Leitsätzen für die künftige Arbeit wird im Kapitel 5 dargestellt. Die wichtigsten Forderungen waren (auszugsweise):

- Eine individuelle Laufbahnplanung für die Sportler, denn dem Sportler kann es nur in den seltensten Fällen gelingen, Höchstleistungen zu erreichen, wenn in einem der notwendigen Teilbereiche des Förderungssystems Defizite bestehen bzw. Fehler gemacht werden. Der Athlet braucht ein günstiges sportliches Klima sowie wirkungsvolle Hilfe sportlicher und außersportlicher Art. Es ist erfreulich, dass der Vorstand der Stiftung DSH bereits im März 1985 beschloss, denjenigen Athleten, die sich mit berechtigten Chancen auf die Olympischen Spiele vorbereiten, eine Optimalförderung zu gewähren. Diese Optimalförderung soll längerfristig - bei Abstimmung von Laufbahnplanung im Beruf und Sport - finanzielle und ideelle Voraussetzungen für den Trainings- und Wettkampfprozess schaffen.

- Schaffung der Voraussetzungen für die Sportler - im Sinne eines Angebots -, innerhalb ihrer Laufbahnplanung die Hochleistungsphase unter optimalen Bedingungen absolvieren zu können. Dafür wird die Einrichtung von sogenannten Olympia-Stützpunkten empfohlen.

- Damit verbunden ist die Forderung nach Beseitigung des größten Defizits unseres Systems - nach der vermehrten Einstellung von qualifiziertem Betreuungspersonal.

- Die Verwirklichung der Leitsätze, besonders im Frauen- und Nachwuchsbereich macht die weitere Differenzierung und konsequente Anwendung der Kooperationsgrundsätze und des Förderungskonzepts für den Spitzensport erforderlich.

Das letzte Kapitel der ausführlichen Leitlinien befasst sich ausführlich mit der Einrichtung von Olympiastützpunkten und hat folgenden Wortlaut:

"4.2 "Olympiastützpunkte" - Nutzung geeigneter Bundes-Leistungszentren und -Stützpunkte Die Nutzung geeigneter Bundes-Leistungszentren und -Stützpunkte als "Olympiastützpunkte" ist eine Konsequenz aus diesen Leitlinien. Es müssen Voraussetzungen geschaffen werden, um den Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern ein Angebot unterbreiten zu können, innerhalb ihrer Laufbahnplanung die Hochleistungsphase unter optimalen Bedingungen zu absolvieren.

Um schon für die Vorbereitung der Olympia-Kernmannschaften auf die Olympischen Spiele 1988 wirksam zu werden, sollen die Grundlagen für ihre berufliche Entwicklung und ihre sportliche Laufbahn baldmöglichst verwirklicht werden.

Dies erfordert Überlegungen, wie mit geeigneten Organisationsstrukturen der personelle, materielle und finanzielle Aufwand in ein vernünftiges Verhältnis zu ihrer Wirksamkeit gebracht werden. Bei Berücksichtigung der allgemeinen gesellschaftlichen Bedingungen in der Bundesrepublik Deutschland und der in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Leistungsstrukturen der Spitzenverbände und der vom DSB/Bundesausschuss Leistungssport und anderen Institutionen geschaffenen Einrichtungen zur Wahrnehmung der für den Hochleistungssport notwendigen flankierenden Maßnahmen, wird die Errichtung solcher Olympiastützpunkte empfohlen.

Organisation, Einrichtung und Ausstattung dieser Olympiastützpunkte müssen so gehalten sein, dass sie einerseits eine anregende Atmosphäre für den Hochleistungssport sichern, andererseits aber auch geeignet sind, den Sportlerinnen und Sportlern das Gefühl eines Zuhauses zu geben, gleichgültig, ob sie intern untergebracht sind oder als Externe den Service und die Möglichkeiten der Olympiastützpunkte wahrnehmen. Es ist das Ziel, damit zentrale Kommunikationsstellen für alle beteiligten Athleten, Trainer, Betreuer und Funktionäre zu schaffen.

Als Olympiastützpunkte werden solche Einrichtungen gewählt und weiterentwickelt werden, die bereits als Bundesleistungszentren oder Bundesstützpunkte bestehen und die notwendigen Einrichtungen vorweisen können, die für dieses Konzept erforderlich sind. Die Trainingsstätten müssen möglichst nahe an dem Olympiastützpunkt liegen und sollten dort, wo dies nicht bereits der Fall ist, auf einen möglichst modernen Stand verbessert werden.

Von großer Bedeutung für die Anhebung der Qualität des Trainings wird es sein, eine enge Verbindung zu Institutionen herzustellen, die geeignet sind, im Sinne von flankierenden Maßnahmen methodische, technische und praktische Hilfen leisten zu können.

Für solche Hilfen ist an erster Stelle die enge Zusammenarbeit mit einem sportmedizinischen Zentrum zu nennen, von dem wissenschaftliche Unterstützung bei der Trainingssteuerung, Beratung in Fragen der allgemeinen Prävention, der Ernährung, der Rehabilitation u. a. m. sowie die Sofortbehandlung akuter Verletzungen oder Erkrankungen erwartet wird. Die Zusammenarbeit mit einem biomechanischen Institut kann außerdem wichtige Forschungs- und Messergebnisse liefern.

Unterhalb dieser wissenschaftlichen Ebene ist eine technische Abteilung einzurichten, die in Zusammenarbeit mit Athleten, Trainern und Wissenschaftlern vielfältige Hilfen für den Trainingsbetrieb liefert wie u. a. Entwicklung, Pflege und Wartung der trainingsdidaktischen Medien, Schnellinformation, Trainings- und Wettkampfgeräten.

Der Olympiastützpunkt - ergänzt durch Möglichkeiten der Nähe von Schulen und Hochschulen verschiedener Typen, Bundeswehr und Wirtschaft, die für Spitzensportler aufnahmebereit sind - sollte für erfolgsorientierte Spitzensportler ein derart attraktives Angebot sein, dass die Bereitschaft, sich einem solchen Olympiastützpunkt anzuschließen, ohne jeglichen Dirigismus erreicht werden dürfte.

Gemessen am heutigen Stand des praktischen und theoretischen Wissens kann davon ausgegangen werden, dass die beschriebene Infrastruktur des Spitzensports eine Grundlage für hohe sportliche Erfolge der Mannschaften der Bundesrepublik Deutschland bieten."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 12 / 20. März 2012, S. 21
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012