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GESCHICHTE/354: Helsinki 1952 - Die Sowjetunion gibt ihr Olympisches Debüt (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 26 / 26. Juni 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Helsinki 1952: Die Sowjetunion gibt ihr Olympisches Debüt

Von Friedrich Mevert



In der finnischen Hauptstadt wurde im Sommer 1952 ein Begriff Wirklichkeit, der auch schon vorher oft gebraucht worden war, aber meist kaum zutraf: die olympische Völkerfamilie feierte vor 60 Jahren das Fest der Jugend der Welt. Die Finnen waren in diesen Jahren nicht nur eines der führenden Sportvölker in Europa, sie boten den Aktiven und Touristen aus aller Welt auch eine Gastfreundlichkeit, die bis dahin ihresgleichen suchte. Die problematische Unterbringungsfrage wurde weitgehend durch Privatquartiere und Zeltlager gelöst; die finnische Armee bemühte sich mit Gulaschkanonen um die Verpflegung; die Sportanlagen wurden mit einfachen Mitteln erweitert und für die olympische Bewährung hergerichtet.

Die Spiele der XV. Olympiade fanden vom 19. Juli bis 3. August 1952 in Helsinki, seiner Umgebung und mit dem Fußballturnier in einigen weiteren finnischen Städten statt. Die Segelwettbewerbe wurden vor der Insel Harmaja ausgetragen. Insgesamt nahmen 69 Länder mit 4.925 Sportlern (darunter 518 Frauen) an den Wettbewerben in 20 Sportarten teil. Damit wurden die bisherigen Höchstzahlen klar übertroffen. Damals gingen zwei deutsche Mannschaften an den Start, die der Bundesrepublik und die des Saarlandes, das seinerzeit noch eine selbständige politische Einheit war. Noch nicht zugelassen waren Sportler aus der DDR, deren Olympisches Komitee vom IOC zu diesem Zeitpunkt noch nicht anerkannt war.

Ihr olympisches Debüt aber feierten mit großen Erfolgen die Sportler aus der UdSSR. Die Sowjetunion hatte nach sorgfältiger Planung und langfristiger Aufbauarbeit im April 1951 um die Aufnahme in das IOC nachgesucht und war bei der IOC-Session im Mai des gleichen Jahres in Wien auch aufgenommen worden. Damit begann auch im Sport der verhängnisvolle Wettkampf der politisch-gesellschaftlichen Systeme von Ost und West, der auch den Olympischen Spielen viel von ihren ursprünglichen Zielsetzungen nahm.

Beim Streifzug durch die Siegerlisten der Leichtathletik stößt man auf viele prominente Athleten wie den Zehnkämpfer Bob Mathias, den Kugelstoßer Parry O'Brien (beide USA), den 1.500-m-Überraschungssieger Josy Barthel (Luxemburg) oder den brasilianischen Dreispringer Ferreira da Silva, doch ein Läufer übertraf alle, denn er siegte in allen drei Wettbewerben, die er bestritt: Emil Zatopek, wegen seines unverwechselbaren Laufstils die "tschechische Lokomotive" genannt, begann mit dem Sieg über 10.000 Meter, kämpfte dann über 5.000 Meter den Franzosen Mimoun und den Deutschen Herbert Schade im Endspurt nieder und erlief sich schließlich auch noch die Goldmedaille über die Marathonstrecke. Während seines 5.000-Meter-Sieges gewann gleichzeitig seine Frau Dana Zatopekova die Goldmedaille im Speerwerfen.

Im Turnen erwiesen sich die Russen bei den Männern wie den Frauen auf Anhieb als die Besten der Welt und gewannen die Mehrzahl der Goldmedaillen. Nachdem der Internationale Reiterverband (FEI) die unsportliche Bestimmung abgeschafft hatte, dass nur Offiziere an den olympischen Wettkämpfen teilnehmen konnten, waren erstmals auch vier Reiterinnen in der Dressur an den Start gegangen, von denen sich die 41jährige Dänin Lis Bartel trotz eines von Kinderlähmung gelähmten Beines sogar die Silbermedaille erkämpfte. Den Großen Preis der Nationen gewann die Equipe von Großbritannien, die Mannschaftswettbewerbe in der Dressur und in der Military fielen beide an die schwedischen Reiter.

Ein Streifzug durch die Schwerathletik zeigt, dass im Gewichtheben alle Rekorde gebrochen wurden. Die Goldmedaillen teilten sich hier die Amerikaner und Sowjets. Bei den Ringern war die UdSSR am erfolgreichsten, bei den Boxern dafür die USA mit einem überragenden Mittelgewichtler Floyd Patterson an der Spitze.

Die Organisation der Helsinki-Spiele stand unter der Leitung von Baron Erik von Frenckell, damals auch Oberbürgermeister der finnischen Hauptstadt. Sie wurden später die "Spiele der reichen Herzen" genannt. Dazu passt auch, dass als vorletzter Läufer der Fackelstaffel der unvergessene Paavo Nurmi das Olympische Feuer in das Olympiastadion tragen durfte, wo später am 3. August mit dem Singen der finnischen Nationalhymne diese Spiele einfach und doch bewegend ausklangen.

Die 205köpfige deutsche Mannschaft, deren Fahne beim Einmarsch der deutsche Zehnkampfmeister und spätere Sportpolitiker Friedel Schirmer getragen hatte, kehrte zwar ohne Goldmedaille, jedoch mit sieben Silber- und 17 Bronzemedaillen heim. Die Kosten für ihre Entsendung hatte damals noch zu 60 Prozent die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG), die erst ein Jahr vorher gegründet worden war, aus Spenden getragen.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 26 / 26. Juni 2012, S. 27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2012