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GESCHICHTE/362: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 176 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 34 / 21. August 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1988/VI: DSB verschärft Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 176)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Eine verschärfende Ergänzung der Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings stand im Mittelpunkt der 34. Sitzung des Hauptausschusses des DSB am 3. Dezember 1988 in Mainz. Zu Beginn der Tagung war DSB-Präsident Hans Hansen in seinem "Bericht zur Lage" bereits auf die aktuelle Situation nach den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul eingegangen und hatte dabei u. a. erklärt:

"In Seoul ging das Wort von Alberto Juantorena um: Der Kommerz ist an allem schuld! Gemeint waren damit elf Dopingfälle, die vier Olympiasiegern ihr olympisches Gold kosteten. Am spektakulärsten war der Fall von Ben Johnson und seinem 100-m-Weltrekord. Die Aussage des früheren kubanischen Olympiasiegers hat sich sehr schnell als Bluff herausgestellt: Denn von den elf Athleten kamen sieben aus sozialistischen Ländern - ohne Kommerz. Es geht also wohl mehr um den Kampf der Systeme: Spitzensport wird hier zur Speerspitze der Politik umfunktioniert, koste es, was es wolle! Wie diese Erkenntnis auch immer aussieht: Der Dopingschwindel muss aufhören, oder der Hochleistungssport geht vor die Hunde!

Ich sage dies so drastisch und so plastisch, damit alle merken, woran sie sind. Wir stehen an der Wende, in einer anderen Art von Pillenknick! UdSSR und USA haben eine Anti-Doping-Allianz vereinbart. Willi Daume hat dem NOK der DDR etwas Ähnliches angeboten. Auch die Moskauer UNESCO-Empfehlung, die die Staaten zur Mitwirkung gegen den Doping Missbrauch aufruft, kann hilfreich sein. Alles dies unterstützt den ihnen vorliegenden Antrag des Präsidiums auf Ausweitung der bisherigen Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings. Sie müssen jetzt entscheiden. Die Athleten haben mit ihrer mutigen Aussage gegen das Doping bereits den Weg gewiesen. Es kann uns im übrigen nicht darauf ankommen, ob andere Länder diesen Schwindel weiter betreiben, sondern allein darauf, wie wir es mit der Würde des Menschen halten.

Der DSB will keine Doping-Fahnder einsetzen, die bei Nacht und Nebel vor der Tür stehen. Kontrolle ist überhaupt erst das letzte Mittel. Zuerst kommt die Aufklärung, der Appell an die Vernunft der Athleten, danach die Schaffung eines besseren Umfeldes mit qualifizierten Trainern, Ärzten, Physiotherapeuten, Wissenschaftlern und anderen Helfern wie in den 14 Olympiastützpunkten - und erst ganz zuletzt die Kontrolle. Dies haben wir bereits 1977 in unserer Grundsatzerklärung für den Spitzensport festgelegt. Dies ist unser Weg gegen das Doping, der die Anpassung von Nominierungskriterien einschließt. Im übrigen wird es immer wieder solche geben, die zu verbotenen Mitteln greifen, insbesondere, wenn sie noch weiter verfeinert werden, oder die als politische Handlungsgehilfen zum Kampf der Systeme aufgeputscht werden und wissentlich gegen das Verbot der Fairness verstoßen. Dies ist die größte sportliche Gemeinheit. Alles das darf uns aber nicht abbringen von unserem Kampf gegen den pharmakologischen Missbrauch zur Leistungssteigerung. Wir müssen wissen, was wir wollen, und nicht, was andere tun!" (...)

Für das DSB-Präsidium begründete Prof. Ommo Grupe ausführlich die inhaltlichen Änderungen der Rahmenrichtlinien und erklärte einführend:

"1977 hat der Hauptausschuss auf seiner Sitzung in Baden-Baden die Grundsatzerklärung für den Spitzensport und die Änderung der zugehörigen Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings beschlossen. 1983 wurden in Frankfurt Zusätze festgelegt, die weitere Empfehlungen zur Verbesserung des Trainingsumfeldes der Aktiven enthielten. Im Zusammenhang mit der Doping-Weltkonferenz von Ottawa im Frühsommer dieses Jahres, Empfehlungen des Europa-Rats, der Forderung gesetzlicher Regelungen in einigen europäischen Ländern und zahlreichen Diskussionen internationaler Sportverbände haben die Präsidien des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees die gemeinsame NOK/DSB-Kommission gebeten zu prüfen, ob daraus unmittelbare Folgerungen für den DSB und das NOK zu ziehen sind. Daraus sind Beschlussvorlagen für das Nationale Olympische Komitee, die Deutsche Sporthilfe und die DSB-Gremien entstanden. Damit wird auch deutlich, dass nicht erst die Vorkommnisse von Seoul ein Handeln der Sportorganisationen in dieser Frage ausgelöst haben.

Inzwischen hat das Nationale Olympische Komitee für Deutschland einen inhaltlich gleichlautenden Beschluss gefasst, wie er dem Hauptausschuss heute vorliegt; entsprechende Änderungen seiner Nominierungskriterien für die Olympischen Spiele werden folgen. Die Deutsche Sporthilfe wird künftig ihre Förderung von der Bereitschaft der geförderten Aktiven abhängig machen, sich auch Kontrollen außerhalb des Wettkampfes zu unterziehen; sie will erreichen, dass Athleten, die Zuwendungen aus Stiftungsmitteln erhalten, sich an dem weltweiten Kampf gegen das Dopingunwesen verantwortlich beteiligen. Die Vollversammlung der Aktiven hat eine in der Sache konsequente und jedwede Leistungsmanipulation "im Interesse der Glaubwürdigkeit des Sports und der Gesundheit der Athleten" ablehnende Erklärung abgegeben. Auch der Deutsche Sportärztebund hat sich erneut eindeutig gegen Leistungsmanipulation und Doping ausgesprochen."

Der vom Hauptausschuss einstimmig gefasste Beschluss hatte folgenden Wortlaut:

"Der Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee für Deutschland bekräftigen ihre 1977 beschlossene Grundsatzerklärung für den Spitzensport. Darin haben sie sich eindeutig für die sportliche Spitzenleistung und die Beteiligung an internationalen Wettkämpfen einschließlich Olympischen Spielen und gegen Leistungsbeeinflussung durch unerlaubte pharmakologische Maßnahmen ausgesprochen.

Der Deutsche Sportbund und seine Mitgliedsorganisationen sowie das Nationale Olympische Komitee für Deutschland erklären erneut, dass sie die Athletinnen und Athleten und deren trainingsspezifische, medizinisch-ärztliche, pädagogisch-psychologische und soziale Betreuung in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Dies wird auch eine besondere Aufgabe der Olympiastützpunkte sein.

Die Mitgliedsorganisationen des Deutschen Sportbundes verpflichten sich, zum Schutze der Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler, des Gebotes sportlicher Fairness und des Vertrauens in die sportliche Leistung der Athletinnen und Athleten sowie in das Wirken von Trainern/innen, Ärzten/innen und anderen Mitarbeitern/innen im Spitzensport noch gezielter als bisher jede unerlaubte Leistungsbeeinflussung zu bekämpfen.

Insbesondere gilt: Die Sportbewegung ist nur dann pädagogisch glaubwürdig, wenn Eltern, die ihre Kinder den Vereinen anvertrauen, sicher sein können, dass ihre Kinder auf dem langen Weg, der heute bis zum Erreichen von Spitzenleistungen erforderlich ist, erzieherisch verantwortungsvoll betreut und nicht manipulativ behandelt werden und dass sie in ihrem späteren Leben nicht unter den Folgen ihres Einsatzes im Leistungssport zu leiden haben. Deswegen werden der DSB und seine Mitgliedsorganisationen gemeinsam alle notwendigen Entscheidungen treffen, um ihre Maßnahmen zur Bekämpfung des Dopings zusätzlich auf bestimmte Kontrollen außerhalb der Wettkämpfe auszudehnen. Das Nationale Olympische Komitee für Deutschland und die Stiftung Deutsche Sporthilfe ergänzen ihre Nominierungs- und Förderungskriterien entsprechend.

Die nationalen Spitzenverbände werden außerdem - sofern dies nicht geschehen ist - auf ihre internationalen Föderationen einwirken, wirkungsvolle Regelungen und Maßnahmen zu beschließen, um die Leistungsbeeinflussung durch unerlaubte pharmakologische Maßnahmen auch international nachhaltig zu bekämpfen.

Der Deutsche Sportbund und das Nationale Olympische Komitee für Deutschland halten gesetzliche Regelungen zur Bekämpfung des Dopings in der Bundesrepublik Deutschland angesichts ihrer eigenen Verantwortung und ihrer eigenen Möglichkeiten nicht für erforderlich. Sie fordern Bund, Länder und Gemeinden allerdings auf, den Sport bei der sozialen Sicherung und gesundheitlichen Betreuung der Athletinnen und Athleten zu unterstützen.

Alle - Aktive und Zuschauer - müssen sicher sein können, dass die Prinzipien des Sports geachtet und die Regeln der nationalen und internationalen Verbände sowie des Internationalen Olympischen Komitees eingehalten werden."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 34 / 21. August 2012, S. 12
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2012