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GESCHICHTE/365: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 178 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 36 / 4. September 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1989/II: Was erwartet der Sport von den Kommunen für den Sport 2000?
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 178)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Im Rahmen eines Festaktes zum 40. Jahrestag der im Oktober 1949 unter der Leitung des Kölner Sportamtdirektors Johannes Sampels in Duisburg gegründeten Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sportämter (ADS) am 20. April 1989 im westfälischen Bad Salzuflen stellte DSB-Präsident Hans Hansen seine Ansprache unter das Thema "Was erwartet der Sport von den Kommunen für den Sport 2000?"

In seinen einführenden Worten bezeugte der DSB-Präsident zunächst den Dank und die Anerkennung des DSB "für die Männer, die im Herbst 1949 in Duisburg zusammenkamen, diesen runden Tisch des Erfahrungsaustausches zu begründen. Sie verdienen für ihren Weitblick unseren Respekt, denn daraus ist inzwischen weit mehr geworden, als man damals erhoffen konnte: ein Sportbündnis der Kommunen! (...)

Es war die Zeit der Orientierung, denn DSB und Spitzenverbände gab es noch nicht; lediglich die Landessportbünde bestanden schon, als man den Gründungsakt der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sportämter für Ende Oktober 1949 in der Sportschule Duisburg-Wedau anpeilte, zu dem dann der Deutsche Städtetag eingeladen hat. Der Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb und Carl Diem sprachen damals. Es ging ihnen vor allen Dingen um die rechte Sportpflege, um Volksgesundheit und Jugenderziehung, Aufgaben, die immer noch gelten, heute vielleicht noch mehr als gestern, mitten im ideellen und materiellen Wiederaufbau des zerstörten und zweigeteilten Landes."

Nach grundsätzlichen Aussagen über die Entwicklung des Sports und der Sportorganisation in den Nachkriegsjahrzehnten sprach Hans Hansen dann konkret die Erwartungen der Sportorganisationen an die Kommunen in folgenden sechs Punkten an:

"Sport und Kommunen müssen versuchen, eine Art Quadratur des Kreises zu lösen: der Spielraum des Sportes wird immer enger und die Teilnahme der Menschen immer größer. 1949 bei der Gründung der ADS zählten wir ganze 3 Millionen Mitglieder in 18.000 Vereinen, heute sind es 20,5 Millionen in 65.000 Vereinen und weitere 21 % der Bevölkerung außerhalb des organisierten Sports. 1952 wurden 29.901 Sportabzeichen abgelegt, im 75. Jahr des Deutschen Sportabzeichens 1988 fast 800.000! Dies alles sind Richtwerte für die Kooperation des Sports mit den Gemeinden, bei der wir an folgenden Punkten noch enger zusammenrücken müssen:

1. Sportförderung: Kompliment an die Kommunen. Sie haben die Grundlagen für das Sporttreiben ihrer Bürger geschaffen. Bei der Errichtung und Unterhaltung der Anlagen tragen sie die Hauptlast. Auf der Grundlage von Sportförder-Richtlinien bezuschussen sie den organisierten und unorganisierten Sport auf vielfältige Weise. Es scheint jedoch an der Zeit zu sein, über die Finanzierung des Sports in der Zukunft nachzudenken. Es regt zumindest zu Überlegungen an, wenn die Zahlen der Sportförderung mit denen der Kulturförderung verglichen werden, ohne in einen unzulässigen Wettstreit einzutreten, denn der Sport ist ein Teil der Kultur. 1987 setzten die Gemeinden für die Kultur (geschätzt) 4,1 Milliarden DM und für Sport 2,7 Milliarden DM ein.

Im Freizeitleben der Menschen unserer Zeit gewinnen Kultur und Sport immer größere Bedeutung. Hier finden sie einen wichtigen Raum der Selbstgestaltung und der persönlichen Erfahrung. Sollte die Sportförderung hier nicht aufrücken wollen? Schließlich geht es um die Verbindung der Kräfte des Geistes, des Willens und des Mutes, um jene Kräfte also, die mit der freiheitlichen Demokratie untrennbar verbunden sind.

2. Sportstätten: Für die künftige Sportentwicklung sind die Sportstätten unerlässlich. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere das Defizit an gedeckten Anlagen weiterwachsen wird. Notwendig ist eine gleichberechtigte Ausstattung der Gemeinden mit Sportanlagen. Es wäre daher falsch, Zuschüsse für den kommunalen Sportstättenbau lediglich noch pauschal über den kommunalen Finanzausgleich zu verteilen. Dies führt in finanzschwachen Gemeinden und in strukturschwachen Regionen zwangsläufig zu einem Rückgang des Sportstättenbaues und damit zu einer zusätzlichen Benachteiligung der Menschen in diesen Bereichen und letztlich zu einer Schwächung der Sportentwicklung insgesamt. Die Errichtung von Sportanlagen muss also weitergehen, wenn auch nach neuen Kriterien, die - und das ist das Angebot es DSB - in einem gemeinsam mit den Ländern ausgestalteten Neuen Goldenen Plan abgestimmt werden und die Förderung vereinseigener Anlagen einschließen sollten.

3. Neue Förderungsschwerpunkte: Es kommt nicht nur auf die jährliche Fortschreibung der finanziellen Förderungen für die Vereine an, sondern es sind auch neue zusätzliche Schwerpunkte zu setzen. Bei immer enger werdenden finanziellen Spielräumen in den Kommunen muss die sozial- und gesundheitspolitische Komponente der Arbeit der Vereine unterstrichen und in der Politik auch offensiv vertreten werden. Die Verwirklichung des Sports für alle schließt nämlich den Sport für ältere, behinderte,ausländische, arbeitslose oder straffällig gewordene Mitbürger ein. Die Politik darf in diesem Bereich nicht nur Forderungen aufstellen, sondern muss den Vereinen noch gezielter helfen als bisher.

4. Beteiligung des Sports in der Bauplanung: Trotz intensiver Bemühungen der Sportorganisationen sind sie nicht als Träger öffentlicher Belange im Sinne des Baugesetzbuches anerkannt. Rechtsgleiche Beteiligungsformen wurden vielerorts angeregt. Derzeit laufen erneute Verhandlungen zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden und dem DSB, um die notwendigen Formen einer rechtsgleichen Beteiligung zu finden. Ganz wesentlich wird es hierbei auf die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Sportämter ankommen. Beteiligung in der Bauplanung bedeutet Kenntnis des Bauplanungsrechts, der Einflussmöglichkeiten und der Bedürfnisse des Sports. Der DSB ist davon überzeugt, dass die Beteiligung insbesondere der Vereine auch über die Sportämter sichergestellt werden kann. Er sieht entsprechenden Vorschlägen der ADS mit Interesse entgegen.

5. Sicherung des Bestandes von Sportanlagen: Der Sport braucht Raum! Dies vor allen Dingen in der Nähe der Wohnquartiere. Die Sozialgeräusche des Sports, die menschliche Stimme (ohne technische Verstärkung durch Lautsprecher etc.) sowie die Geräusche des Ballspielens in allen seinen Formen lassen sich aus den Wohngebieten nicht verbannen. Hier ist baldmöglichst ein Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Anlieger und den Wünschen der sporttreibenden Bürger zu finden, die ihre Anlagen möglichst "um die Ecke" erreichen wollen und nicht an die Peripherie unter neuem Landschaftsverbrauch abgedrängt werden dürfen. Lassen Sie uns gemeinsam auf die Bundesregierung und die politischen Parteien einwirken, die Gesetze und Verordnungen so zu ändern, dass der Bestand und die künftige Errichtung von Spiel-, Sport-, Freizeit- und Erholungsanlagen in den wohnnahen Gebieten der Städte und Gemeinden gesichert wird.

6. Empfehlungen zur kommunalen Sportförderung: Diese Empfehlungen müssen sich zwangsläufig am kleinsten Nenner orientieren; dabei ist der Sport alles andere als statisch. Sie sollten also flexibler sein und nicht allein von den Fördermitteln ausgehen, sondern auch appellieren und Mut machen. Ich denke dabei an die neuen Formen unserer Trimm-Kampagnen, an Lauf-Treffs, an Spielfeste oder an Trimm-Festivals, wofür auch leicht Sponsoren zu finden sind oder vom DSB vermittelt werden können. Ich denke aber auch an die Talentsuche und -förderung, wofür ich mir schon mehr Hilfen der Kommunen vorstellen könnte, als wir sie derzeit kennen."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 36 / 4. September 2012, S. 23
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2012