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GESCHICHTE/370: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 182) (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 40 / 2. Oktober 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

So war es 1989/VI: DSB beschließt Frauenförderplan für die Bundesebene
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 182)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Die Durchsetzung von Frauenförderplänen auch in den Organisationen des Sports bildete den Kern der Jahresarbeit des Bundesausschusses Frauensport des DSB. Schon die Vollversammlung im Mai 1989 in Kiel stand unter dem Thema "Frauenförderpläne im DSB - Bilanz und Perspektiven der Frauenarbeit". Im Oktober fand an der Führungsakademie des DSB in Berlin ein Round Table-Gespräch zum Thema "Frauenförderpläne im Sport" statt, und auch die jährliche Arbeitstagung der Frauenvertreterinnen der Mitgliedsorganisationen im November hatte dieses Thema zum Inhalt. Die SPD-Bundestagsfraktion in Bonn initiierte eine Große Anfrage zur "Situation von Mädchen und Frauen im organisierten Sport", an der auch der Bundesausschuss mitwirkte. Auch wurde ein Poster "Frauen in die Spitze des Sports" herausgegeben.

Die Verabschiedung eines Frauenförderplans auf DSB-Ebene stand dann offiziell im Mittelpunkt der 36. Sitzung des Hauptausschusses am 2. Dezember 1989 im Frankfurter Römer, da auch im Sport die Gleichstellung von Frauen und Männern bei weitem noch nicht erreicht war. Einige Landessportbünde waren dabei dem DSB voraus und insoweit auch Vorbild. In den Vorbemerkungen wurden zahlreiche Beispiele dafür genannt, dass - trotz eines kontinuierlichen Zuwachses an neuen weiblichen Mitgliedern auf mittlerweile 36,6 Prozent der Gesamtmitgliederzahl - eine Gleichstellung von Frauen und Männern im deutschen Sport bei weitem noch nicht erreicht sei. So betrage z.B. der Anteil der Frauen in den Gremien des DSB nur 15 Prozent und der Anteil weiblicher Delegierter bei Mitgliederversammlungen (Bundestagen und Hauptausschüssen) liege gar unter 5 Prozent. Auch in der hauptamtlichen Organisation und Verwaltung auf den gehobenen Ebenen seien Frauen unterrepräsentiert. Die Berücksichtigung von Themen des Sports von Frauen bei Veranstaltungen sei unzureichend, auch seien Themen des Sports von Frauen und Mädchen selten Gegenstand von Forschungsprojekten. Schließlich seien auch die Funktionsbezeichnungen in Satzungen, Geschäftsordnungen und Regelwerken überwiegend nur männlich ausgewiesen. In der "Begründung und Zielbestimmung für einen Frauenförderplan im Sport" heißt es:

"Der Deutsche Sportbund will mit diesem Frauenförderplan Leitlinien für seine weitere Entwicklung festlegen und damit eine gezielte Frauenförderung in den Vereinen und Verbänden anstoßen. Aufgrund unterschiedlicher Sozialisationsbedingungen und deren Folgen denken, erleben und handeln Frauen und Männer unterschiedlich. Um diese Unterschiedlichkeit in Entscheidungen einfließen zu lassen, ist es notwendig, dass Frauen ihre Interessen selbst vertreten.

Einzelne Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeit und Mitverantwortung von Frauen sind in den letzten Jahren immer wieder beschlossen worden. Es fehlte jedoch an einer systematischen Herangehensweise, insbesondere an der klaren Definition von Zielen und dem Versuch, nicht nur einzelne Verbesserungen, sondern umfassende und langfristige Änderungen zu erreichen.

Es ist daher notwendig, dass der Deutsche Sportbund gezielt die stärkere Beteiligung von Frauen an Organisation, Verwaltung und politischer Vertretung im Sport fördert und zugleich die Voraussetzung dafür schafft, dass die Interessen und Bedürfnisse von Frauen bei der Weiterentwicklung des Sports ausreichend berücksichtigt werden.

Grundlegende Änderungen lassen sich durch Appelle allein jedoch nicht bewirken. Es genügt auch nicht, nur Absichtserklärungen abzugeben. Vielmehr ist es erforderlich, über Änderungen von Satzungen, Geschäftsordnungen und über konkrete Maßnahmen eine Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeit von Frauen zu erreichen.

Ziel des Frauenförderplans ist es deshalb, die Gleichstellung von Frauen auf allen Gebieten des Sports durchzusetzen. Um dies zu erreichen, sind u.a.auch Amtszeiten, Wiederwahlmöglichkeiten und Ämterhäufungen zu begrenzen.

Der Anteil von Frauen in ehrenamtlichen Führungsgremien und Arbeitsgruppen, bei Bildungsveranstaltungen und Mitgliederversammlungen ist zu erhöhen, so dass bis 1994 ein Anteil von Frauen an der Führung von mindestens 25 % erreicht wird. Dieser Frauenförderplan wird überflüssig, wenn sich die Chancengleichheit in der Praxis durchgesetzt hat."

Im Abschnitt 3 werden dann insgesamt 13 konkrete Maßnahmen aufgeführt, mit denen die Zielsetzungen erreicht werden sollen. Im einzelnen sollen, so die Forderungen des Plans in Kurzfassung,

  • bei Grundsatzgesprächen und Verhandlungen des Präsidiums Frauen beteiligt werden,
  • in alle ehrenamtlichen Gremien, auch außerhalb des DSB, auch Frauen berufen werden (z.B. Gremien des NOK, der DSH, des BISP),
  • bei Mitgliederversammlungen, Kongressen und Arbeitstagungen Themen des Sports der Frauen behandelt werden,
  • bei Aktionen und Kampagnen frauenspezifische Aspekte herausgestellt werden,
  • bei der Durchführung von Veranstaltungen Frauen als Referentinnen, Arbeitskreisleiterinnen und Berichterstatterinnen vertreten sein,
  • für die Kinderbetreuung entsprechende Mittel bereitgestellt werden,
  • die Situation von Frauen und Mädchen im Sport und die Zielvorstellungen des Frauenförderplans Inhalt von Bildungsmaßnahmen werden,
  • Frauen, die aus familiären Gründen ihre ehrenamtliche Tätigkeit vorübergehend eingestellt haben, ein Wiedereinstieg ermöglicht werden,
  • bei der Entscheidung über die Verteilung von Sportfördermitteln Frauen gleichberechtigt berücksichtigt werden,
  • wissenschaftliche Analysen zur weiblichen Lebens- und Bewegungswelt gefördert werden,
  • im sprachlichen Bereich Funktionsbezeichnungen weiblich und männlich bzw. neutral angewendet werden,
  • bei Ehrungen und Auszeichnungen Frauen gleichberechtigt berücksichtigt werden und
  • bei Einstellungen in der Hauptverwaltung des DSB Frauen auf denjenigen Ebenen, auf denen sie unterrepräsentiert sind, bevorzugt berücksichtigt werden.

In Abschnitt 4 (Erfolgskontrolle) heißt es:

"Verantwortlich für die Umsetzung und die Fortschreibung des Frauenförderplans ist das Präsidium des Deutschen Sportbundes. Der schriftliche Bericht des Präsidenten zu Sitzungen von Hauptausschüssen und Bundestagen enthält Angaben über

  • die aktuelle Situation von Mädchen und Frauen
  • die eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen
  • Auswirkungen und Bewertungen der Maßnahmen."

Zwei Wochen vor der DSB-Hauptausschuss-Sitzung hatte übrigens der Deutsche Frauenrat, in dem der DSB bereits damals die größte Organisation darstellte, bei seiner Mitgliederversammlung am 18. November in Bonn das 40jährige Bestehen der Bundesrepublik Deutschland zum Anlass genommen, sich kritisch mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes auseinanderzusetzen. Auch dabei wurde anhand von Beispielen deutlich gemacht, dass der Gleichheitsgrundsatz dieses Artikels in vielen Fällen in der Praxis noch nicht verwirklicht worden war. Diese bedauerliche Erkenntnis nahmen auch die dort anwesenden Politikerinnen für ihre weitere gesellschaftspolitische Arbeit in ihren Parteien und Parlamenten mit.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 40 / 2. Oktober 2012, S. 25
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2012