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GESCHICHTE/374: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 186 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 44 / 30. Oktober 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1990/III: Aufruf von DSB und DGB zum 1. Mai
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 186)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Mit einem gemeinsamen Plädoyer für das freie Wochenende, das Sport und Familie zugute kommen soll und insgesamt auch für die Arbeitszeitverkürzung traten der Deutsche Sportbund (DSB) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zum 1. Mai 1990 an die Öffentlichkeit. Die beiden größten gesellschaftlichen Vereinigungen der Bundesrepublik, seit Jahren in der Zusammenarbeit auf den verschiedensten Ebenen der Sozialpolitik erprobt, setzten in ihrer Publikation "gemeinsam aktiv" damit neue Akzente. In der mehrfarbigen Zeitung, die vor allem an der Gewerkschaftsbasis vertrieben werden sollte und Themen zum Schulsport ebenso behandelte wie Betriebs- und Vereinssportperspektive, ließen DSB und DGB keinen Zweifel daran aufkommen, dass das freie Wochenende zur Erhöhung der Lebensqualität beiträgt. In ihrer gemeinsamen gesellschaftspolitischen Standortbestimmung hieß es unter anderem:

"Alle Umfragen belegen, dass die große Mehrheit der Beschäftigten in der Bundesrepublik für den Erhalt des freien Wochenendes ist. Eine umfangreiche Arbeitszeitstudie des nordrhein-westfälischen Arbeitsministeriums brachte eindeutige Ergebnisse. Ginge es also nach der Mehrheit der Bevölkerung, wäre der Kampf um das freie Wochenende schon entschieden! Trotzdem steht der Erhalt des freien Wochenendes zur Diskussion.

Arbeitsfreie Zeit ist nicht nur notwendig zur Erholung und Wiederherstellung der Arbeitskraft oder zur Hausarbeit. Sie eröffnet auch die Chance zu einem menschenwürdigeren Leben. Einem Leben, das gesellschaftliche und kulturelle Aktivitäten einbezieht. Freizeit lässt Raum für das Zusammensein mit Familie, Freunden und Bekannten, sie gibt die Möglichkeit, Sport, Spiel und Hobby allein oder mit mehreren erst auszuüben. Wer seinen freien Tag mal Montag oder Mittwoch, mal Dienstag oder Donnerstag hat, der wird schnell feststellen, dass etwas wesentliches verlorengeht: Der Kontakt zum Mitmenschen, zu Freunden und zu Kollegen. Denn die gemeinsame Freizeitgestaltung setzt eine gemeinsame freie Zeit voraus. Wer Schichtarbeit leistet, der weiß, wie sehr eine dem allgemeinen Lebensrhythmus widersprechende Arbeitszeit zum Ausschluss von gesellschaftlichen Aktivitäten führen kann. Für die Abschaffung des freien Wochenendes werden längere Maschinenlaufzeiten als Argument herangezogen. Vorhandene Anlagen sollen besser genutzt werden, und die Kapitalkosten wollen gesenkt werden. Aber der Preis ist in jedem Fall zu hoch; ein Familienleben im Schichtbetrieb, Freizeitgestaltung und Freundeskreis nach dem Terminkalender, Individualisierung, die zur Vereinzelung führen muss.

Das freie Wochenende mit seiner gemeinsamen freien Zeit für fast alle abhängig Beschäftigten ist vielleicht die größte Errungenschaft, die die Gewerkschaften bei der bisherigen Arbeitszeitgestaltung durchsetzen konnten. Jede Arbeitszeitverkürzung ist dabei gleichzeitig auch ein Stück mehr sozial gesicherte Freiheit. Jede Minute Arbeitszeitverkürzung ist eine Minute mehr für das Leben: Für das Leben mit der Familie oder den Freunden, für Feste und Feiern, für Bildung und Kultur oder auch für Gesundheit und Sport. Wer dieses preisgibt, opfert ein Stück Leben."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 44 / 30. Oktober 2012, S. 39
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2012