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GESCHICHTE/385: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 194 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 1-3 / 15. Januar 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1991/IV: Appelle des Sports: "Ausländer sind in Deutschland willkommen!"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 194)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Der Deutsche Sportbund und seine Jugendorganisation haben sich aus ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung heraus im Jahr nach der deutschen Wiedervereinigung in besonderer Weise mit der in der Bundesrepublik zunehmenden Fremdenfeindlichkeit und dem zum Teil offen zutagegetretenen Ausländerhass auseinandergesetzt. Im Zusammenhang mit dieser Problematik distanzierte sich die Deutsche Sportjugend bei ihrer Hauptausschuss-Sitzung am 11./12. Oktober 1991 in Mainz von den gewalttätigen Anschlägen gegen ausländische Mitbürger und forderte dazu auf, deutliche Zeichen der Solidarität zu setzen. Die einstimmig verabschiedete Erklärung zur Welle der Gewalt hatte folgenden Wortlaut:

"Die Deutsche Sportjugend (dsj) hat sich mit dem Slogan "Sport spricht alle Sprachen" immer für das Verständnis der Menschen untereinander ausgesprochen, unabhängig von deren politischer Anschauung, Religionszugehörigkeit und Hautfarbe. Als Jugendorganisation des Deutschen Sportbundes hat sie in zahlreichen Initiativen und in der sportlichen Begegnung einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis zwischen Deutschen und Ausländern geleistet. Sport mit ausländischen Kindern und Jugendlichen, das war und ist für die Deutsche Sportjugend eine Ebene der Annäherung zwischen Ausländern und Deutschen. Bei ihrer Jugendhauptausschuss-Sitzung am 12.10.91 in Mainz haben die gewählten Vertreterinnen von über sieben Millionen sporttreibenden Kindern und Jugendlichen jede Form von Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus verurteilt und empört gegen die Welle gewalttätiger Anschläge gegen ausländische Menschen in Deutschland protestiert. Die dsj fordert die Parteien, Regierungen in Bund und Ländern auf, eine gerechte und menschliche Ausländerpolitik unabhängig von parteipolitischen Differenzen zu betreiben, damit Ausländer nicht weiter ausgegrenzt bleiben;

  • dazu gehört die rechtliche und soziale Absicherung ausländischer Menschen in diesem Land;
  • dazu gehört der verantwortungsvolle Umgang mit Asylsuchenden und der Schutz des Grundrechtes auf Asyl;
  • dazu gehört eine breit angelegte Offensive auf politischer und sozialer Ebene auch zur Unterstützung verbandlicher - und außerverbandlicher Jugendarbeit gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in Ost- und Westdeutschland.

Der Hauptausschuss der dsj fordert deshalb alle Mitglieder in den Sportorganisationen auf, in Gesprächen, mit Aktionen, Aktivitäten und öffentlichen Veranstaltungen Menschen für unser Anliegen gegen Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rassismus zu gewinnen und deutliche Zeichen der Solidarität zu setzen." "Ausländer sind in Deutschland willkommen!" hieß es aus Anlass der bundesweiten "Woche des ausländischen Mitbürgers" im Oktober in einem Appell des deutschen Sports zur Zusammenarbeit auf breiter gesellschaftlicher Basis, mit dem die Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände vom DSB aufgerufen wurden, gemeinsam mit dem Sport ein Bündnis der Solidarität und Toleranz gegen Ausländerfeindlichkeit zu bilden. Der Appell des DSB hatte folgenden Wortlaut:

"Der deutsche Sport hat seine Solidarität mit ausländischen Mitbürgern, Aussiedlern, Asylanten und Asylbewerbern vielfach unter Beweis gestellt. Die Integration im Vereinsleben ist ohnehin längst eine Selbstverständlichkeit. In den letzten Wochen haben Dachorganisationen in Aufrufen und Appellen gesellschaftspolitische Zeichen gegen wachsende Ausländerfeindlichkeit gesetzt. Verbände und Vereine sind mit Aktionen, Demonstrationen und praktischer Hilfe öffentlichkeitswirksam tätig geworden.Jetzt geht es darum, gemeinsam mit den Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, dieses Bekenntnis zur Solidarität noch zu verstärken.

In einer Allianz des guten Willens und der beherzten Tat, getragen von den großen gesellschaftlichen Organisationen, muss deutlich werden: Fremdenhass, Rechtsradikalismus, Rassismus und Intoleranz haben im vereinigten Deutschland keine Chance. Der Respekt vor der Menschenwürde und die strikte Einhaltung der Menschenrechte sind die Grundvoraussetzungen für friedliches Zusammenleben, für Weltoffenheit und multikulturelle Zusammenarbeit. Und darum geht es künftig in einem Deutschland, das auch im zusammenwachsenden Europa besondere politische Verantwortung übernimmt.

Eine soziale Offensive des Sports zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger hat der Deutsche Sportbund in den Mittelpunkt seiner Aufgaben gestellt. Sie steht jetzt auf dem Prüfstand und kann sich in einem Maße bewähren, das weit über sportliche Belange hinausreicht.Sportvereine und Kirchengemeinden, Gewerkschafts-Ortsgruppen und kommunale Wohlfahrtseinrichtungen können gemeinsam vor Ort viel gegen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass bewirken. Und sie können dank ihrer Mitgliederzahlen und ihres organisatorischen Netzes zeigen, was Volkes Meinung wirklich ist.

Zusammenarbeit der großen Institutionen in diesem Bereich und das öffentliche Bekenntnis dazu ist überfällig. Der Deutsche Sportbund bittet die Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände, mit denen es langjährige und bewährte Partnerschaften auf vielen Gebieten gibt, um ein Bündnis der Solidarität und Toleranz von der Fachverbands- bis zur Ortsebene, damit radikale Minderheiten mit ihren Provokationen, Ausschreitungen und politischen Zerrbildern keine Chance mehr haben.

'Ausländer sind in Deutschland willkommen!' heißt die Botschaft der Mitgliedsorganisationen des Deutschen Sportbundes, die die Friedensidee des Sports besonders hervorhebt. Sie ist gleichzeitig ein Appell an die Partner in den anderen gesellschaftlichen Institutionen, daraus ein gemeinsames Bekenntnis zu machen, das nicht mehr überhört werden kann."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 1-3 / 15. Januar 2013, S. 33
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2013