DOSB-Presse Nr. 5 / 29. Januar 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
1992/I: Hans Hansen: Dopingsünder sind Totengräber des Sports!
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 196)
Eine Serie von Friedrich Mevert
Mit der Tagung des zweithöchsten Organs, des DSB-Hauptausschusses, am 30. Mai 1992 in Rostock gab es die erste größere Präsenz des Deutschen Sportbundes in den neuen Bundesländern. In der traditionsreichen Universitäts- und Hafenstadt an der Ostsee standen das Bemühen um einen dopingfreien Sport, die Verbesserung des Schulsports und das Problem der mangelhaften Sportstättenversorgung in Ostdeutschland im Mittelpunkt der Beratungen. Zu letzterem forderte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Berndt Seite in seinem Grußwort ein spezielles Förderprogramm des Bundes, um dem Sanierungsumfang von 1,8 Milliarden DM in den neuen Bundesländern Rechnung tragen zu können. Um diesen Bedarf insbesondere für den Aufbau des Breitensports in der ehemaligen DDR entsprechen zu können, berieten und verabschiedeten ein halbes Jahr später die Delegierten beim DSB-Bundestag am 27./28. November in Berlin den "Goldenen Plan Ost".
In seinem umfangreichen mündlichen Rechenschaftsbericht stellte DSB-Präsident Hans Hansen vor anderen von ihm angesprochenen Themenbereichen aus aktuellem Anlass die Dopingproblematik an den Anfang, aber auch in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, aus denen nachfolgend - auszugsweise - zitiert wird:
"Ein sportpolitischer Bericht zur Lage muss im Olympiajahr, zwischen Winter- und Sommerspielen, den Spitzensport nach vorn rücken. Ich tue das mit gemischten Gefühlen.
Auf der einen Seite klingen Freude und Genugtuung über Erfolg und Auftreten der deutschen Olympiamannschaft in Albertville noch nach. Zum anderen belasten uns mitten in der Aufbruchstimmung für Barcelona alte und neue Dopingvorfälle.
Herzliche Glückwünsche sage ich den in Albertville beteiligten Wintersportverbänden, ihren Athletinnen, Athleten und Repräsentanten. Sie alle haben uns ein olympisches Hochgefühl beschert, das nach der Vereinigung um so intensiver spürbar war.
Das Zusammenwachsen der doppelten Deutschen - hier wurde es auf vorbildliche Weise demonstriert. Die Art und Weise, nämlich Bescheidenheit bei aller Freude über großartige Erfolge zur Richtschnur zu machen, hat überzeugt. Das ist auch international auf Sympathie gestoßen. Dieses macht Mut für kommende, noch größere Aufgaben.
Vorher haben wir den spitzensportlichen Alltag zu bewältigen - mit seinen Tiefschlägen und seinen Anfechtungen. Mit unserem Bekenntnis zu einem sauberen Weg in die leistungssportliche Zukunft ist es nicht mehr getan!
Eines müssen wir wissen: Die Alternative zum Sport ohne Manipulation ist die Selbstaufgabe! Die darf und die kann es nicht geben! Was in den vergangenen zwei Jahren an Anti-Doping-Arbeit geleistet wurde, sollte eigentlich jeden Zweifel an der Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen im Keim ersticken. Wer heute noch dopt oder Manipulationen einfädelt, handelt nicht nur unverantwortlich. Er handelt dumm und muss die Folgen seiner Handlungsweise tragen.
Die Rahmenbedingungen und sportpolitischen Vorgaben unserer Strategie der Sauberkeit sind erstellt. Sie sind gemeinsam verabschiedet worden. Wir müssen auch gemeinsam alles tun, sie umfassend und dauerhaft wirksam werden zu lassen!
Bei allen Rückschlägen: Pessimismus ist nicht angebracht! Denn so bedrückend die Tatsache ist, dass es gerade in den letzten Tagen und Wochen gravierende Doping-Enthüllungen gegeben hat und dass uns möglicherweise noch weitere bevorstehen: Dies macht - leider, sage ich - auch deutlich, dass unser Kontroll-System offensichtlich greift und der Spielraum für Manipulateure immer enger wird.
Wer heute noch, auf welcher Ebene auch immer, Leistungssteigerung um jeden Preis anstrebt, wer selbst im Zwielicht experimentiert, fragwürdige Vorbereitungs-Methoden in Auftrag gibt oder auch nur toleriert, der muss wissen: unsere Solidargemeinschaft duldet das nicht mehr! Wir können es uns nicht länger bieten lassen, dass unsere eigenen Gebote und Bekenntnisse der Lächerlichkeit preisgegeben werden. An unserer harten Haltung darf es für die Zukunft nichts, aber auch gar nichts mehr zu rütteln geben.
Natürlich streben wir auch in Zukunft Spitzenleistungen an. Und selbstverständlich wollen wir für deren Förderung auch künftig die besten Voraussetzungen schaffen. Doch Manipulationen jeglicher Art muss in diesem Zusammenhang nun endgültig der Bannstrahl treffen. Auch scheinbare Rückschläge wie die Erscheinung, dass erhöhte Testosteron-Werte im Einzelfall möglicherweise auch auf natürliche Weise entstehen können, können uns nicht hindern, den eingeschlagenen Weg unbeirrt weiterzugehen. Sonst können wir den Offenbarungseid leisten. Bei aller Konsequenz des Kehrens vor der eigenen Haustür: der weitere Weg zur Sauberkeit ist auch eine Aufgabe von internationaler Dimension.
Wir richten deshalb auch von dieser Stelle den Appell an die internationalen Fachverbände und an das IOC: Lassen Sie uns nicht müde werden, über Grenzen hinweg gemeinsam dieses Übel zu bekämpfen.
Chancengleichheit auf der Basis der Sauberkeit kann auch auf internationalem Parkett nicht teilbar sein. So gesehen könnten Häme, Spott oder Entrüstung, wie sie im Umfeld unserer hausgemachten Doping-Anfechtungen ein Teil der Auslandspresse verbreitet, schnell zum Bumerang werden.
Wir plädieren erneut für ein internationales Anti-Doping-Programm, das diese Problematik mit rigorosen Kontrollmaßnahmen, pädagogischer Unterstützung schon im Kindes- und Jugendalter und einer neuen Basis für die Philosophie der Spitzenleistung endgültig aus dem Dunstkreis von Kavaliersdelikten herausbefördert.
Dopingsünder und ihre Helfershelfer sind Totengräber des Sports. Sie dürfen wir nicht länger ungestraft wirken lassen. (...)"
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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 5 / 29. Januar 2013, S. 22-23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013