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GESCHICHTE/430: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 232 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 46 / 12. November 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1996/IX: Europas Sport fordert eigenen Artikel im EU-Vertragswerk
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 232)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Beim 6. Europäischen Sportforum am 16./17. Dezember 1996 in Brüssel unterstrichen die Vertreter der nationalen Sportdachverbände und der NOKs der seinerzeit 15 Mitgliedsländer der Europäischen Union sowie Repräsentanten von 30 internationalen und europäischen Sportverbänden nachdrücklich ihre Forderung, den Sport in die Revision der Maastrichter Verträge der EU einzubeziehen. Sie appellierten an die 15 Mitgliedsregierungen der EU, an die Europäische Kommission sowie an das Europäische Parlament, im Sinne dieser Resolution tätig zu werden.

Gemeinsamer Appell, Resolution und Entwurf für einen EU-Sportartikel haben folgenden Wortlaut:

"Gemeinsamer Appell

Die europäischen Olympischen Komitees, die europäischen Dachverbände des Sports sowie 30 internationale und europäische Fachverbände haben anlässlich des 6. Europa-Forums des Sports in Brüssel am 16./17. Dezember 1996 eine Resolution verabschiedet, die eine Aufnahme des Sports in den Vertrag von Maastricht fordert. Die Sportbewegung lädt die EU dazu ein, die bedeutende Rolle des Sports in der europäischen Gesellschaft anzuerkennen, indem sie ihm eine legale Existenz in der Konstitution Europas verleiht.

Der Artikel für den Sport, an die Resolution angefügt, hat zum Ziel, die Autonomie der Sportorganisationen anzuerkennen sowie die soziale und erzieherische Rolle des Sports in Europa zu fördern. Er strebt ebenso die Berücksichtigung sämtlicher mit dem Sport in Verbindung stehenden Aspekte in allen Politikbereichen der Gemeinschaft an.

Auslöser dieser einstimmigen Resolution war die Erklärung der Verantwortlichen der Kommission und der zukünftigen Präsidentschaft des Rats, welche ihre Zweifel hinsichtlich der Möglichkeit einer Aufnahme des Sports in den Vertrag äußerten.

Die europäische Sportbewegung appelliert an die 15 Mitgliedsregierungen, an die Europäische Kommission sowie an das Europäische Parlament, im Sinne dieser Resolution tätig zu sein.


Resolution

Anlässlich des 6. Europäischen Sportforums unterstrichen die Vertreter der nationalen Sportdachverbände und der Nationalen Olympischen Komitees der 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie Vertreter von 30 internationalen und europäischen Sportverbänden nachdrücklich ihre Forderung, den Sport in die Revision der Maastrichter Verträge einzubeziehen.

Die europäische Sportbewegung unterstützt die Ideale des Europas der Bürger, das der Sport als größte Bürgerbewegung auf der breiten Grundlage seiner kulturellen Dimensionen und integrativen Funktionen in besonderer Weise fördern kann,
erinnert an die gemeinsame Erklärung der Europäischen Olympischen Komitees (EOC), der Vereinigung der europäischen regierungsunabhängigen Sportdachverbände (ENGSO) und der internationalen Sportföderationen (Rom, Februar 1996), die Resolution des Europäischen Parlaments (März 1996),
ist der Ansicht, dass die Interessen des Sports nur systematisch in anderen EU-Politikbereichen (z.B. Bildung, Gesundheit, Beschäftigung, Umwelt) berücksichtigt werden können, wenn die Bedeutung des Sports für die europäische Gesellschaft anerkannt wird, indem innerhalb der Europäischen Union dem Sport eine rechtliche Grundlage gegeben wird, dass dies auch auf internationale Abkommen der Europäischen Union mit anderen Staaten zutrifft, im Rahmen derer der Sport derzeit nicht existent ist,
verlangt, dass der Sport im Hinblick auf die Sicherung seiner natürlichen Grundlagen gemäß den Prinzipien geschützt wird, wie sie in Artikel 128 des EU-Vertrags niedergelegt sind, und ihm als Minimum ein formaler Status innerhalb des Vertrags eingeräumt wird,
dringt darauf, dass die Regierungskonferenz die ausdrückliche Forderung des Sports nach Aufnahme in die Verträge, wie im gemeinsamen Textvorschlag von EOC und ENGSO niedergelegt und in der Anlage beigefügt, in Betracht zieht,
fordert nachdrücklich die Regierungen der EU-Mitgliedsländer dazu auf, die Initiative zu ergreifen und zu unterstützen, Sport als zusätzlichen Punkt auf die Tagesordnung der Regierungskonferenz zu setzen und sicherzustellen, dass dem Sport der erforderliche Schutz gewährt wird, damit er seine vielfältigen Funktionen für die Gesellschaft im Rahmen der verschiedenen Politikbereiche auch auf europäischer Ebene wahrnehmen kann."


Revision der Maastrichter Verträge: Entwurf für einen Artikel zum Sport Dieser Entwurf hat folgenden Wortlaut:

1. Die Europäische Gemeinschaft trägt zur Entwicklung des Sports in ihren Mitgliedsstaaten bei, wobei sie die Vielfalt der öffentlichen und selbstverwalteten Strukturen des Sports sowie die Zuständigkeit ihrer Mitgliedsstaaten und die Autonomie der Sportorganisationen hinsichtlich der Organisierung des Sports und seiner Regeln strikt berücksichtigt. Die Aktivitäten (Verfahrungsweisen) der Gemeinschaft tragen den integrativen Qualitäten des Sports im Rahmen Europas, seiner Bürger und der sozialen Dimension Rechnung.

2. Die Aktivitäten (Verfahrensweisen) der Gemeinschaft dienen der Ermutigung der Zusammenarbeit zwischen den für Sport verantwortlichen Organisationen in den Mitgliedsstaaten und erfüllen ihre Betätigungsfelder in den folgenden Bereichen:

+ Förderung des Austausches zwischen europäischen Bürgern auf der Grundlage der integrativen Qualitäten des Sports. Diese Austauschmaßnahmen sollten zu einer besseren Kenntnis und Akzeptanz der sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten beitragen.

+ Ermutigung zur Teilnahme am Sport als Mittel der Gesundheitsförderung für die europäischen Bürger.

+ Unterstützung von sportlichen Aktivitäten im Rahmen von sozialen Zielsetzungen im Hinblick auf die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Diskriminierung, Rassismus und Gewalt sowie durch Förderung der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen.

+ Hilfe für Sportinitiativen im Rahmen von Bildung und Erziehung, sowohl auf der Ebene von Managementtraining und sporttechnischen Experten als auch in der Schaffung von Austauschprogrammen für sportbezogene Berufe, Europäische sportliche Zusammenarbeit auf der Grundlage von Sportinstitutionen und der gegenseitigen Information über Trainingssysteme und Sportorganisationen soll besonders ermutigt werden.

+ Unterstützung von Projekten für mittel- und osteuropäische Staaten und Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit

3. Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedsstaaten ermutigen zur Zusammenarbeit mit Ländern außerhalb der Gemeinschaft und mit Sportfragen zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat.

4. Die Gemeinschaft berücksichtigt sportbezogene Aspekte in Politikbereichen, die sie auf der Grundlage anderer Klauseln des gegenwärtigen Gemeinschaftsvertrags durchführt. (...)"

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 46 / 12. November 2013, S. 32
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2013