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GESCHICHTE/431: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 233 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 47 / 19. November 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1997/I: Sportstättensituation - auch in alten Bundesländern problematisch!
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 233)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Nachdem das Präsidium des Deutschen Sportbundes am 10. Januar 1997 in Frankfurt die aktuelle Lage des Goldenen Planes Ost beraten und dazu eine Resolution verabschiedet hatte, in der die dürftige Versorgung mit Sportanlagen und der schlechte Zustand der in der ehemaligen DDR vorhandenen Sportstätten kritisiert wurde, monierte das Präsidium eindringlich, dass auch Alarmsignale aus den alten Bundesländern zur Kenntnis genommen werden müssten. Seit Jahren vorgenommene Kürzungen der Mittel für den Bau und die Unterhaltung von Sportstätten hätten inzwischen zu einer Bedrohung der Bausubstanz und der sportfunktionalen Eignung vieler Anlagen geführt.

Das DSB-Präsidium fasste nach eingehender Beratung ein Positionspapier zur Situation der Sportanlagensituation in den alten Bundesländern in einer Elf-Punkte-Resolution zusammen, die folgenden Wortlaut hat:

"1. Sport ist ein weiter wachsender Bereich. Im Gegensatz zu anderen Großinstitutionen weisen die Sportorganisationen in Deutschland ein seit Jahrzehnten ungebrochenes Mitgliederwachstum auf. Sport ist auch ein Sektor von großer und zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung. Zudem finden viele Menschen im Sport eine berufliche Existenz.

2. Sportförderung ist als öffentliche Aufgabe anerkannt. Kommunen, Länder und der Bund fördern im Rahmen ihrer Zuständigkeit subsidiär den Sport und dabei auch den Bau von Sportstätten. Viele dieser Sportanlagen dienen in erster Linie dem Schulsport und werden nach Schulschluss von Sportvereinen und anderen Gruppen, aber auch für kulturelle und sonstige Zwecke genutzt. Diese Mehrfachnutzung öffentlicher Infrastruktur ist vorbildlich.

3. In den neuen Bundesländern ist der Mangel an Sportstätten und der schlechte Zustand der vorhandenen Anlagen der gravierendste Engpassfaktor für die Sportentwicklung und die Angleichung der Mitgliedschaft in Sportvereinen an das. Niveau der alten Bundesländer. Der DSB hat in seinem Goldenen Plan Ost auf diese Situation hingewiesen und Maßnahmen zur Verbesserung vorgeschlagen. In einer Resolution hat das Präsidium des DSB am 10.1.1997 dazu aktuell Stellung bezogen. Aber auch in den alten Bundesländern ist die Lage in den vergangenen Jahren zunehmend problematisch geworden. Vor allem die prekäre finanzielle Situation der Kommunen als wichtigste Träger der Sportstättenförderung führt zu Fehlentwicklungen, die sich nicht fortsetzen dürfen.

4. Jede Sportstättenpolitik muss auf die Entwicklung der Sportnachfrage reagieren. Die Trends sind seit langem (neben einem allgemeinen Wachstum) gekennzeichnet durch einen überproportionalen Zuwachs des Anteils der Älteren, der kleineren Kinder und der Frauen. Vor allem aus diesem Grund besteht vielerorts, insbesondere aber in der Großstädten, ein deutlicher Mangel an Sporthallen und Gymnastikräumen. Andererseits hat die Sportentwicklung dazu geführt, dass an manchen Standorten eine Überversorgung mit Hallenbädern und 400-Meter-Rundlaufbahnen nicht zu übersehen ist. Der Bestand an Sportanlagen ist daher bedarfsgerecht weiterzuentwickeln und falls notwendig umzugestalten.

5. Sportstätten müssen in der Bausubstanz erhalten werden. Der Zustand vieler Sportanlagen in den neuen Bundesländern zeigt deutlich, wohin jahrelang unterlassene Bauunterhaltung führen kann. Ernste Bauschäden, funktionale Mängel, eingeschränkte Nutzbarkeit und letztlich hohe Folgekosten sind der Preis für unterlassene Substanzunterhaltung. Eine vorausschauende Sportstättenpolitik vermeidet diese Entwicklungen und trägt so zu einer längeren Lebensdauer der Anlagen und zu niedrigeren Folgekosten bei.

6. Neubau, Umgestaltung und bauliche Unterhaltung von Sportstätten sind arbeitsmarktwirksame Investitionen. Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaumaßnahmen an Sportstätten haben hohe Beschäftigungs- und Einkommenseffekte und entfalten vor allem regionale Wirkungen. Versäumnisse bei Bau und Bauunterhaltung von Sportanlagen verschärfen die kritische Situation auf dem Arbeitsmarkt, speziell in den Bauberufen. Zudem bieten Bau und Unterhaltung von Sportstätten hervorragende Möglichkeiten für Beschäftigungs- und Qualifizierungsinitiativen des zweiten Arbeitsmarktes.

7. Eine ausreichende Sportstätteninfrastruktur ist ein wichtiger "weicher" Standortfaktor, der die Attraktivität von Gemeinden und Regionen mitbestimmt. Sportstätten sind Bestandteil einer zeitgemäßen Stadtentwicklung und können das Profil einer Kommune prägen.

8. Durch gesetzgeberische Aktivitäten, die vom DSB gefordert und begleitet wurden, konnten viele Sportstätten an guten, wohungsnahen Standorten gesichert werden. Die Möglichkeiten, die Bauplanungsrecht und Immissionsschutzrecht heute eröffnen, sind so zu nutzen, dass auch bei neuen Anlagen möglichst zentrale Standorte gewählt werden und so dem Leitbild eines "Sports der kurzen Wege" entsprochen werden kann.

Leider ist zu beobachten, dass bei dem regen Wohnungsbau der vergangenen Jahre die notwendigen Wohnfolgeeinrichtungen nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Vor allem bei größeren Neubausiedlungen sind Flächen und Einrichtungen für Sport, Spiel und Erholung von Anfang an mit zu planen und zeitgleich zu realisieren.

9. Sportanlagen können eine wichtige Rolle bei der rationellen Verwendung von Energie und Wasser spielen. Der Stand der Technik gestattet heute schon erhebliche Einsparungen und damit Beiträge zum Schutz des Klimas und zur Verbesserung der Luftqualität. Solche Investitionen in die Zukunft amortisieren sich in der Regel in wenigen Jahren und führen so zu einer Kostenentlastung für Betreiber und Benutzer. Die rasche und entschlossene Umsetzung dieser Möglichkeiten dokumentiert, dass die öffentlichen Sportverwaltungen und die Sportorganisationen ihre Verantwortung für den Schutz des Weltklimas und die Einsparungen nicht erneuerbarer Ressourcen ernst nehmen.

10. Sportstättenentwicklung sollte integraler Bestandteil der kommunalen Sportpolitik und der Stadtentwicklungspolitik sein. Stadtforen für den Sport haben sich als Plattform für die Meinungsbildung bewährt. Sie sind eine wichtige Möglichkeit für die Sportvereine, ihre Vorstellungen über eine sportgerechte Stadtentwicklung zu artikulieren und im Dialog mit Politik und Verwaltung umzusetzen.

11. Der DSB wird zur Vertiefung der hier angesprochenen Fragen für Juni 1997 zu einem Expertentreffen einladen, bei dem Strategien einer zukunftsbezogenen Sportpolitik erarbeitet werden sollen."


Situation und Zukunft des Goldenen Plans Ost

Eine ernüchternde Bilanz zog das DSB-Präsidium vier Jahre nach der Verabschiedung des Goldenen Plans Ost, mit dem eine Angleichung der Lebensverhältnisse im vereinten Deutschland auch im Sport herbeigeführt werden sollte und verabschiedete dazu einstimmig das nachfolgend auszugsweise zitierte Positionspapier mit konkreten Forderungen:

"Vor vier Jahren hat der Deutsche Sportbund bei seinem Bundestag in Berlin den Goldenen Plan Ost beschlossen und der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Goldene Plan Ost war die rasche Antwort des Deutschen Sportbundes auf die quantitativ wie qualitativ besorgniserregende Sportstättensituation in den neuen Bundesländern. Er wurde auch stellvertretend für die für den Sport zuständigen Institutionen der öffentlichen Hand erstellt, etwa für die Kultusministerkonferenz als Vertretung der Schulträger. Bei dem im Goldenen Plan Ost dargestellten Bedarf handelt es sich ganz überwiegend um Anlagen für den Schulsport, das heißt um eine staatliche Pflichtaufgabe.

Die Aussagen des Goldenen Plans Ost sind bis heute unbestritten, das dort formulierte Ziel einer Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen alten und neuen Bundesländern in Bezug auf die Versorgung mit Sportstätten in einem überschaubaren Zeitraum ist von allen zuständigen politischen Instanzen wiederholt bestätigt worden. (...)

Trotz der dürftigen Qualität der statistischen Informationen über die für den Sportstättenbau in den neuen Ländern ausgegebenen Beträge lässt sich die Aussage machen, dass das im Goldenen Plan Ost als notwendig erkannte Volumen an Sanierung und Neubau bisher weit verfehlt wurde. Bliebe es bei den Haushaltsansätzen der vergangenen Jahre, hätte der Goldene Plan Ost bis zu seiner Abarbeitung eine rechnerische, theoretische "Laufzeit" von etwa 75 Jahren. Nach neuesten Informationen ist darüber hinaus zu befürchten, dass die Sportstättenmittel für 1997 gegenüber 1996 drastisch gekürzt werden. (...)

Das Präsidium des DSB fordert die politisch Verantwortlichen auf allen staatlichen Ebenen auf, die Angleichung der Lebensbedingungen in Bezug auf die Sportstättenversorgung in den neuen Bundesländern mit größerem Nachdruck zu betreiben und damit der gesamtstaatlichen Verantwortung für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse gerecht zu werden."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 47 / 19. November 2013, S. 21
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2013