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GESCHICHTE/434: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 236 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 50 / 10. Dezember 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1997/IV: Auf dem besten Wege, "alte Zöpfe abzuschneiden"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 236)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Die Verabschiedung einer Resolution mit der Forderung zum Erhalt des Bundesausschusses Frauen im Sport und zweier Anträge standen im Mittelpunkt der Arbeitstagung und Vollversammlung des Bundesausschusses Frauen im Sport des DSB vom 25. bis 27. September 1997 in Timmendorf. Das Motto der dreitägigen Veranstaltung lautete "Den Wandel gestalten - Veränderungsprozesse in Sportorganisationen: Voraussetzungen und Modelle". Zu diesem Hauptthema referierten die Sportwissenschaftlerin Dr. Andrea Menze-Sonneck (Bielefeld) und die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, Helga Schulz (Bonn). Grußworte sprachen der Ehrenpräsident des Deutschen Sportbundes und Präsident des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, Hans Hansen, die Bundestagsabgeordnete Ilse Janz und das Präsidiumsmitglied des Landessportverbandes Schleswig-Holstein, Hannelore Kreutzfeld.

Hans Hansen bezeichnete die Satzungsänderungen bei den Bundestagen des Deutschen Sportbundes 1994 und 1996 als Meilensteine für sportliche Frauenarbeit und als Weichenstellung für die stärkere Integration von Frauen in den Führungsebenen. Der DSB-Ehrenpräsident verhehlte auch nicht, dass in der letzten Präsidiumssitzung "in Diskussion und Meinungsbildung durchaus offensiv vom künftigen Wegfall des Bundesausschusses Frauen im Sport gesprochen wurde - unter der Voraussetzung natürlich, dass in allen Gremien für eine Frauenvertretung ebenso wie für eine Verankerung entsprechender Arbeitsschwerpunkte gesorgt wird". Dass die Zeit dafür noch nicht reif ist, wurde von der Frauen-Vollversammlung mit der einstimmig beschlossenen Resolution unterstrichen.

Nachfolgend Auszüge aus der Ansprache des DSB-Ehrenpräsidenten sowie der Wortlaut der einstimmig verabschiedeten Resolution:

"Wer heute eine Standortbestimmung des Frauensports in Deutschland vornimmt und im Vordergründigen hängenbleibt, könnte durchaus ins Schwärmen geraten. Zahlen und Zuwachsraten künden vom stetigen Aufschwung. Zehn Millionen weibliche Mitglieder registrieren wir in den Vereinen und Verbänden. Das sind 38 Prozent aller DSB-Mitglieder oder - in anderem Bezug - ein Viertel der weiblichen Bevölkerung unseres Landes. Jedes Jahr kommen 200.000 neue weibliche Mitglieder hinzu. Mit dem Frauenanteil in den Führungsgremien geht es dagegen etwas langsamer voran. Im Deutschen Sportbund registrieren wir 20 Prozent, in den Landessportbünden 18 und in den Spitzenverbänden lediglich zehn Prozent. Aber auch hier: Tendenz im bescheidenen Maße steigend. Als Meilensteine in der sportlichen Frauenarbeit werden zu Recht die Frauenförderpläne auf verschiedenen Organisationsebenen und die Satzungsänderungen auf den DSB-Bundestagen 1994 und 1996 eingestuft, wo den Frauen mehr Rechte zugebilligt und Weichenstellungen für die stärkere Integration in die Führungsebenen vorgenommen wurden. Der Bundestag in Leipzig im vergangenen Jahr wird häufig sogar euphorisch als das Datum genannt, wo in Sachen Frauensport der entscheidende Durchbruch gelang.

(...) Die Rahmenbedingungen allein reichen nicht, um die Gleichstellung der Geschlechter zu sichern. Sie müssen mit Leben erfüllt werden. Frauen müssen vor allem bereit sein, Positionen - und damit auch Macht - anzustreben. Dazu gehört wiederum, dass in den Mitgliedsorganisationen entsprechende Kandidatinnen nicht nur theoretisch eingeplant, sondern auch gezielt angesprochen, motiviert und konkret vorgeschlagen werden. (...) Vor allem wir Männer müssen hier umdenken. (...)

Wir alle sind gehalten, Frauenarbeit künftig als Querschnittsaufgabe zu verstehen. Und das bedeutet, dass Frauenthemen integrativer Bestandteil sämtlicher Arbeitsbereiche sein müssen. (...) Das DSB-Präsidium hat sich in seiner letzten Sitzung mit Strukturveränderungen im ehrenamtlichen und hauptamtlichen Bereich und damit auch mit der Entwicklung im Frauensport und ihren Folgerungen beschäftigt. Dabei ist in der Diskussion und Meinungsbildung durchaus offensiv vom künftigen Wegfall des Bundesausschusses Frauen im Sport gesprochen worden - unter der Voraussetzung natürlich, dass in allen Gremien für eine Frauenvertretung ebenso wie für eine Verankerung entsprechender Arbeitsschwerpunkte gesorgt wird. Wobei es denkbar wäre, so betonte man ausdrücklich, dass eine Vizepräsidentin oder ein Vizepräsident für Frauenfragen zuständig sei. (...) Der richtige Weg ist zunächst sicher der, die durch die Strukturveränderungen eröffneten. Möglichkeiten offensiv und nachhaltig zu nutzen. Das heißt, dass die Frauen ihre Chancen wahrnehmen und die Männer umdenken und ihr Verständnis von Gremienarbeit reformieren. Und wenn dies alles sachorientiert geschieht, vom Verständnis für Umdenkungsprozesse und der notwendigen Toleranz getragen wird, dann sollten wir bald in der Lage sein, alte Zöpfe abzuschneiden und in dem Falle tatsächlich auch mit den Traditionen zu brechen."


Resolution der Timmendorfer Vollversammlung

"Mit den Beschlüssen des Bundestages des DSB 1996 in Leipzig wurde eine Erhöhung des Frauenanteils in den Gremien des DSB satzungsmäßig verankert. Hierdurch wurde eine wichtige Voraussetzung für eine verbesserte gemeinsame Arbeit und Verantwortung im Sport geschaffen. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist jedoch noch nicht erreicht. Deshalb ist die institutionelle Absicherung ehren- und hauptamtlicher Mitarbeit von Frauen auf allen Gebieten des Sports bis in die Vereine unverzichtbar.

Die Vollversammlung des Bundesausschusses Frauen im Sport fordert deshalb,

  • den Fortbestand des Bundesausschusses Frauen im Sport zu sichern,
  • die jährliche Vollversammlung beizubehalten,
  • auf hauptamtlicher Ebene das selbständige Fachgebiet Frauen im Sport in der Hauptverwaltung zu erhalten.

Darüber hinaus fordert die Vollversammlung, dass die gewählte Vorsitzende des Bundesausschusses Frauen im Sport im Präsidium des DSB den Status einer Vizepräsidentin erhält. Nur der Fortbestand der jetzigen Strukturen stellt sicher, dass Mitwirkung und Einflussnahme in wichtigen gesellschaftlichen Organisationen im In- und Ausland überhaupt möglich sind."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 50 / 10. Dezember 2013, S. 31
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2013