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GESCHICHTE/448: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 249 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 15 / 8. April 2014
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1998/VIII: Gesellschaftliche Bedeutung des Sports in neuer Qualität
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 249)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Der 25. DSB-Bundestag am 27./28. November 1998 im Kurhaus von Baden-Baden stand unter dem Thema "Der Sport: Soziales Leitbild für alle?" In seiner Grußansprache erklärte der für die Sportförderung in der Bundesregierung zuständige Innenminister Dr. Otto Schily, dass das Fragezeichen beim Leitthema hätte weggelassen werden können. Auch Hauptreferent Eike Emrich stellte in seinem Vortrag fest, dass die Sportvereine in unserer Gesellschaft "funktionierende Sozialstationen" und auch für das neue Jahrtausend gerüstet seien. Nachstehend Auszüge aus der Ansprache des Innenministers, in der Schily auch mehrere Grundsatzthemen ansprach:

"Es ist ein gutes Zeichen, dass Fragen, wie die neue Regierung die Sportpolitik bewertet und einordnet, auf durchweg großes Interesse stoßen. Dies zeigt augenfällig den besonderen Stellenwert, den der Sport in der modernen Gesellschaft besitzt. Denn er leistet nicht nur einen grundlegenden Beitrag für eine sinnvolle, aktive Freizeitgestaltung, sondern übernimmt darüber hinaus auf vielfältige Weise soziale Funktionen, zuletzt ist er ein unverzichtbares Element aktiver Gesundheitsvorsorge.

Lassen Sie mich daher ganz klar sagen, dass diese neue Bundesregierung dem Sport in Deutschland eine herausragende Bedeutung zumisst. Dabei liegt für uns ein zentraler Ansatz in dem Bewusstsein, dass der Sport vom sozialen Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger lebt und daraus immer wieder neu jedem Einzelnen wie dem Gemeinwesen als Ganzes wichtige Impulse geben kann.

Die Förderung des Sports haben wir als wichtiges Ziel dieser Bundesregierung in der Koalitionsvereinbarung ausdrücklich niedergelegt. Sportförderung durch die öffentliche Hand ist zugleich ein Beitrag zur Wahrung der Unabhängigkeit des Sports; auch deshalb zählt sie zu den verantwortungsvollen Aufgaben der Politik. Die Bedeutung des Spitzensports steht dabei für den Bund schon allein wegen der vorgegebenen Zuständigkeitsaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen außer Frage. Zu den Zielen unserer Sportpolitik gehört es aber auch, dem Breitensport die hinreichende Aufmerksamkeit zu schenken.

Gute Sportmöglichkeiten in Vereinen und Verbänden sind für die Erziehung unserer Jugendlichen sehr wertvoll und sie ermöglichen das Erkennen von Talenten, die dann weiter gefördert werden können. Bei den Sportstätten in den neuen Bundesländern gibt es noch einen Nachholbedarf. Deshalb werden wir ein Sonderförderprogramm für Sportstätten nach den Kriterien des "Goldenen Plans Ost" auflegen. Im Rahmen dieses Sonderförderprogramms wollen wir Wege finden, um die Sportstätten in den neuen Ländern an den westlichen Standard heranzuführen.

Natürlich kann dieses Sportstättenprogramm nicht nur eine Aufgabe des Bundes sein. Es wird darum gehen, ein ausgewogenes Finanzierungsprogramm von Kommunen, Ländern und Bund zustande zu bringen. Ebensowenig wird alles auf einmal geschehen können. Aber wir werden damit nächstes Jahr beginnen und auch bei dem Umbau auf einen fairen Interessenausgleich zwischen Sport im Freien und dem Natur- und Umweltschutz achten. Denn gerade für den Sport im Freien liegen intakte Umwelt und unbelastete Natur im wohlverstandenen eigenen Interesse.

Das Bundesinnenministerium ist verantwortlich für den Spitzensport und ich möchte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass für uns der Spitzensport - nicht zuletzt aus Gründen gesamtstaatlicher Repräsentation - nach außen wie auch nach innen von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Wir werden daher dem Spitzensport die notwendige materielle Förderung zukommen lassen, damit deutschen Sportlerinnen und Sportlern Chancengleichheit im internationalen Wettbewerb gesichert ist.

Staatliche Leistungssportförderung setzt jedoch eine humane Gestaltung des Leistungssports voraus und verlangt zwingend einen entschiedenen Kampf gegen Doping. Hier ist in erster Linie der Sport, auf nationaler wie auf internationaler Ebene, gefordert, die notwendigen Kontrollen sicherzustellen und insbesondere einen Katalog wirksamer Sanktionen gemeinsam abzustimmen.

Soweit hier Lücken bleiben, die außerhalb der Wirkungssphäre des Sports liegen und daher durch den Sport selbst nicht bereinigt werden können, wären diese durch ergänzende staatliche Maßnahmen zu schließen. Der Sport ist in diesen Fragen mit schwierigen Problemen konfrontiert. Er wird sich diesen Problemen im Rahmen seiner Autonomie annehmen müssen. Die Politik ist bereit, da unterstützend einzugreifen, wo die Mittel des Sports nicht weiterhelfen.

Der Sport spielt im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses und beim Aufbau eines "Europa der Bürgerinnen und Bürger", eines Raumes der Freiheit, des Rechts und der Sicherheit, eine herausragende Rolle. Ebenso wie die Kultur ist der Sport ganz besonders zur Integration der verschiedenen sozialen Schichten und ethnischen Gruppen geeignet. Ich habe mich deshalb auch gefreut, dass es gelungen ist, den Sport bei der Revision der Maastrichter Verträge mit einer sogenannten "Sporterklärung" zu berücksichtigen.

Nun weiß ich freilich, dass diese Deklaration nicht Teil des Vertrages und damit rechtlich nicht bindend ist. Sie ist jedoch eine politische Absichtserklärung der Regierungschefs, die den Willen zur stärkeren Positionierung des Sports in der Kommission zum Ausdruck bringt, und weist damit einen Weg, auf dem wir weitergehen werden.

Der Deutsche Sportbund hat diesen Bundestag dem zentralen Thema: Der Sport: "Soziales Leitbild für alle?" gewidmet. In einer Zeit, in der der Wunsch nach sozialem Zusammenhalt unverändert an vorderster Position der Rangliste möglicher Wünsche der Bundesbürgerinnen und Bürger für die Zukunft steht, weisen Sie damit zugleich auf die herausgehobene gesellschaftspolitische Aufgabe des Sports hin."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 15 / 8. April 2014, S. 28
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2014