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GESCHICHTE/462: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 260 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 27 / 1. Juli 2014
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1999/X: DSB beschließt Ausweitung des Anti-Dopingkampfes
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 260)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Die Fortschreibung der Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings und damit verbunden eine Verschärfung des Strafkatalogs bei Manipulationen waren die wichtigsten Beschlüsse bei der DSB-Hauptausschuss-Sitzung am 27. November 1999 in Frankfurt/Main. DSB-Präsident Manfred von Richthofen stellte in seinem "Bericht zur Lage" fest, dass die gemeinsame Anti-Doping-Kommission von DSB und NOK mit jedem neuen Doping-Fall, so enttäuschend und besorgniserregend er auch sein möge, in ihrer Arbeit bestätigt werde, denn es werde der Beweis angetreten, "dass unser Doping-System greift".

Nach den entsprechenden Ergänzungen der Doping-Rahmenrichtlinien sind künftig auch Cannabinoide, wie beispielsweise Marihuana und Haschisch verboten. Nach der Reform des Arzneimittelgesetzes werden die Verbände aufgefordert, beim Verdacht eines Verstoßes gegen Personen aus dem Umfeld des Athleten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu erstatten. Zudem sollen künftig des Dopings überführte und bestrafte Sportler für die nächste internationale Meisterschaft innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren gesperrt werden.

Als Grundlage für die Beratungen lag den Delegierten des Hauptausschusses der folgende Bericht des Vorsitzenden der Anti-Doping-Kommission Prof. Dr. Ulrich Haas vor:

"Anti-Doping-Kommission

Besetzung der Kommission

Nach dem altersbedingten Ausscheiden des Vorsitzenden Karl-Friedrich Brodeßer anlässlich des Bundestages 1998 wurde Prof. Dr. Ulrich Haas zum 1.5.1999 vom DSB-Präsidium zum neuen Vorsitzenden berufen. In der Zwischenzeit wurde die Kommission von Prof. Dr. Dirk Clasing kommissarisch geleitet. Auf Vorschlag des Beirates der Aktiven wurde Chris-Carol Bremer ebenfalls neu berufen. Über die Ergänzung der Kommission durch einen weiteren Juristen hat das Präsidium noch nicht abschließend entschieden. Innerhalb der ADK und im Präsidium wird eine Diskussion über eine größere Unabhängigkeit der ADK geführt, die noch in diesem Jahr zu ersten Ergebnissen führen soll.

Doping-Kontroll-System

Im Jahr 1998 wurden 4.037 Proben außerhalb des Wettkampfes genommen. 96 % der Kontrollen wurden mit einer Vorankündigungszeit zwischen null (37% der Kontrollen), zwei Stunden (40 %) und sechs Stunden (19 %) durchgeführt. Sechs A-Proben waren positiv. In einem Fall wurde eine Athletin vom Verbandsgericht vom Vorwurf des Dopings freigesprochen, in fünf Fällen wurden Sanktionen zwischen 3 Monaten und zwei Jahren ausgesprochen.

Auf Veranlassung der Mitgliedsverbände des DSB wurden 2.792 Kontrollen bei Wettkämpfen durchgeführt, in 30 A-Proben wurde eine verbotene Substanz nachgewiesen. Darunter waren neun ausländische Athleten/innen, die entsprechenden nationalen bzw. internationalen Verbände wurden darüber informiert. In den 21 Fällen, bei denen deutsche Sportler/innen beteiligt waren, wurden die entsprechenden Sanktionen verhängt, ein Athlet wurde vom Verbandsgericht vom Vorwurf des vorsätzlichen Dopings freigesprochen.

Der Deutsche Tennis Bund und alle deutschen Radprofis wurden zum 1.1.1999 in das Kontroll-System eingebunden, mit dem Landessportbund Niedersachsen wurde die Ausweitung der Kontrollen im D/C-Kaderbereich vereinbart.

Die Ergebnisse der Blutstudie wurden von den Labors in Kreischa und Köln im Herbst 1999 vorgelegt. Zwischenfazit ist, dass Blutproben bei der Bestimmung des EPO-Missbrauches im Vergleich zu Urinproben besser geeignet erscheinen.

Im Frühjahr 1999 hat die ADK gemeinsam mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband ein Folgeprojekt mit Athleten/innen de Ausdauerdisziplinen begonnen, das bis zum Jahresende abgeschlossen sein soll. Hiervon erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler weiterführende Erkenntnisse im Hinblick auf ein entsprechendes Nachweisverfahren.

Auf Initiative der Athleten des Deutschen Schwimm-Verbandes werden für die Teilnehmer der Weltmeisterschaft 1998 im Rahmen einer Langzeitstudie Steroidprofile angelegt.

Die Medizinische Kommission des IOC hat zum 31.1.1999 beschlossen, dass erstmals bei den Olympischen Spielen in Sydney Tests auf Haschisch und Marihuana durchgeführt werden und der Missbrauch geahndet wird. Die ADK prüft derzeit, ob auch auf nationaler Ebene eine Empfehlung zum Verbot von Haschisch und Marihuana an die Mitgliedsverbände gegeben werden soll. Durch den Einsatz der Kohlenstoffmassenspektrometrie sind die vom IOC akkreditierten Labors nun in der Lage, einen präziseren Nachweis von Testosteron und anderen körpereigenen Steroidhormonen zu führen.

In einer Novelle zum Arzneimittelgesetz hat die Bundesregierung künftig auch die unentgeltliche Weitergabe von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport unter Strafe gestellt. Damit werden Ermittlungen und Sanktionen auch im Umfeld der Sportler/innen möglich.

Aufklärung und Erziehung

Im Jahr 1999 wurden die "Liste zulässiger Medikamente" sowie die Informationskarte "Dopingkontrollen im Sport" aktualisiert. Sämtliche Aufklärungs- und Informationsbroschüren können ab dem Jahr 2000 auch im Internet abgerufen werden. Spezielles Informationsmaterial wird zur Zeit auch für die Übungsleiterausbildung entwickelt und für den Einsatz im Schulunterricht didaktisch aufbereitet.

Das Referat Anti-Doping hat ein Handbuch für Anti-Doping-Beauftragte erstellt, das bei der Tagung der Anti-Doping-Beauftragten im November 1999 in Köln vorgelegt werden wird. Nach den bislang vorliegenden Rückmeldungen stößt die Veranstaltung wieder auf starkes Interesse der Verbände. Die Anti-Doping-Kommission hat das Gesundheitsministerium um Prüfung gebeten, die Beipackzettel der Medikamente künftig mit einem Hinweis auf darin enthaltene verbotene Substanzen zu versehen.

Damit soll sichergestellt werden, dass Dopingverstöße nicht aus Unkenntnis entstehen. Das Ergebnis der Prüfung steht noch aus.

Internationale Aktivitäten

Vom 2. bis 4. Februar 1999 fand in Lausanne eine vom IOC initiierte Weltkonferenz zum Doping im Sport statt. Die deutsche Delegation wurde von den Präsidenten des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland angeführt. Die Position des deutschen Sports war im Vorfeld von einer Arbeitsgruppe von DSB und NOK herausgestellt worden.

Schwerpunkt der Konferenz war die Diskussion über die Einführung einer Mindestsperre von zwei Jahren beim Erstvergehen sowie die Einrichtung einer vom IOC unabhängigen Internationalen Anti-Doping-Agentur. Diese Agentur soll noch vor den Olympischen Spielen in Sydney ihre Arbeit aufnehmen. Ein Aufgabenschwerpunkt wird die Etablierung weltweiter Kontrollprogramme mit Mindeststandards sein.

Auf Initiative der Präsidenten des DSB und des CNOSF ist eine deutsch-französische Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die bereits einmal in Paris zusammengekommen ist. Gegenseitige Information, gegenseitige Kontrollmaßnahmen und gemeinsame Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen sind die wesentlichen Ziele der Arbeitsgruppe.

Im Sommer 1999 informierten sich Experten der Australien Sport Drug Agency über die Arbeit der ADK. Im Hinblick auf eine stärkere internationale Kooperation der engagiert gegen Doping kämpfenden Länder besteht von beiden Seiten ein starkes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit, die im Rahmen eines Abkommens auch formal bekräftigt werden soll. Ein entsprechender Vertragsentwurf liegt bereits vor und wird von der ADK geprüft."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 27 / 1. Juli 2014, S. 34
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2014