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FRAGEN/009: Dr. Klaus Schormann - Jugend-Olympische Spiele (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Jugend-Olympische Spiele

Fünf Fragen an Dr. Klaus Schormann, Präsident des Internationalen Verbandes für Modernen Fünfkampf


"Intelligente Begleitung des Sports über erzieherische Maßnahmen"

DOSB PRESSE: Die Olympischen Jugendspiele werden erstmals 2010 ausgetragen. Sport, Kultur und Begegnung sollen dabei einen Dreiklang bilden. Warum hat das beschlossene Reformprojekt so viele Kritiker gefunden?

SCHORMANN: Ich sehe es nicht als Reform an. Auf der IOC-Session in Guatemala-Stadt ist Anfang Juli etwas Neues entschieden worden. Die IOC-Vollversammlung diskutierte dabei lange und intensiv über den Vorschlag von Präsident Jacques Rogge und von der IOC-Exekutive, das Projekt "Youth Olympic Games" umzusetzen. Wir als internationale Verbände waren vorher durch Gespräche mit dem IOC-Präsidenten einbezogen worden. Nebenbei, die Innovation ist ja gar nicht so neu: Wir kennen die Europäischen Jugendspiele, die Spartakiaden in den ehemaligen Ostblock-Ländern sowie die Welt- und kontinentalen Meisterschaften der internationalen Verbände für Jugend A und B. Von daher wundert es mich sehr, dass in Deutschland darüber diskutiert wird, warum das Projekt so "überraschend" umgesetzt wurde und dass es so negativ bewertet wird: mit den Schlagworten "früher Doping", "früher Manipulation". Also, dann verstehe ich Erziehung und Pädagogik nicht mehr, denn wir müssen doch gerade bei den jungen Menschen anfangen, sie dazu zu erziehen, damit sie sich nicht dopen, damit sie sich ethisch verhalten, damit sie sich moralisch verhalten. Gerade mit diesem kognitiven Sektor, mit der intelligenten Begleitung des Sports über erzieherische Maßnahmen sollten wir doch früh genug ansetzen. Durch die Jugend-Olympischen Spiele wird hier eine große Chance geboten.

DOSB PRESSE: Die IOC-Kulturkommission hat beschlossen, eine Projektgruppe zu bilden, eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe, der Sie vorstehen. Erarbeitet werden soll ein Konzept für die 35 internationalen Fachverbände für die erste Auflage des neuen Sommerwettbewerb 2010 und dann für die Jugend-Winterspiele 2012. Was werden die Eckpfeiler sein?

SCHORMANN: Es geht nicht nur um Sport, um die physische Leistung, sondern auch um die Intelligenz, um das human being, um olympische Erziehung - das soll vermittelt werden. Wir haben schon einiges überlegt und überarbeiten dies gerade. Einige der Kernfragen: Wie können wir die Integration vollziehen, von den unterschiedlichen Glaubensbereichen und Religionen, von der Gleichberechtigung her? Also, es geht um die gender-Frage. Denn wir wollen einen gleichen Anteil von 14- bis 18-jährigen Jungen und Mädchen haben. Wichtig ist, dass Sportdisziplinen ausgesucht werden, die wirklich weltweit angeboten werden können. Schließlich wollen wir über die Jugend neue Impulse für den Weltsport setzen. Es geht auch darum, den Ländern Unterstützung zu geben, die developing countries sind, die sich entwickeln, damit sie sich stärker als bisher in die olympische Bewegung einbringen können. Und es geht vielleicht auch um die eine oder andere neue Sportdisziplin. Hier haben wir die große Chance, einen Fächer aufzumachen, der in die Zukunft weist. Das, was im bei Jugend-Olympischen Spielen ausprobiert wird und ankommt - es trifft sich ja dann wahrhaftig die Jugend der Welt -, das gilt es als Chance zu begreifen.

DOSB PRESSE: Sie haben Unverständnis geäußert, dass einige Funktionäre, aber auch Medienvertreter die Neuerung kritisch beäugen.

SCHORMANN: Es sind die typischen Bedenkenträger. Also, man kann doch nicht davon sprechen, dass das IOC mit einer neuen Idee förmlich überfallen wurde. Es ist eine Idee, über die schon lange diskutiert wurde, auch schon unter der Präsidentschaft von Juan Antonio Samaranch. Die internationalen Föderationen haben sich schon sehr lange damit beschäftigt. Ich habe es dieser Tage Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gesagt, dass ich wirklich erstaunt sei, wie konservativ und vorlaut-negativ viele meiner deutschen Kollegen sich schon geäußert haben. Mein Hauptargument: Wenn wir schon über Pädagogik sprechen, wann soll denn der Erziehungsprozess einsetzen? Wenn die Athleten 20, 21 Jahre alt sind? Ich meine: Wenn die Athleten sehr jung sind, sollten wir dem Sport pädagogische Maßnahmen begleitend zur Seite stellen.

DOSB PRESSE: Konkret, wer soll bei den ersten Olympischen Jugendspiele 2010 in welchen Sportarten an den Start gehen?

SCHORMANN: Die internationalen Föderationen wurden ja bereits in Guatemala-Stadt kontaktiert. Das Sport-Department des IOC hat bereits mit jedem einzelnen Verband Gespräche geführt. Es gab die Verpflichtung, bis Ende Juli Grundkonzepte für die Sportarten vorzulegen, damit Bewerberstädte für 2010 wichtige Orientierungspunkte erhalten. Wer sollte starten? Es sollen von den jeweiligen NOKs nur einige wenige entsandt werden, 3.000 Athleten insgesamt. Wir wollen die Bandbreite des olympischen Sports demonstrieren und darüber hinaus einiges mehr. Beispielsweise werden in der Leichtathletik und im Schwimmen nicht alle Disziplinen herangezogen werden, bei den Ruderern können wir uns keinen Achter mit Kindern vorstellen, und es gibt den Basketball-Vorschlag, Spiele drei gegen drei auszutragen. Es kommt darauf an, wie die internationalen Föderationen ihre Prioritäten setzen, um die Jugend erneut zu motivieren.

DOSB PRESSE: Es soll ja wohl keine reine Leistungssport-Show der Kiddies geben. Qualifikationskriterien werden sportliche Leistungen und der kulturelle Faktor sein. Wie kann man das festzurren?

SCHORMANN: Das ist eine Herausforderung für die internationalen Verbände, dass sie - wie wir es schon von früher von olympischen Jugendlagern her kennen -, gewisse Tests vornehmen, die im kognitiven, intellektuellen Bereich angesiedelt sind, natürlich verbunden mit sportlichen Kriterien. Hier gibt es eine klare Aussage des IOC-Präsidenten: Starter sollen Spitzenathleten sein, aber nicht die Topsportler, die bei Olympischen Spielen schon gestartet sind, etwa im Turnen. Es soll wirklich der Nachwuchs sein, der vielleicht später mal zu Olympia kommt. Angedacht ist, bei der Eröffnungs- und Schlussfeier sowie im Athletendorf kulturelle Angebote zu unterbreiten. Und für die so genannten Zwischenphasen, in denen die jungen Leute sportlich nicht aktiv sind, müssen Programmpunkte her. Sie sollen permanent, parallel laufend kulturelle Aktivitäten nachgehen können: musikalisch, in den fine arts, auf literarischen und diskursiven Podien, vorgeschlagen sind ein Textwettbewerb für Eigenverfasstes und Diskussionsrunden, etwa über medizinische und biochemische Fragen. Die Angebote müssen breit angelegt sein, damit man den Alters- und den Interessensgruppen entgegen kommt. Ganz entscheidend sollte sein, dass die jungen Leute von sich aus die Angebote wahrnehmen wollen. Gedacht ist zum Beispiel daran, dass an einem halben Tag, an dem kein Wettkampf stattfindet, die 3.000 Aktiven gemeinsam kulturellen Aktivitäten nachgehen. All diese Vorschläge sammeln wir jetzt, und dann überlassen wir es den Hauptamtlichen des IOC, wie dieses kulturelle Programm endgültig gestaltet werden kann.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 37 vom 10. September 2007, Seite 4-6
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2007