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FRAGEN/012: Dr. Michael Vesper zum Thema Doping und Fairplay (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

"Fairplay ist der zentrale Wert der olympischen Idee"

Stichwort: Doping und Fairplay
Vier Fragen an Dr. Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes


DOSB PRESSE: Doping, Doping über alles - fünf Monate lang dominierte in den deutschen Medien die Berichterstattung über die betrügerischen Manipulationen im Spitzensport. Langsam erwacht wieder in der Bevölkerung das Interesse an der Faszination des Sports und der Topleistungen. Ihr Eindruck, bitte?

VESPER: Die Diskussion über Fairplay und dessen Gegenteil, nämlich den Betrug durch Doping, war überfällig, sie ist viel zu lange vernachlässigt worden. Dass dann zeitweilig alles, aber auch wirklich alles, im Sport durch die Doping-Diskussion in den Hintergrund gedrängt wurde, war wohl nicht zu vermeiden. Der DOSB hat sich dieser Diskussion offensiv gestellt, nicht nur durch das 10-Punkte-Aktionsprogramm, das wir vor einem Jahr in Weimar verabschiedet haben, sondern auch durch viele andere Maßnahmen - von der Berufung unserer Anti-Doping-Vertrauensleute über unseren großen Anti-Doping-Workshop vom September 2007 bis hin zu den "Compliance-Berichten", die wir in Übereinstimmung mit den Spitzenverbänden künftig jährlich erheben werden. Darum ärgert es mich, wenn manche behaupten, wir gingen mit dem Thema gleichgültig um, das Gegenteil ist der Fall. Niemand weiß besser als der Sport selbst, dass Doping seine Legitimationsgrundlagen angreift. Der Sport würde den Ast absägen, auf dem er sitzt, wenn er hier nachlässig wäre. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat dieses Thema für uns höchste Priorität. Allerdings spüre ich jetzt im Vorfeld von Olympia auch, dass der Sport selbst wieder etwas stärker in den Vordergrund rückt, ja, ich spüre ein zunehmendes - lassen Sie es mich so sagen: - Kribbeln in der Vorfreude auf die Olympischen Spiele in Peking. Das ist gut so, dies heißt aber nicht, dass wir deswegen den Kampf gegen Doping vernachlässigen werden. Auf keinen Fall!

DOSB PRESSE: Fairplay, eigentlich ein Begriff aus dem englischen Gentleman-Sport. Er wird außerhalb des Sports nicht verstanden. In einer Umfrage heißt es, gemeint seien wohl Kindergarten-Tugenden, es klinge nach Kuschelpädagogik moderner Erzieherinnen. Es ist also noch eine Menge zu tun, um die olympische Erziehung transparent darzustellen, oder?

VESPER: Keine Frage! Fairplay ist einer, wenn nicht der zentrale Wert der olympischen Idee. Und der Begriff ist natürlich zunächst einmal ein Wert an sich, für den es eine intrinsische Motivation gibt, der aus eigenem Antrieb heraus wirkt. Deutlich geworden ist bei dem Kongress in Frankfurt am Main, dass dieser Wert auch einen klaren ökonomischen Bezugsrahmen hat. Denn ein Sport, der dem Grundsatz des Fairplay nicht mehr zur Durchsetzung verhelfen, der also die Integrität des Wettbewerbs nicht mehr sicherstellen könnte, hätte seine Legitimationsgrundlage verloren. Deswegen ist es auch im wohlverstandenen ökonomischen Interesse des Sports, dem Wert des Fairplay zur Durchsetzung zu verhelfen.

DOSB PRESSE: Und die Realität? Sieht sie nicht herber aus, als die Sportführung sie beschreibt? Verbleibt in Zeiten der gnadenlosen Globalisierung und Kommerzialisierung etwa nur - frei nach Ernst Bloch - das Prinzip Hoffnung?

VESPER: Beides wäre falsch: Schönfärberei und eine naive Hoffnung, allerdings auch der leider übliche Generalverdacht gegen alles und jenes. Ich sage es sehr deutlich: Mit Sicherheit stimmt es nicht, dass jeder, der eine gute sportliche Leistung hinlegt, dies mit Hilfe unerlaubter Mittel schafft. Die ehrlichen Spitzensportler, die nicht betrügen, sind nach wie vor der Normalfall. Sie zu schützen und die Unehrlichen abzuschrecken und zu bestrafen, ist Sinn unseres Dopingkontrollsystems. Hier sind wir mittlerweile ein gutes Stück vorangekommen, und ich bin zuversichtlich, dass die Neuformierung der NADA nach der Krise am Jahresbeginn ihre Früchte trägt.

DOSB PRESSE: Viele sportpolitischen Beobachter meinen nun aber, die vom DOSB-Präsidium beschlossenen Olympiaqualifikationsnormen seien die falsche Reaktion. Gefordert wird für alle Olympiastarter die so genannte begründete Endkampfchance, also das Erreichen der Plätze eins bis acht. Schon das NOK für Deutschland als Vorläuferorganisation hatte dieses Kriterium. Ist dieser hohe Level eine schwierige Gratwanderung?

VESPER: Wir gehen einen vernünftigen Mittelweg. Natürlich wollen wir eine möglichst große und möglichst erfolgreiche Mannschaft nach Peking schicken, natürlich wollen wir alle, dass unsere Sportlerinnen und Sportler bei Olympia vorne mit dabei sind. Allerdings wissen wir, dass in der einen oder anderen Sportart keine Deutschen in der Weltspitze mitmischen, nicht nur im 100-m-Lauf in der Leichtathletik. Senkten wir nun die Qualifikationshürden so ab, dass selbst in diesen Disziplinen Teilnehmer mit-fahren könnten, die dann in den Vorläufen oder Vorentscheidungen alle ausschieden, dann wäre ja "Reiseunternehmen Olympia" noch die freundlichste Schlagzeile, die uns entgegengehalten würde. Nein, wir müssen unsere Mannschaft schon erfolgsorientiert zusammenstellen. Wir haben in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden vernünftige Normen aufgestellt. Am Ende trifft das DOSB-Präsidium die Entscheidungen, wer in die Mannschaft aufgenommen wird und wer nicht. Positive Einzelfallregelungen sind durchaus möglich.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 43, 23. Oktober 2007, S. 10-11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2007