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FRAGEN/021: Dr. Hans-Georg Moldenhauer zum Stichwort Kienbaum (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Kienbaum
Fünf Fragen an Dr. Hans-Georg Moldenhauer, Vorsitzender des Trägervereins Bundesleistungszentrum Kienbaum und DFB-Vizepräsident

"Unterdruckkammer könnte Museumsobjekt werden"


DOSB PRESSE: Einst Kaderschmiede des DDR-Spitzensports, heutzutage von vielen Athleten als Deutschlands Trainingszentrum Nummer eins bezeichnet. Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung von Kienbaum zufrieden?

MOLDENHAUER: Diese Frage muss mit einem uneingeschränkten, klaren "Ja" beantwortet werden. Im letzten Jahrzehnt gab es dank der finanziellen Unterstützung durch das BMI eine Vielzahl von Neu- und Umbauten. So entstanden die dringend benötigte Mehrzweckhalle, ein allen Ansprüchen gerecht werdender Kraftraum, ein Funktionsgebäude für die Kanuten und drei moderne Pavillons. Die große Spiel- und Schwimmhalle wurde abgerissen, entkernt und von Grund auf wieder errichtet, ebenso die Mensa einschließlich des gesamten Tagungstrakts sowie die finnische Sauna. Darüber hinaus erhielt auch der Wohnbereich von Kienbaum II eine Komplettsanierung, wo mehr als 200 Übernachtungsmöglichkeiten bestehen.

DOSB PRESSE: Das bedeutet eigentlich, es ist alles im
Bundesleistungszentrum am Liebenberger See getan.

MOLDENHAUER: So ist das nicht. Stillstand bedeutet Rückschritt. Zu den bisherigen zehn Fachverbänden (Leichtathletik, Turnen, Kanu, Triathlon, Tischtennis, Bogenschießen, Volleyball, Behindertensport, Eisschnelllauf, Bob und Schlitten), die derzeit dem Trägerverein angehören, wollen sich demnächst noch weitere hinzugesellen, unter anderem die Judoka, Gewichtheber und Handballer. Deshalb müssen wir nach Erweiterungen trachten. Die Gelder für eine Renovierung der alten, in die Jahre gekommenen Halle in Kienbaum II sind bereits bewilligt gewesen, doch auf Grund des Bad Reichenhaller Unfalls haben Fachleute, bzw. Architekten festgestellt, dass das bisherige Dach nicht mehr den derzeitigen Sicherheits-Bestimmungen einer Schneebelastung entspricht, so dass auch hier ein Neubau zwingend notwendig wird. Im Moment laufen Überlegungen, was in dieser Frage zu tun ist.

DOSB PRESSE: Nun wird sich allerdings in absehbarer Zeit in bezug auf den Status von Kienbaum einiges verändern. Wie sehen Sie die Situation?

MOLDENHAUER: Eigentlich ganz gelassen, denn im Grundsatz wird alles beim alten bleiben. Die vor drei Jahren per Gesetz geschaffene Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BlmA genannt, die sämtliche Rechte und Aufgaben der einstigen Bundesvermögensverwaltung übernommen hat und damit als Hausherr für die Verwertung auch dieser Liegenschaft zuständig ist, wird künftig unser erster Ansprechpartner sein. Ende des Jahres soll eine vertragliche Vereinbarung über alle anstehenden Probleme wie Personal-, Unterhaltskosten und bauliche Veränderungen getroffen werden. Wir sind zwar dann Mieter der BlMA, werden aber weiter vom Bund gefördert und unterstützt.

DOSB PRESSE: Sicherlich wird bei den anstehenden Verhandlungen auch die Unterdruckkammer, eine vom DDR-Sport unter größter Geheimhaltung entstandene Anlage zur Vermehrung von roten Blutkörperchen, ein Thema sein.

MOLDENHAUER: Es gab eine Zeitlang heftige Diskussionen darüber, ob die Anlage wieder aktiviert werden sollte, denn es wäre kein Problem, sie funktionstüchtig zu machen und in Gebrauch zu nehmen. Doch die meisten Fachverbände winkten ab. Jetzt existieren Überlegungen, ob im Anschluss an die von der Zeitgenössischen Stiftung geplanten Drei-Monats-Ausstellungen in Leipzig beziehungsweise Bonn über die Vergangenheit des DDR-Sports so etwas ähnliches oder gar ein Museum in Kienbaum entstehen sollte, das zu bestimmten Anlässen für Besuchergruppen geöffnet werden könnte. Vorerst wollen wir aber mit Wissenschaftlern und Historikern eingehende Gespräche führen, was sie zu unseren Überlegungen sagen und welche Vorschläge sie hätten, um nicht in den Verruf zu gelangen, die Kammer und die Dopingpraktiken des DDR-Sports miteinander zu verquicken.

DOSB PRESSE: Nach Peking ist vor Berlin - oder anderes ausgedrückt, auf die Olympischen Spiele folgen im nächsten Jahr als absoluter Höhepunkt die Leichathletik-Weltmeisterschaften in der deutschen Hauptstadt. Welche Rolle wird Kienbaum dabei spielen?

MOLDENHAUER: Dieses Bundesleistungszentrum ist in aller erster Linie eine Stätte des bundesrepublikanischen Spitzensports. Deshalb werden weder in der Zeit vor noch während der WM, was bereits ins Kalkül gezogen wird, nur deutsche und keine ausländischen Athleten hier trainieren. Das ist mit dem Verband ganz klar abgesprochen. Wir werden auch darüber hinaus darauf achten, dass eine ungestörte Vorbereitung garantiert ist, wenngleich wir unsere anderen Spitzenverbände deshalb nicht aus Kienbaum verbannen werden. Alle Voraussetzungen sind für die Leichathleten geschaffen worden. Es existiert sogar in Kienbaum II eine blaue Bahn, die in Güte und Farbe der im Berliner Olympiastadion entspricht, so dass eine Assimilation gegeben ist.

Leider machen bislang die Fußballer einen Bogen um die Anlage, abgesehen von einigen Nachwuchsmannschaften, obwohl auch sie hervorragende Bedingungen hier vorfänden. Sicherlich gibt es genügend Fußballschulen in Deutschland, aber mitunter werden auch Argumente hervorgebracht, dass Kienbaum irgendwo im Wald und zu weit weg liege, fast schon in Polen, was keineswegs stimmt. Das Bundesleistungszentrum liegt zwar am Wald und dazu an einem schönen See, aber bis Berlin und zu den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld sind es noch nicht einmal eine knappe Stunde Fahrzeit.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 8, 19. Februar 2008, S. 8-9
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2008