Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

FRAGEN/025: "Dopingsünder schon im Vorfeld der Spiele erkennen" (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Dopingkontrollen in Peking
Neun Fragen an Dopingforscher Prof. Dr. Mario Thevis vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln und End-Kontrolleur bei Olympia in Peking

"Dopingsünder schon im Vorfeld der Spiele erkennen"


DOSB PRESSE: Bei den Olympischen Spielen im August in Peking werden bis zu 150 Spezialisten insgesamt 4.500 Dopingproben der Athleten analysieren und auswerten. Sie gehören zu diesem Kreis. Was ist Ihre Aufgabe?

THEVIS: Es wird insgesamt etwa 15 so genannte "external Experts" aus mehreren Ländern geben, darunter zwei aus Deutschland, die die Arbeit im offiziellen chinesischen Labor in Peking unterstützen. Meine Aufgabe wird es sein, die Kontrollergebnisse der Proben abschließend zu bewerten und bei Notwendigkeit entsprechende Empfehlungen zu geben, wie weiter zu verfahren ist. Vereinfacht gesagt, mache ich da eine Art Endkontrolle.

DOSB PRESSE: Wie viele Leute werden insgesamt im Labor tätig sein?

THEVIS: In Peking wird ein Team zwischen 120 und150 Spezialisten in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten, um die insgesamt 4.500 Proben schnell zu analysieren. Das ist eine gewaltige Aufgabe, denn allein anhand jeder Urinprobe können rund 500 Substanzen nachgewiesen werden. Bei negativen Proben wird das Ergebnis binnen 24 Stunden vorliegen, bei positiven Proben innerhalb von 48 Stunden. Nur die Auswertung von Tests auf Erythropoetin, also Epo, wird etwas länger dauern und erst nach zwei bis drei Tagen vorliegen.

DOSB PRESSE: Ist in Peking ein optimales Kontrollsystem garantiert?

THEVIS: Nach meiner Einschätzung ja. Das vom Internationalen Olympischen Komitee und der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada offiziell akkreditierte Labor in Peking verfügt über ausreichend Räumlichkeiten und modernste Geräte, jüngst wurde das Gebäude noch um einen Neubau erweitert. Zum Standard tragen auch internationale Weiterbildungsmaßnahmen im Vorfeld der Spiele bei. Im vorigen Frühjahr weilten zum Beispiel vier chinesische Wissenschaftler in Köln, um sich mit unseren weltweit führenden Analysetechniken vertraut zu machen.

DOSB PRESSE: Im Unterschied zu Doping-Kontrolleuren der Wada, denen die Einreise nach China im vorigen Jahr untersagt wurde, waren Sie bereits vor Ort. Gab es Restriktionen?

THEVIS: Nein, ich konnte mich völlig ungehindert bewegen. Mit Einschränkungen wurde ich in China nicht konfrontiert. Ich war nicht in kontrollierender Funktion in Peking, sondern als Berater. Entsprechend wurde ich in China als Helfer wahrgenommen und nicht als potenzielle Gefahr.

DOSB PRESSE: Zu dem intelligenten System, das vom Internationalen Olympischen Komitee für Peking angekündigt wurde, sollen auch gezielte Dopingtests im Vorfeld der Spiele gehören. Wie soll das funktionieren?

THEVIS: Es wird Aufgabe der nationalen Anti-Doping-Agenturen sein, ihre Athleten in der unmittelbaren Vorbereitungsphase zu testen. Die jeweilige Nada weiß am besten, wo sich ihre Sportler zwei oder drei Wochen vor Beginn der Spiele aufhalten und wann Kontrollen in dieser Phase am sinnvollsten sind. Intelligent testen heißt auch, sich auf Substanzen mit besonders kurzer Nachweisbarkeit zu konzentrieren. Peking wird meines Erachtens zugleich auch ein großer Test für die Glaubwürdigkeit der nationalen Anti-Doping-Agenturen sein.

DOSB PRESSE: Wird die eine oder andere Agentur nicht lieber ein Auge zudrücken als potenzielle Medaillengewinner aus dem eigenen Land zu verfolgen?

THEVIS: Das glaube ich nicht. Keine der mittlerweile rund 60 Anti-Doping-Agenturen weltweit kann ein Interesse daran haben, dass es während der Olympischen Spiele zu einem positiven Befund von einem Sportler aus ihrem eigenen Land kommt. Die Nadas werden bemüht sein, Doping-Sünder schon im Vorfeld der Spiele zu erkennen. Obwohl in solchen Fällen natürlich auch die Wada informiert werden muss, wäre der Skandal für das betreffende Land trotzdem nicht so groß wie ein Positiv-Fall in der eigenen Mannschaft bei den Olympischen Spielen selbst.

DOSB PRESSE: Das IOC will nicht verraten, auf welche unerlaubten Substanzen in Peking kontrolliert wird. Soll das potenzielle Betrüger abschrecken?

THEVIS: Bei den Spielen 2004 wurde eine ebensolche Strategie angewandt. Damals hat man nicht vorher gesagt, dass auf Wachstumshormone getestet wird, obwohl das dann tatsächlich geschehen ist. Die Abschreckung ist die eine Zielrichtung. Die andere Seite ist, dass es auch um den Schutz der Labore geht. Man kann vorab bei bestimmten Test-Methoden vorab nicht zu weit vorausplanen, wenn das betreffende Verfahren noch nicht hundertprozentig sicher ist. Klar ist aber soviel: In Peking wird auf alle Substanzen gestestet, die auf der Verbotsliste stehen.

DOSB PRESSE: Wie viele der 4.500 Kontrollen werden Blutkontrollen sein?"

THEVIS: Diese Zahl liegt mir nicht vor. Meines Erachtens wäre ein Verhältnis von 3.500 Urin-Kontrollen zu 1.000 Blut-Kontrollen ein gutes Verhältnis. Für die Zahl der Epo-Kontrollen unter den Urin-Tests gibt es ebenfalls noch keinen exakten Schlüssel. Bei Epo kommt es nicht nur auf die Größenordnung an, sondern darauf, dass man diese Kontrollen intelligent in den betreffenden Sportarten und Disziplinen platziert.

DOSB PRESSE: Wie fühlen Sie sich angesichts der fast täglich neuen Doping-Fälle, Enthüllungen und Geständnisse? Wie Don Quichotte im Kampf gegen die Windmühlen?

THEVIS: Auf der einen Seite bin ich sehr motiviert, die Nachweisverfahren zu verfeinern und zu verbessern. Auf der anderen fühle mich nicht unbedingt gut, wenn dadurch mehr Dopingsünder überführt werden. Mir wäre es viel lieber, wir haben eine immer bessere Analytik und die Zahl der positiven die Fälle ist rückläufig. Dies würde mit Sicherheit den Schluss zulassen: Wir haben es mit einem Sport zu tun, der sauberer geworden ist.


*


Quelle:
DOSB-Presse Nr. Nr. 15/8. April 2008, S. 10-12
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Tel. 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2008