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MELDUNG/315: Rede von Walter Schneeloch - "Sportdeutschland braucht Räume" (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 47 / 22. November 2016
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Walter Schneeloch: "Sportdeutschland braucht Räume"
Rede des DOSB-Vizepräsidenten

Breitensport/Sportentwicklung anlässlich des 5. Sportgesprächs im Rahmen der Messe Sportinfra des LSB Hessen


Am 15. und 16. November fand die 6. Sportinfra, die Sportstättenmesse des Landessportbundes (LSB) Hessen, statt. Walter Schneeloch, der DOSB-Vizepräsident Breitensport/Sportentwicklung hielt dort im Rahmen des 5. Sportgesprächs eine Rede zu sieben Punkten der aktuellen bundespolitischen Situation zur Sportstättenentwicklung. Unter anderem verwies er auf die Bundesförderung von Sportstätten durch die sogenannte Kommunalrichtlinie, in der seit 2016 erstmals Vereine antragsberechtigt sind und dies auch 2017 fortgesetzt wird.

"(...) Zunächst darf ich dem Landessportbund Hessen für die Einladung nach Frankfurt danken. Der DOSB hat sich gerne erneut in die Gruppe der Kooperationspartner der Sportinfra eingereiht. Wenn es diese Veranstaltung nicht gäbe, müsste man sie erfinden und ich darf Ihnen, Herr Minister Beuth, zu diesem Landessportbund gratulieren, der im Themenfeld der Sporträume in der Bundesligaspitze spielt, ähnlich wie die benachbarte Eintracht.

Herr Müller, Herr Hocke, Sie haben mich als zuständigen Vizepräsidenten des DOSB eingeladen und mich gebeten, zu den bundespolitischen Dimensionen der Sportstättenentwicklung zu berichten. Ich darf angesichts der knappen Zeit gleich zur Sache kommen und Ihnen sieben aktuelle Themenfelder vorstellen:

Erstens darf ich eine banale Tatsache in Erinnerung rufen: Funktionale, bedarfsgerechte, umweltfreundliche und wohnortnahe Sportstätten sind unverzichtbar für den Sport und die erfolgreiche Arbeit von Sportvereinen. Neben den Finanzen und dem Ehrenamt sind Sporträume DIE zentrale Ressource des Sports. Leider vernachlässigt Deutschland seine öffentliche Infrastruktur: Brücken, Straßen, öffentliche Gebäude und eben auch Sportanlagen. Das Ergebnis ist ein milliardenschwerer Sanierungs- und Modernisierungsstau. Deutschland fährt die Sportanlagen auf Verschleiß. Wir anerkennen die vielfältigen öffentlichen Förderinitiativen von Ländern und Kommunen, die Konjunkturpakete 1 und 2 und zuletzt das Sonderprogramm des Bundes "Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur" - doch reichen diese Initiativen bei weitem nicht aus. Wir brauchen mehr Investitionen in die Sporträume und eine aktivere öffentliche Sportstättenpolitik von kommunalen Spitzenverbänden, Bundesländern und Bund auf interföderaler bzw. Bundesebene.

Zweitens lautet also die Frage: Wie gehen wir mit dieser Engpass-Situation um? Sie haben es geahnt: Es gibt weder einen Königsweg noch ein Patentrezept. Wir wären schon ein Stück weiter, wenn wir Gewissheit über die Gesamtsituation der Sportstätten auf Basis aktueller Daten, z.B. zu Struktur und zum Sanierungsbedarf, hätten. Gerade wenn Investitionsbedarf einerseits und verfügbare Mittel andererseits weit auseinander sind, braucht man belastbare Entscheidungsgrundlagen. Wir bedauern, dass die Länder und die Sportministerkonferenz eine bundesweite Sportstättenanalyse und -erhebung trotz dieses Handlungsdrucks ebenso ablehnen wie einen Erfahrungsaustausch zu entsprechenden länderspezifischen Erhebungen. Ich danke dem LSB-Präsidenten, der kürzlich öffentlich ebenfalls eine übergreifende Sportstättenstatistik gefordert hat, und würde mir wünschen, wenn die Länder ihre ablehnende Position nochmals überdenken.

Drittens: Die Kommunen sind angesichts von Schuldenbremsen und Haushaltssicherungskonzepten strukturell zunehmend überfordert, die notwendigen Investitionsmittel für Neubau und Sanierung von Sportanlagen bereit zu stellen. Länder und vor allem der Bund sollten daher mehr Fördermittel für die Weiterentwicklung der Sportinfrastruktur bereitstellen. Ich danke dem Land Hessen, welches im bundesweiten Vergleich zu den sportstättenaktiveren Ländern gehört. Wäre ich Vorsitzender eines Vereins mit vereinseigener Sportstätte, dann wäre ich es gerne in Hessen. Länder, kommunale Verbände und der DOSB sollten im Bundestagswahljahr 2017 gemeinsam in Richtung Bund eine entsprechende Initiative starten - mit dem Ziel, ein Bundesförderprogramm für Sportstätten zu begründen.

Der DOSB begrüßt - viertens - dass die Bundesregierung kürzlich den "Immobilientyp Sportstätte" in die klimapolitischen Handlungs- und Förderstrategien aufgenommen und zuletzt auch die Antragsberechtigung auf Sportvereine erweitert hat. Dies fördert die Entwicklung nachhaltiger und klimaschonender Sportstätten - einem Ziel, welchem gerade der LSB Hessen zu Recht eine hohe Bedeutung beimisst. Dieser Ansatz erweitert zudem die förderpolitischen Optionen, insbesondere für die Vereine. Auch als Ergebnis unserer Gespräche mit dem Bundesumweltministerium hat die Bundesregierung nunmehr zugesagt, dass diese Förderlinie auch in 2017 fortgesetzt wird und ich darf an dieser Stelle auf die aktuellen Förderinformationen verweisen, die wir anlässlich der Sportinfra vorstellen.

Von zunehmender Bedeutung ist - fünftens - die Tatsache, dass man Sportstätten nicht mehr nur als isolierte Immobilien sieht, sondern als Bestandteile städtischer Lebensqualität begreift und damit auch ihre politische Dimension stärkt. Der DOSB hat daher zum Themenfeld "Stadtentwicklung und Sport" in den letzten Jahren vielfältige Initiativen entwickelt. Konsequenterweise umfasst die Städtebauförderung von Bund und Ländern nunmehr - Zitat - "auch die Ausstattung mit . Sportstätten im Rahmen der integrierten Stadtentwicklung" - Zitatende. Dieser inhaltliche und förderpolitische Ansatz ist leider häufig noch nicht hinreichend bekannt. Der DOSB wird jedenfalls zukünftig verstärkt darüber informieren. Wir würden uns freuen, wenn auch die Länder und die Sportministerkonferenz dieses Thema aktiver aufgreifen.

Sechstens: Von der Stadtentwicklung ist es nicht weit zu den städtischen Grünräumen und Parks. Wir begrüßen die Ansätze der Bundesregierung, zur Bedeutungssteigerung von Freiräumen ein "Weißbuch Stadtgrün" mit entsprechenden Handlungsstrategien zu entwickeln. Bürgerinnen und Bürger nutzen Grün- und Freiräume gerade auch als Erholungs- und Sporträume, die so zu Orten für Sportangebote für alle Altersgruppen werden. Nur eine sportfreundliche Stadt, die diesen Aspekten eine hohe Bedeutung beimisst, kann eine gesundheitsfördernde Stadt sein. Attraktive und naturnahe Sport- und Erholungsmöglichkeiten in Städten sowie Konzepte zu deren nachhaltiger Nutzung sind unter Beteiligung der Sportvereine und in Kooperationsstrukturen mehrdimensional zu entwickeln.

Siebtens: Leider kann ich uns ein unerfreuliches Thema nicht ersparen: die Weiterentwicklung der Sportanlagenlärmschutzverordnung, kurz SALVO genannt. Seit Langem setzt sich der DOSB für eine sportfreundliche Reform dieser Verordnung ein. Leider müssen wir feststellen, dass weder Bundesratsbeschlüsse noch Zusagen der Bundesregierung, bis Ende 2016 einen entsprechenden Reformprozess abzuschließen, zu konkreten Ergebnissen geführt haben. Im Gegenteil: Bis heute liegen die notwendigen Beschlüsse von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat nicht vor. Dies erstaunt umso mehr, wenn man weiß, dass wir uns bereits im achten Jahr der Diskussion über eine angemessene Weiterentwicklung der SALVO befinden; inzwischen befassen sich sogar TV-Satiremagazine mit dem Thema. Wir fordern Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat auf, den unhaltbaren Zustand endlich zu beenden, die politischen Blockaden aufzulösen und noch vor den Bundestagswahlen 2017 die für die SALVO-Reform erforderlichen Beschlüsse herbeizuführen.

Meine Damen und Herren, auf Bundesebene bestehen also konkrete systematische und auch förderpolitische Ansätze für eine zeitgemäße Sportstättenpolitik. (...) Ich bin mir sicher, dass im Verlauf dieses Sportgesprächs wie auch in den zahlreichen Arbeitskreisen der Sportinfra weitere Anregungen und Handlungsansätze für eine aktive Sportstättenentwicklung vorgestellt werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen interessante Anregungen und der 6. Sportinfra insgesamt einen guten Verlauf. Vielen Dank."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 47 / 22. November 2016, S. 26
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Telefon: 069/67 00-236
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2016

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