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MEDIZIN/072: Immer unheimlicher - Gruselkabinett Doping (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Immer unheimlicher: Gruselkabinett Doping

Interessante Erkenntnisse der Sporthochschule Köln


Das Doping-Gruselkabinett wird jeden Tag unheimlicher: Hochgefährliche, "giftige" Nahrungsergänzungsmittel (NEM), versetzt mit Anabolika, werden frei im Internet verkauft. Im Supermarkt um die Ecke erhältlich: Vitamin-Brausetabletten, die Anabolika-Spuren aufweisen. Horror lösen auch chinesische "Wellness-Tees" zur dramatischen Gewichtsabnahme aus, die heimlich in hohen Dosen mit "Sibutramin" (Abnahmemittel) angereichert sind, und damit ebenfalls extrem gesundheitsschädlich sind. Dies sind die jüngsten Ergebnisse von Recherchen und Untersuchungen des Instituts für Biochemie der Sporthochschule Köln. Insbesondere Freizeit- und Breitensportler bestellen in einem kaum für möglich gehaltenen Ausmaß diese Produkte. Und: Spitzensportler, die gefälschte Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, sind sofort Doping- positiv.

Parabolon-S, Tamoxen, D-Blade oder Met-AD-17-diol. Hinter diesen Fantasienamen für scheinbar ungefährliche Nahrungsergänzungsmittel verbergen sich die neuesten Produkte aus den Giftküchen der NEM-Panscher. Beispiel "Met-AD-17-diol": Angegeben sind auf der Verpackung Fantasiestoffe wie MetX synergistic blend oder 1-T-Matrix. Nicht angegeben ist Metandienon, ein anaboles Steroid, das in großen Mengen zugemischt wurde, um das NEM wirkungsvoller zu machen. Die zugemischten Mengen an Anabolika würde ein Arzt nicht einmal einem kranken Menschen verschreiben, da deren Einnahme mit zahlreichen Nebenwirkungen wie Aggressivitätssteigerung, Leberschädigung, Abbruch des Längenwachstums bei Jugendlichen, Erhöhung des Herzinfarktrisikos usw. verbunden ist.

Am unglaublichsten aber scheint das chinesische "Wellness"- Produkt "Meizi" der Firma "LIDA" mit einer Yoga-Übenden und Schmetterlingen auf der Verpackung zu sein. Der nicht angegebene Inhalt in den Teebeuteln nach den Untersuchungen der Biochemiker aus Köln: das Abnahmemittel "Sibutramin" in einer Dosis, die normalerweise nur in besonderen Fällen von Ärzten auf Rezept abgegeben wird. Die Einnahme führt zu einer starken Gewichtsreduktion, allerdings mit dramatischen Gesundheitsgefährdungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt.

"Solche Mittel finden natürlich das Interesse von Sportlern, die vor Wettkämpfen schnell abnehmen wollen", sagt Dr. Hans Geyer. "Auch eine ständig steigende Zahl von Freizeit- und Breitensportlern versorgt sich mit gefährlichen Produkten." Ein Mix aus Anabolika-Präparaten, Nahrungsergänzungsmitteln und zum Beispiel zweifelhaften Wellness-Tees sorgt für einen "perfekten Körper" in Turbozeit. Rund 400.000 Männer schlucken oder spritzen im Freizeit- und Breitensport in Deutschland allein Anabolika. Die Zahl der NEM-Konsumenten ist dagegen im Dunkeln, Experten gehen von weit mehr als einer Million aus.

Nach Aussage von Dr. Geyer können die gefälschten Nahrungsergänzungsmittel und Tees, da sie nicht rezeptpflichtig sind, frei in Geschäften, im Internet oder im Fitness-Studio verkauft werden. "Diese NEMs sind natürlich viel wirksamer als 'normale', sie sind in Wirklichkeit Doping z.B. mit Anabolika. Reiner Etikettenschwindel also. Sie müssen aber nicht illegal zum Beispiel über den Schwarzmarkt erworben werden. Das spricht sich in der Szene herum. Bei den gefälschten NEMs muss jeweils der Nachweis über die Anreicherung mit nicht angegebenen Substanzen über ein biochemisches Labor geführt werden. Das ist aufwendig. Und deshalb sind uns die Panscher immer einen Schritt voraus."

Nach den Erkenntnissen der Kölner Biochemiker kaufen die klassischen Bodybuilder eher Anabolika direkt über den Schwarzmarkt, die gefälschten NEMs werden dagegen bevorzugt von Freizeit- und Breitensportlern erworben. "Diese NEMs versprechen jugendliches Aussehen, machen schlank und muskulös mit geringem zeitlichen Aufwand. Sie sind eine echte Lifestyle-Droge", erklärt Dr. Geyer. Nach Feststellungen des Kölner Instituts wird Anabolika für den Schwarzmarkt und auch für die gefälschten NEMs zum Beispiel von chinesischen oder osteuropäischen Produzenten hergestellt. Dieses Anabolika kommt dann per Post kiloweise - vorbei am Zoll - nach Westeuropa, wo es von Garagenfirmen zum Vertrieb weiterverarbeitet oder gepanscht wird. "Ein Kilogramm in China erworbenes Anabolika ergibt ca. 200.000 Pillen. Da sind riesige Gewinnmargen drin", sagt Dr. Geyer.

Inzwischen hat das Biochemische Institut der DSHS das Bundesgesundheitsministerium und weitere Aufsichtsbehörden informiert. So auch über Vitamin- und Calciumbrausetabletten, die in Supermärkten frei verkauft wurden. Diese enthielten Spuren von Anabolika. Auch bis nach Nordrhein-Westfalen reichen die Spuren. Hier hatte ein Hersteller über seine Maschinen illegal anabole Präparate hergestellt, die Maschinen dann nicht genügend gereinigt und dann die Brausetabletten produziert. So kam es zu einer Verunreinigung mit Anabolika. "Hier haben die Behörden schnell eingegriffen", sagt der Kölner Biochemiker.

Dass über "dreckige" Maschinen auch NEMs verunreinigt werden, ist seit langem bekannt. "Hier laufen die Sportlerinnen und Sportler immer wieder in die Dopingfalle, wenn sie unbedarft NEMs nehmen, die nicht auf der "Kölner Liste" stehen. Auf der "Kölner Liste" (einzusehen im Internet unter: www.osp-koeln.de) sind Nahrungsergänzungsmittel aufgeführt, die auf Dopingsubstanzen kontrolliert werden. "Es gibt nur wenige Sportarten, die im Hochleistungsbereich die Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel nötig machen. Hier sollten sich die Sportler über die 'Kölner Liste' informieren. Im Freizeit- und Breitensport sind sie bei einer guten Ernährung so gut wie überflüssig", erklärt Dr. Geyer.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 9 vom 27. Februar 2007, DOKUMENTATION II-III
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2007