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POLITIK/221: Regierung berät Rechtsverschärfungen im Doping-Kampf (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Bundesregierung berät erneut Rechtsverschärfungen im Doping-Kampf

Anfang Juli soll das Artikelgesetz im Bundestag verabschiedet werden


Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sehen nach den Bekenntnissen von Radprofis keinen graduellen Nachbesserungsbedarf für die geplanten Rechtsverschärfungen im Kampf gegen Doping. Das Kabinett hatte sich am 30. Mai erneut mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport beschäftigt, der bereits am 7. März beschlossen worden war. Dabei wurde eine "Gegenäußerung" zu der Stellungnahme.des Bundesrats vom 9. Mai beschlossen. Die Länderkammer hatte in zwei Punkten Änderungen des Gesetzentwurfs empfohlen. "Doping zerstört die Werte des Sports", erklärte Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) nach der Kabinettssitzung. "Die Glaubwürdigkeit des Sports, seine Vorbildfunktion und die öffentliche Akzeptanz insgesamt stehen auf dem Prüfstand."

Der Bundesrats-Vorschlag für ein Verbot der Einfuhr von Arzneimitteln zu Dopingmitteln soll - so beschloss es die Bundesregierung - im Gesetzgebungsverfahren überprüft werden, "auch wenn es in den allermeisten Fällen bei der Einfuhr keines besonderen Straftatbestandes bedarf, weil die Besitzstrafbarkeit bereits greift", heißt es. Die Anregung des Bundesrats, Regelungen einzuführen, nach denen bei Dopingstraftaten die Kooperationsbereitschaft des Täters honoriert werden kann, hat sich nach Auffassung der Bundesregierung zwischenzeitlich erledigt: Mit Kabinettsbeschluss vom 16. Mai sei bereits eine allgemeine "Kronzeugenregelung" für alle Fälle des Strafrechts auf den Weg gebracht worden; diese umfasse somit auch schwere banden- und gewerbsmäßige Dopingstraftaten, deren Strafrahmen-Volumen in die Fallklasse hineinpasse.

Die erste Lesung des Gesetzentwurfs, ein so genanntes Artikelgesetz, das Änderungen im Arzneimittelgesetz (AMG) und im Bundeskriminalamtsgesetz vorsieht, ist am Abend des 13. Juni. Nach der Plenumsdebatte werden sich die Ausschüsse mit dem Gesetzespaket befassen. Der Sportausschuss wird am 20. Juni eine öffentliche Anhörung durchführen. Die Ergebnisse der Debatten der anderen Fachausschüsse werden sodann am 4. Juli in einer abschließenden Erörterung im Sportausschuss gebündelt. Die Abschlussberatung im Plenum, die zweite und dritte Lesung, ist für den 5. oder 6. Juli terminiert worden. "Die Mitwirkungsrechte des Bundesrats sind abgeschlossen", erklärte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Kaller. "Wir sind guten Mutes, dass das Gesetzgebungsverfahren noch vor der Sommerpause beendet werden kann."

Kaller stellte heraus, der Gesetzentwurf sei ein "erfolgversprechender Ansatz" für eine neue Qualität der Dopingbekämpfung. "Wir haben es nicht nur mit Einzeltätern zu tun", sagte er in der Bundespressekonferenz. "Es drängt sich die Gewissheit auf, dass hier kriminelle Netzwerke am Werk sind. Allerdings wird nicht erreicht werden können, das Gesamtphänomen Doping mit einem gesetzgeberischen Wurf zu stoppen. Niemand ist so naiv, das zu glauben."

Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist die Einführung einer so genannten weichen Variante der Besitzstrafbarkeit, auf die sich die Koalition nach monatelangen kontroversen Beratungen verständigt hatte. Danach soll Paragraf 6 a AMG um diese Formulierung ergänzt werden: "Es ist verboten, Arzneimittel, die im Anhang zu diesem Gesetz genannte Stoffe sind oder enthalten, in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport zu besitzen, sofern das Doping bei Menschen erfolgen soll." Der Anhang, der etwa 70 der gefährlichsten Wirkstoffe wie Anabolika, Hormonpräparate und Antiestrogene abschließend aufzählt, ist von einer Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsministeriums bereits erstellt worden. An der Liste der jeweiligen Mengen werde hingegen noch gearbeitet, erklärte der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Klaus Vater: "Das muss sehr sorgfältig untersucht werden."

"Die Koalition steht zu dem Kompromiss, der im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthalten ist", betonte Klaus Riegert, der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Raum für Nachbesserungen sehe ich nicht." Auch der Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Peter Danckert (SPD), unterstrich, dass mit den Rechtsverschärfungen neue Wege der Dopingbekämpfung erreicht werden könnten: "Wir haben uns darauf verständigt, dass ein Sportler, der eine größere Menge unerlaubter Substanzen mit sich führt, mit Haft von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann." Entscheidend sei allerdings, dass künftig Polizei, Staatsanwaltschaft und das Bundeskriminalamt in der Lage seien, Ermittlungen zu führen. "Da der Sport dies nicht leisten kann, ist hier dringend die Unterstützung des Staates nötig."

Hingegen kritisierte Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk (CSU) den Gesetzentwurf, ihm fehle "die dringend notwendige Entschlossenheit". "Nach wie vor lässt das Gesetz den dopenden Sportler selbst weitgehend außen vor", erklärte sie in München. "Man muss ihn aber ins Visier nehmen, denn nur durch seine Nachfrage boomt der Dopingmarkt." Eine positive Dopingprobe werde strafrechtlich kaum den für eine Durchsuchung erforderlichen Verdacht begründen, dass der Athlet größere Mengen besitzt, urteilte die Ministerin. FDP-Sportsprecher Detlef Parr warf der Koalition "Aktionismus" und das Fehlen eines schlüssigen und wirksamen Konzeptes vor. Als "weiße Salbe" bewertete Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) den Gesetzentwurf und beanstandete: Einnahme und Besitz von Dopingmitteln seien auch weiterhin nicht strafbar; es müsste ferner ein neuer Straftatbestand "Sportbetrug" geschaffen werden.

Der Bundesinnenminister berichtete in der Ministerrunde zudem über bereits umgesetzte und geplante Maßnahmen der Bundesregierung zur Dopingbekämpfung. Dr. Schäuble kündigte erneut an, dass eine so genannte Task Force eingesetzt werde - sie sollte untersuchen, ob in der Vergangenheit möglicherweise Sportfördermittel des Bundes indirekt oder direkt für die biochemische Manipulation verwendet wurden. "Das ist eine interne Kommission, die von außen nicht verstärkt wird", erklärte BMI-Sprecher Stefan Kaller. "Sollte ein Missbrauch festgestellt werden, müssen wir zivilrechtliche und andere Ansprüche überprüfen." Winfried Hermann hingegen forderte, die behördeninterne Revisoren-Gruppe mit unabhängigen Experten zu verstärken.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 23 vom 5. Mai 2007, DOKUMENTATION I-II, Seite 23-25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2007