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POLITIK/225: Strafgesetze zur effektiveren Dopingbekämpfung (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Prof. Jahn: "Straftatbestand Sportbetrug führte zur Kriminalisierung breiter Kreise"
Dr. Vesper und Rechtsexperten bei der Anhörung im Bundestags-Sportausschuss

Von Holger Schück


DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung begrüßt, mit Hilfe von Änderungen im Bundeskriminalamts- und im Arzneimittelgesetz die internationale Bandenkriminalität bei der Dopingverschaffung nunmehr intensiver und einschneidender bekämpfen zu wollen. Bei einer Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit Rechtsexperten und einem medizinischen Wissenschaftler erklärte er, die Einführung einer so genannten weichen Variante der Besitzstrafbarkeit sei ein "geeigneter rechtstechnischer Ansatz", um den Handel mit Dopingsubstanzen ausermitteln und angemessen bestrafen zu können. "Das Vorhalten nicht geringer Mengen von besonders gefährlichen Dopingsubstanzen ist strafwürdig, gerade auch mit Blick auf die so genannte Umfeldkriminalität", unterstrich der Generaldirektor. "Hier wird die Schwelle des allein durch die Sportgerichtsbarkeit zu ahndenden Eigenverbrauchs überschritten."

Nur staatliche Strafgesetze könnten dieser besonderen "Qualität" wirkungsvoll begegnen, betonte Dr. Vesper, der mit DOSB-Justitiar Dr. Holger Niese in das Reichstagsgebäude angereist war. Der Besitz größerer Mengen indiziere, dass es nicht nur um den Eigenverbrauch, sondern auch um die Weitergabe gehe. Im übrigen plädiere der organisierte Sport als "entschiedener Gegner des Dopings" bei Dopingverstößen von Aktiven für den Vorrang der Sanktionshoheit der Sportverbände und für das bewährte Prinzip der strict liability mit dem Grundsatz der Beweislastumkehr. Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der weitere Rechtsverschärfungen einfordert, merkte Dr. Vesper an: "Die tatbestandliche Verankerung eines Sportbetrugs im Strafgesetzbuch würde uns de facto nicht weiter bringen." Der Sport bringe alles in allem jedes Jahr eine Million Euro zur Finanzierung der NADA auf, womit 60 Prozent des derzeitigen Etats von 1,8 Millionen Euro gedeckt werden könnten. Im Vergleich hierzu: 27 Millionen Euro umfasse das Jahresbudget der WADA, das je zur Hälfte von den Staaten und dem Sport aufgebracht werde.

Prof. Matthias Jahn, Richter am Oberlandesgericht und Strafrechtler an der Uni Erlangen-Nürnberg, machte deutlich, die Einführung einer Besitzstrafbarkeit sei nur hinnehmbar, wenn es um größere Mengen von Substanzen gehe, die zudem ein Abhängigkeitspotential begründeten. Moralität und Strafrechtsgüter seien zwei paar Schuhe. Grundsätzlich müsste beachtet werden, Gesetze dürften nicht gegen das Prinzip des Übermaßverbots verstoßen und keine Doppelbestrafung vorsehen. "Ein Straftatbestand Sportbetrug führte zur Kriminalisierung ganzer Bevölkerungskreise", erläuterte Prof. Jahn und stellte klar: Im übrigen sollten die Nöte des praktischen Strafvollzugs beachtet werden. Ungelöst bliebe beim Sportbetrug die Abgrenzung des Freizeitsports zum Profisport: Nicht hinnehmbar wären Massentests beim Berlin-Marathon, die nach der Grundausrichtung der Sportbetrugs-Befürworter angeordnet werden müssten. Der Verdacht sei gegeben, und nach Absolvierung der Strecke gebe es schließlich für jeden Teilnehmer "Vermögensvorteile". Das sei doch kein gangbarer Weg.

Prof. Jens Adolphsen von der Universität Gießen, forderte hingegen eine allumfassende Besitzstrafbarkeit. "Das Gesetz, so wie es konzipiert ist, läuft leer", urteilte er. "Es bleibt alles so, wie es ist." Im Grunde genommen handele es sich um ein "Anti-Dealing-Gesetz und um kein Anti-Doping-Gesetz". "Sportler sind nun einmal Täter und sollten mit einbezogen werden: in eine komplette Besitzstrafbarkeit." Der juristische Dopingexperte Prof. Adolphsen forderte, eine Besitzstrafbarkeit anaboler Steroide in das Betäubungsmittelgesetz aufzunehmen, "damit auch Fitnesssportler erfasst werden".

Oberstaatsanwalt David Kirkpatrick von der Zentralstelle für die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität beim Oberlandesgericht Frankfurt/Main, erklärte, der vorgelegte Gesetzentwurf sei "wie eine Schubkarre ohne Rad, wie eine Schaufel ohne Blatt". Mit ihm könnten keine verdeckten Ermittler eingesetzt werden; es könnte nur schwerlich der Nachweis erbracht werden, dass es sich um Rechtsverstöße im Umfeld der organisierten Kriminalität handele. Kirkpatrick wies darauf hin, mit der Einführung der Besitzstrafbarkeits-Regelung werde die bisherige Straflosigkeit des Konsumenten "teilweise suspendiert". Das mit der Schaffung eines Auffangtatbestandes angestrebte Ziel, Regelungslücken zu tilgen, werde nur erreicht, wenn der Besitz unabhängig von der Erreichung eines Schwellenwertes sanktioniert wird. Kirkpatrick lehnte überdies die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften ab: "Die juristische Aufarbeitung von Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz verlangt keine spezifischen Kenntnisse. Das kann jeder Staatsanwalt bearbeiten." Bisherige Vollzugsdefizite seien nicht auf Untätigkeit der Justiz zurückzuführen.

Der Frankfurter Rechtsanwalt Markus Hauptmann, Vorstandsmitglied der NADA und genau wie Prof. Adolphsen Mitglied der vom damaligen DSB eingesetzten Rechtskommission des Sports gegen Doping (Respodo), forderte "härtere Gesetze und effizientere Kontrollen". Er plädierte für eine "Besitzstrafbarkeit ohne Zweckbestimmung" sowie für eine Sonderregelung für Anabolika im Betäubungsmittelgesetz. "Je länger wir warten, desto härter werden später die Gesetze", merkte Hauptmann an und forderte eine nachhaltige Finanzierung für die NADA. Lediglich 30 Prozent des Jahresbudgets kämen aus Erträgen des Stiftungskapitals.

Dr. Franz Steinle, Präsident des Landgerichts Ravensburg und Vizepräsident des Deutschen Skiverbandes, sprach sich vehement gegen die Einführung des Sportbetrugs aus. Ein spezieller Tatbestand im Strafgesetzbuch sei nicht denkbar, weil es kein notwendig überzeugendes Strafrechtsgut gebe. Fairness im Sport sei uneingeschränkt zu befürworten; es sei aber kein "staatlich schützenswertes Rechtsgut". Erhebliche Probleme sieht Dr. Steinle mit der angedachten Variante der Besitzstrafbarkeit voraus: "Diese Bestimmung wird im Hochleistungssport nicht von großer Relevanz sein. Kaum ein Spitzensportler wird sich mit Handel beschäftigen - sie haben schließlich mit selbst genug zu tun." Andererseits sei fraglich, wann ein Anfangsverdacht vorliege, dass ein Athlet im Besitz größerer Mengen ist.

Prof. Britta Bannenberg, Strafrechtlerin und Kriminologin von der Universität Bielefeld, forderte: "Der Sportler muss als Kerngestalt des Dopinggeschehens strafrechtlich erfasst werden. Sportliche Manipulationen müssen umfassend im Kernstrafrecht geregelt werden." Die Problemlösung müsste in Anlehnung an die parallele Problematik der Korruption und der Wirtschaftskriminalität gesucht werden. So sei ihrer Meinung nach ein lediglich erweitertes Arzneimittelgesetz nicht ausreichend. Frau Prof. Bannenberg forderte die "umfassende Besitzstrafbarkeit" und einen "spezifischen Straftatbestand gegen alle sozialschädlichen Formen der Sportmanipulation", der nicht auf bestimmte Formen des Dopings beschränkt werden dürfte. Der bereits vor einigen Jahren von Prof. Dieter Rössner (Marburg) eingebrachte Vorschlag, das Strafgesetzbuch um einen Paragrafen 298 a (Wettbewerbsverfälschungen im Sport") zu erweitern, sei aktueller denn je.

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, unterstrich, der 110. Deutsche Ärztetag habe systematisches Doping mit klaren Worten verurteilt. "Keine wirksame Einwilligung des Sportlers kann die nicht indizierte Verschreibung von Dopingsubstanzen begründen", legte er dar. Die Stoffliste im Anhang des Gesetzentwurfs, welche die besonders gefährlichen Substanzen für die Besitzstrafbarkeitsregelung abschließend festlegt, sollte überarbeitet werden: "Es gibt verschiedene Substanzen, die fehlen." Nach wie vor stünden Anabolika an erster Stelle der Liste der zweckwidrig benutzten Substanzen, dabei würden diese nur "sehr selten" zur Behandlung Kranker eingesetzt. Ein sehr guter Weg sei die gesetzliche Vorgabe, Warnhinweise in die Packungsbeilage aufzunehmen. Prof. Ludwig: "70 Prozent der Patienten schätzen dies grundsätzlich als sehr wichtig ein. Auch in der Fachinformation für Ärzte müssen die Dopinggefahren beschrieben werden."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 26 vom 26. Juni 2007, DOKUMENTATION III-V, Seite 31-35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2007