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POLITIK/227: Dopingbekämpfung - Rechtsverschärfungen verabschiedet (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Bundestag verabschiedete Rechtsverschärfungen in der Dopingbekämpfung
Minister Dr. Schäuble: Schulterschluss zwischen Sport und Politik ist richtig

Von Holger Schück


Voraussichtlich zum 1. November werden die neuen Rechtsverschärfungen in der Dopingbekämpfung in Kraft treten. Der Deutsche Bundestag beriet in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung des Dopings im Sport und verabschiedete das so genannte Artikelgesetz mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen. Der Bundesrat wird das Gesetzespaket, das Änderungen im Bundeskriminalamts- und im Arzneimittelgesetz vorsieht, am 21. September zur Kenntnis nehmen. Kernpunkt der Rechtsverschärfungen ist die Einführung einer so genannten weichen Variante der Besitzstrafbarkeit: Wer Arzneimittel mit besonders gefährlichen Stoffen (Testosteron und Anabolika, Peptidhorme und Antiestrogene) in größeren Mengen (Regelung in einer noch zu verabschiedenen Rechtsverordnung) "zu Dopingzwecken im Sport" besitzt, macht sich strafbar, ohne dabei dem Beschuldigten Handel nachweisen zu müssen - Strafrahmen: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Weitere Inhalte sind Strafverschärfungen für banden- und gewerbsmäßige Dopingstraftaten und Abschöpfung der Vermögensvorteile, die Nutzung der Telefonüberwachung bei schweren Dopingdelikten, die Übertragung der Ermittlungsbefugnisse auf das Bundeskriminalamt und die Verpflichtung zur Aufnahme von Warnhinweisen bei Arzneimitteln, die für Doping geeignet sind. Ein Antrag der Grünen auf Einführung eines Straftatbestandes Sportbetrug im Strafgesetzbuch scheiterte.

Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble erklärte in der 90-minütigen Parlamentsdebatte, niemals könnte eine "hundertprozentige Lösung" in der Dopingbekämpfung gefunden werden: "Die Menschheitsgeschichte ist ein ewiger Wettlauf zwischen solchen, die Gesetze verletzen wollen, und denjenigen, die versuchen, sie einzuhalten. Der freiheitliche Staat läuft hinterher und nicht voraus; das ist so gewollt." Deshalb sei in der Dopingbekämpfung der Schulterschluss zwischen Politik und Sport richtig. Diese Partnerschaft sei "keine Kumpanei, sondern das richtige Verständnis einer freiheitlichen Lebens- und Gesellschaftsordnung". Es sei wichtig, dass der Sport das aktive Dopen durch Sportler selber sanktioniere: "Das funktioniert. Weil es kein harmloses Alltagsdelikt ist, sondern hochkriminell, brauchen wir ergänzend die Vernetzung. Deswegen brauchen wir die Ausdehnung des Strafrahmens, deswegen die Zuständigkeit des Bundeskriminalamtes und der Einsatz des ganzen Instrumentariums, auch um Kommunikationsstrukturen zu überwachen. Wir brauchen auch die Telekommunikationsüberwachung und die Möglichkeit, in Räume einzudringen. Wir müssen die Informationen auch entsprechend vernetzen."

Der Gesetzentwurf - so akzentuierte es Dr. Schäuble - erfülle diese Vorgaben. Der Minister: "Wahr ist: Wenn das Prinzip des Wettbewerbs im Sport, im Leistungssport diffamiert wird, weil das nur noch Schmu ist, weil es nur noch Missbrauch gibt und er nur noch gesundheitsschädlich ist, dann verliert der Sport das Großartige, was ihn ausmacht und was er bewahren muss." Sanktionsmöglichkeiten an der zentralen Stelle auszuschöpfen sei weiterhin Aufgabe des Sports: "Die freiheitliche Organisationsform des Sports kann das viel besser gewährleisten als jedes staatlich gelenkte System." Abschließend meinte der CDU-Politiker: "Die Debatte konzentriert sich im Augenblick zu sehr auf den Radsport. Das ist notwendig und richtig. Aber es sollte niemand glauben, dass sie sich auf den Radsport beschränkt. Deswegen machen wir die strengen Untersuchungen in allen Bereichen, denn Steuergelder können wir dafür nicht einsetzen. Da sind wir uns alle einig."

Der Vorsitzende des Sportausschusses, der SPD-Parlamentarier Dr. Peter Danckert, wies darauf hin, mit dem Gesetzentwurf sei "ein wichtiger Meilenstein" erreicht worden - "ein ganz wichtiger Baustein: Er ist aber nicht ausreichend, um den Kampf gegen Doping insgesamt zu gewinnen". Nunmehr sei es ermöglicht worden, in Fragen der Dopingkriminalität auch das Bundeskriminalamt einzusetzen. Dr. Danckert: "Dort sitzen Experten, von denen ich glaube, dass sie uns weiterhelfen." Überhaupt gebe es nunmehr "eine eindeutige Aussage unseres Parlaments", dass Doping "keine Bagatellkriminalität mehr ist, die mit bis zu drei Jahren bestraft wird, sondern dass der Strafrahmen dem bei Verbrechen ähnlich ist". Der SPD-Abgeordnete: "Wir haben das Machbare erledigt und werden den Gesetzentwurf heute verabschieden. Ich denke, das ist der richtige Weg. Es reicht aber noch nicht aus." Dr. Danckert appellierte an den DOSB, seine jährlichen Zuwendungen an die NADA zu verstetigen, also auch ab 2008 jährlich 520.000 Euro zu zahlen - "damit der Beitrag des Sports an dieser Stelle noch deutlicher wird".

Klaus Riegert, sportpolitischer Sprecher der Union, unterstrich, die unerlaubte Leistungssteigerung im Spitzensport verlaufe zunehmend in organisierten Strukturen: "Diese können nur durch gezielte, auch strafrechtliche Maßnahmen bekämpft werden. Der Fokus der Medien liegt beim Doping naturgemäß auf dem Leistungs- und Spitzensport. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Doping auch im Breitensport bis hin zu sportlichen Betätigungen im Fitness- und Freizeitbereich anzutreffen ist. Doping ist damit ein Problem des Sports insgesamt und bedarf der breit angelegten und gemeinsamen Bekämpfung durch Sport, Politik, Justiz, Wirtschaft, Medien und nicht zuletzt die ganze Gesellschaft."

Der Gesetzentwurf enthalte die richtigen Hebel: "Die Anstrengungen des organisierten Sports allein reichen nicht aus. Der Staat muss mit seinen Ermittlungsbehörden in den Fällen eingreifen, in denen kriminelles Unrecht geschieht. Er ist in der Lage, die hinter dem dopenden Sportler verdeckt arbeitenden Netzwerte aufzudecken und zu zerschlagen. Genau hier greifen die von uns verabredeten und geplanten sowie vom Kabinett bereits im März dieses Jahres verabschiedeten Regelungen." Allerdings sei es töricht, zu denken, mit den Rechtsverschärfungen sei Doping schon bald kein Problem mehr. Vielmehr: "Politik und Sport, aber auch die Sponsoren und die Medien stehen zusammen in der Verantwortung, den Kampf gegen Doping zu führen."

Für die FDP-Bundestagsfraktion wies der Abgeordnete Detlef Parr darauf hin, dass nach wie vor die Sportvereine vor Ort das Vertrauen für einen dopingfreien Sport verdient hätten. Der Gesetzentwurf verfüge über eine "Reihe von richtigen Lösungsansätzen". Detlef Parr: "in den Sportverbänden ist vieles zur Dopingbekämpfung auf den Weg gebracht worden. Die Sponsoren beginnen, stärker Verantwortung zu übernehmen. Aber sind wir uns eigentlich an den verschiedenen Stellen unserer Gesellschaft schon klar geworden über gewisse Mittäterschaften? Über die Folgen von Sensationsgier? Über falsch gesetzte Anreize für vermeintlich grenzenlose Leistungssteigerungen? Über Rekordmanie und überzogene Zahlenfixiertheit?" Die Gesellschaft insgesamt trage "Verantwortung für Fehlentwicklungen, die wir allzu lange hingenommen und durch Wegsehen sogar geduldet haben". Parr betonte, es müsste deutlich mehr für Präventionsarbeit getan werden und rief aus: "Wir müssen die Einstellung gegen medizinische Leistungsmanipulationen schon in jungen Jahren festigen."

Die Abgeordnete Katrin Kunert erklärte für die Fraktion Die Linke: "Die gesamte Gesellschaft watet im Dopingsumpf und erwartet vom Sportler, den Wettkampf in trockenen Strümpfen zu absolvieren. In den letzten Monaten wurde viel darüber diskutiert, wie ein Sportler bestraft werden könnte, der letztlich doch mit nassen Strümpfen erwischt wird. Ich finde das scheinheilig." Zu den aktuellen Doping-Bekenntnissen im Radsport merkte sie an: "Es gibt kein Unrechtsbewusstsein. Der eigentliche Skandal ist, dass sich die Geständnisse und Tränen auch noch super vermarkten lassen. Mediendemokratie nennt man das. Ich nenne es Sittenverfall."

"Ich halte es für einen Fehler, dass sich die Politik immer nur so viel traut, wie die Spitzenfunktionäre des Sports der Politik zugestehen", kritisierte Winfried Hermann, Sportsprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Er unterstrich, es werde lediglich das Arzneimittelgesetz novelliert und nicht ein umfassendes Antidopinggesetz vorlegt. Ein schwaches Arzneimittelgesetz sei also "etwas gestärkt" worden: "Sie haben diesem zahnlosen Tiger zugegebenermaßen ein, zwei Zähne beigefügt, aber aus diesem Instrument kein wirklich bissiges Gesetz gemacht." Das sei im Prinzip lediglich "weiße Salbe, denn der Besitz nicht geringer Mengen ist für diejenigen, die damit handeln, auch heute schon strafbar". In der Endkonsequenz: "Die Verabschiedung Ihres Gesetzentwurfs wird zu einer Neuproportionierung der dezentralen Dopingmittelvergabe führen, zu nichts anderem."

Die sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Freitag, sprach von einem nunmehr erreichten "Paradigmenwechsel": Bisher sei der Besitz von Dopingmitteln nicht strafbewehrt, man müsste die Täter schon beim Handel, bei der Weitergabe, beim Inverkehrbringen ertappen. "Ganz eindeutig Nein" sage sie zu der Rolle der Ärzte, die ihre aktive Teilnahme an der Verabreichung von Dopingsubstanzen damit begründeten, "dass man diese Widerwärtigkeiten nur deshalb medizinisch begleitet, um beispielsweise Spätfolgen unkontrollierten Dopings zu verhindern".


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 28 vom 10. Juli 2007, DOKUMENTATION III-IV,
Seite 27-31
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2007